contradictio.de

Kritik an Ideologien, Aufklärung über populäre Irrtümer, Kommentare zum Zeitgeschehen

Kein Kommentar: „Realpolitik“ und / oder / statt / neben / gegen / wegen … Moralpolitik?!

Von • Jan 26th, 2023 • Kategorie: GSP-Radio

Kein Kommentar: „Realpolitik“ und / oder / statt / neben / gegen / wegen … Moralpolitik?!

https://cba.fro.at/597452

Thema ist nach wie vor der Krieg bzw. die westliche Agitation, entlang eines Interviews (im „Standard“) mit einem Wirtschaftshistoriker.

Als Einstieg: Die Kategorie „Realpolitik“ ist ja einigermaßen schräg, denn Politik, im Sinne des Staatshandelns, zu dem allemal der Krieg als Mittel gehört, die Politik gibt es ohnehin nur ein einziges mal, nämlich als die reale, die wirkliche, die existierende. Nichtsdestotrotz hat sich die Vorstellung der „realen“ Politik als einer speziellen Variante etabliert; in Wikipedia erfährt man:

„Realpolitik orientiert sich eng an den als real anerkannten Bedingungen und Möglichkeiten. … Abzugrenzen ist sie von eher werteorientierten Ansätzen, die sich auch auf die politische Ideengeschichte beziehen. Ein wichtiges Wesensmerkmal der Realpolitik ist daher die Grundannahme, Werte und darauf basierende Mittel seien letztlich immer verhandelbar und dispositiv, wenn ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. … Der Begriff fand als Lehnwort Eingang in den englischen Wortschatz und wird vor allem in US-Medien und in der dortigen politischen Wissenschaft benutzt.“ (Wikipedia, „Realpolitik“) … „Das Dispositiv hat also eine vorwiegend strategische Funktion.“ (Wikipedia, „Dispositiv“, nach Foucault: „Dispositive der Macht“)

Die kleine Definition ist insofern bemerkenswert, als die „wertorientierten Ansätze“ wie die „Werte“ schlechthin – und im Gegenteil! – auf ihre unverhandelbare, absolute Gültigkeit abzielen, als Ausprägungen des kategorisch „Guten“ im Unterschied zum „Bösen“.

In der aktuellen Berufung auf die weWe, auf die „westlichen Werte“ bestehen die realpolitischen westlichen Machthaber und die assistierenden Medienmachthaber gerade auf dieser Unverhandelbarkeit, wenn sie eine dementsprechend kompromisslose Feindschaft ausrufen.Übrigens: welche Werte genau das sein sollen bzw. worin sie bestehen, das ist im Alltagsgebrauch ziemlich wurscht, es genügt die Berufung darauf, dass überhaupt weWe vorhanden seien.

Zugleich könnte jeder mit einem durchschnittlichen Gedächtnis wissen, wie situationselastisch, wie anlassbezogen und „verhandelbar“ die weWe sind, und dass Werte – wie obige Definition auch ausdrückt – darin leicht als Heuchelei kenntlich sind.

Der vernichtende Vorwurf „Angriffskrieg“ etwa, vorgetragen von TV-Sprecherinnen mit der passenden Leidensmiene, der transportiert eine leicht lesbare Lüge – wonach so ein „Angriff“ ein selbstverständliches Verbrechen gegen jedwede internationale Ordnung sei und den sofortigen Ausschluss des Angreifers aus der zivilisierten Welt nach sich ziehen müsse; ebenso kenntlich die Lüge, dass die Protagonisten dieses Vorwurfs kompromisslos gegen jeden „Angriffskrieg“ Partei ergreifen würden.

Die Erinnerung belegt, dass gar kein Verdikt gegen den „Angriffskrieg“ schlechthin, sondern bloß gegen den russischen Angriffskrieg vorliegt, denn die US-amerikanischen Angriffskriege der letzten 30 Jahre am Balkan und im Nahen und Mittleren Osten konnten sich keineswegs einer rigorosen, unverhandelbaren Ablehnung erfreuen. Gegenüber diesen Angriffskriegen galt und gilt, da durfte man neben den moralischen auch „realpolitische“ Sprachregelungen der Angriffskrieger („Regimewechsel“ etwa) zur Kenntnis nehmen und das passende „Verständnis“ aufbringen.

Die Begründungen, die Putin für den russischen Angriffskrieg vorbringt, die auch nur zur Kenntnis zu nehmen, das fällt hingegen unter das verpönte „Putin-verstehen“, weil sich ein „verstehen“ im Sinn von „Verständnis-haben“ eben nur für westliche Kriege gehört. Das Ami-verstehen hingegen ist offenbar unverwüstlich, nicht einmal die zuerst vorgebrachte und dann selbst entlarvte Lüge von den „Massenvernichtungswaffen“ seinerzeit im Irak konnte der Identifikation mit diesem Aggressor etwas anhaben, wie die aktuelle Lage zeigt.

Nachdem auch Journalisten ein Gedächtnis haben, produzieren sie manchmal passende Stilblüten. So hat man lesen können, dass die Verdammung Russlands in Ordnung gehe, weil die Schreiberzunft damals „auch die USA kritisiert“ habe – nun denn! Dann lasset uns halt Russland ein bißchen gridisieren – mit weichem „g“ und weichem „d“ – und alsbald herrscht wieder business as usual, und die Welt wäre wieder in Ordnung.

Eine allgemeine Form, in der die Journaille den berechnenden, geheuchelten, situationsbezogenen Umgang mit den weWe bewältigt, der besteht im Vorwurf der mangelnden Glaubwürdigkeit – wenn etwa ganz bösige „Autokraten“ unverträglich mit den weWe sein sollen, und deren Hüter zugleich mit „unseren autokratischen Hurensöhnen“ beste Beziehungen pflegen, wegen Öl und Gas …

So hält die Verantwortungspresse beides fest und bringt beides unter den Hut der Parteinahme: Ja, die westlichen Machthaber sind die Hüter des Guten, die Vollstrecker absolut gültiger völker- und menschenrechtlicher Prinzipien – und wenn sie gegen dieselben verstoßen, dann haben sie immerhin „realpolitische“ Gründe! Und wenn die Vertreter des „Guten“, die amtierenden Figuren rein moralisch „unglaubwürdig“ sein mögen – dann bewährt sich die demokratische Trennung der Macht von den Typen, die sie gerade in Händen haben: Die Machthaber agieren „unglaubwürdig“ und unwürdig – aber dass die westlichen Weltmächte eigentlich viel besser sind als ihre Realpolitik, davon sind die Fans unerschütterlich überzeugt! Umgekehrt, umgekehrt.

Wenn Russland sich auf Werte beruft, auch egal auf welche, dann durchschaut die westliche Verantwortungspresse diese Masche gnadenlos, als – nicht bloß realpolitisch „unglaubwürdig“ – sondern als verlogen. Dann darf man russische Sprachregelungen sicherheitshalber gar nicht konsumieren – vielleicht weil einem Hörer von „Russia today“ vieles plausibel vorkommen könnte, aus seiner Erfahrung mit prowestlicher Kriegsberichterstattung?!

[Ev. Wieder mal territoriale Integrität vs. Selbstbestimmungsrecht]

Zur realen Realpolitik: USA und Ukraine

Realpolitik USA: Die Schwächung Russlands

Realpolitik Ukraine: Der Krieg als Vater des „Nation-Building“

Die Ukraine: Heruntergekommen durch Verwestlichung …

… mit neuer westlicher Perspektive: Krieg

Der Krieg ist die „Fortsetzung der Politik“ (Clausewitz) und wird dadurch zum „Vater aller Dinge“ (Heraklit), das gilt allerdings nur für den Sieger. Er soll zum Vater der Ukraine werden, die Bilanz ist momentan durchwachsen. Das Land ist militärisch eine Kolonie der NATO, v.a. der USA, die mit Waffen und den Informationen der Nachrichtendienste den Krieg steuern; ökonomisch ist die Ukraine davon bestimmt, was sich die westlichen Sponsoren leisten wollen. Immerhin, der Status des Landes im Westen ist ein gänzlich anderer, aus dem verachteten und korrupten „failed state“ ist nach vielen Toten und einer kaputten Infrastruktur ein bejubelter Partner geworden.

Schlagzeile vom 25. Jänner: „Panzerlieferung: Westen greift massiv in Ukraine-Krieg ein“. (Kurier)

Literatur: Rückblicke und abweichende Informationen. Wie immer muss jeder selber überlegen, was da jeweils dran ist!

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/kapitalisierung-russlands-marktwirtschaft-vom-feinsten

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/ukraine-den-zeiten-corona

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/baltikum

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/menschenrecht#section16


https://www.nachdenkseiten.de/

https://www.anti-spiegel.ru/

https://lostineu.eu/

https://www.ossietzky.net/

https://thegrayzone.com/

Tagged as: , ,

Comments are closed.