Kein Kommentar: Zum Zusammenhang von Demokratie und Faschismus und Populismus
Von webmaster • Mai 19th, 2024 • Kategorie: GSP-RadioKein Kommentar: Zum Zusammenhang von Demokratie und Faschismus und Populismus
Gedenkfeiern im KZ Mauthausen 2017:
„Aba Lewit, ein Überlebender, der sich Fragen der Journalisten stellte, gab der Jugend als Rat mit, zwischen den Zeilen zu lesen, ‘nicht reinfallen auf Lockungen’. ‘Es ist komischerweise immer das Gleiche, die Menschen lernen nicht’, sie würden Versprechungen glauben, dabei sei ein Populist nur ein besserer Faschist.“ (Standard 7.5.2017, https://www.derstandard.at/story/2000057128433/7-000-gedenken-in-mauthausen)
Also „die Menschen“ lernen nicht. Aber offenbar lernen sie doch etwas, nämlich „immer das Gleiche“, indem sie „Versprechungen glauben“ und auf „Lockungen reinfallen“! Welche „Versprechungen“ und „Lockungen“ sind da unterwegs, die den „Populisten“ als „besseren Faschisten“ entlarven?
Populismus – die Synthese von Demokratie und Faschismus?
Populismus – also „das Beste aus zwei Welten“?
Bin vor allem nicht der Meinung, die Demokratie wäre die „Antithese“ (Ex-Kanzler Vranitzky) zum Faschismus, also so etwas wie das glatte Gegenteil.
Wenn dem so wäre, wo sollten denn die „faschistischen, faschistoiden“ Tendenzen herkommen, die mitten in der Demokratie von manchen Bedenkenträgern immer wieder entdeckt werden? Woher sollten sie denn kommen, die „Anfänge“, vor denen gern gewarnt wird, um ihnen zu „wehren“? Wenn aktuell der Slogan: „Nie wieder ist jetzt!“ grassiert, dann ist offenbar mitten im demokratischen „Jetzt“ doch ein zumindest faschismusverdächtiges potentielles „Wieder“ zum Vorschein gekommen.
(…)
Halte auch nichts von dem populären Spruch „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“
Was, wenn es nicht stimmt?! Faschismus ist nämlich schon eine Meinung: Auch Faschisten nehmen Stellung im täglichen Kampf der Meinungen, sie nehmen Stellung zu den Problemen der Nation und ventilieren Lösungen, eventuell andere als die von Demokraten bisher gewohnten – aber eben doch eindeutig auf die Nation bezogene Vorschläge. Und da ist die „radikale“ Forderung – „Faschismus ist keine Meinung! Das gehört eigentlich verboten!“ – eine Form der Ignoranz, des Unwillens, sich damit zu befassen, eine Variante davon, das „Kopferl in den Sand zu stecken“; ganz abgesehen davon, dass diese Forderung unterstellt, dass die tatsächlich für politische Erlaubnisse und Verbote zuständigen demokratischen Instanzen die Sache anders sehen, und den inkriminierten Positionen offenbar schon ein Plätzchen im demokratischen Pluralismus der Meinungen einräumen.
(…)
Womit hat man es zu tun: Faschismus, das war und ist in erster Instanz eine Kritik an der Demokratie, und wo diese Kritik erfolgreich ist, resultiert daraus eine andere, eine reformierte Staatsform.
Als überzeugter Demokrat kann man unter Umständen schon an dem Punkt falsch abbiegen, indem die Vorstellung grassiert, so was wie eine zutreffende, in dem Sinn fundierte Kritik an der Demokratie könne es gar nicht geben. Dieses Dogma übersieht, dass der Faschist ein demokratisch völlig selbstverständliches Moment aufnimmt, nämlich den Erfolg der Nation – und für deren Scheitern u.a. auch die Staatsform verantwortlich macht, und eine Alternative propagiert. Eine andere Staatsform eben, aber eine Staatsform wie Demokratie, Monarchie, Militärdiktatur etc.
Die Wortwahl „reformiert“ ist Absicht, weil auch in Ansehung aller Differenzen die Gemeinsamkeiten nicht übersehen werden sollten: Es gibt eine Herrschaft über Land und Leute, ein Gewaltmonopol mit den üblichen Einrichtungen wie Polizei, Militär, Justiz; es existiert die kapitalistische Produktionsweise und ein Sozialstaat (für Volksgenossen); auch ein – völkisch und politisch gesäubertes – lebhaftes Kulturleben ist unterwegs. Da muss der Faschismus nichts neu erfinden.
Auf einen Parteienpluralismus im Parlament und einen wesentlich von den Parteien bestrittenen öffentlichen Meinungspluralismus konnten die Faschisten dagegen leicht verzichten. Der Faschist ist nämlich der Auffassung, dass „die Geschichte“ ein ewiges Völkerringen ist, dass „das Volk“, auf das er große Stücke hält, also ständig damit befasst ist, sich gegen seinesgleichen, gegen die anderen Völker, zu behaupten, und dass die Demokratie (bei Hitler: der „Parlamentarismus“) eine ungeeignete Staatsform ist, weil sie die Einheit der Nation nicht herstellen kann, und damit die Nation schwächt.
Anders formuliert: Die Existenz des Volkes verlangt und ist eines sicher nicht, eine quasi Ergebnis-offene Gesellschaft nämlich, je nachdem, wonach dem Volk gerade der Sinn steht. Worum es dem Volk zu gehen hat, das steht fest, da ist nur die Frage von Sieg oder Niederlage offen, sonst nichts.
Der Faschist will deswegen vereinen, und nicht spalten, indem er gegen die Protagonisten der verschiedenen Spaltungen vorgeht; die daher in die für sie vorgesehenen Konzentrations- oder Vernichtungslager wandern:
Die politische (Parteien)Spaltung
Die ökonomische (Klassen)Spaltung
Die moralische Spaltung
Die völkische Spaltung
Nun ist der Faschist oder der populistische Demokratiereformer in der Regel kein Staatstheoretiker, der in der Manier der vergleichenden Politikwissenschaft die Staatsformen vergleicht und Vor- bzw. Nachteile abwägt. Die Fortentwicklung von der Demokratie in Richtung Faschismus, vielleicht auch „nur“ zum Populismus oder zur Herrschaft von „Autokraten“, über Grauzonen und Überschneidungen, die geht anders.
Demokratie – oder wenigstens die Demokratie, die in Europa die Jahrzehnte nach dem Krieg zur Gewohnheit geworden ist, die funktioniert am Besten, wenn es buchstäblich um nichts geht – nur um Personen. Soll heißen, wenn eine unbestrittene, verbindliche, „alternativlose“, für alle politischen Kräfte gültige Staatsräson vorliegt – ein nationales Wirtschaftswachstum auf Basis einer „regelbasierten“ Weltwirtschaftsordnung etwa samt diesbezüglicher überzeugender Erfolge in einem vereinten Europa –, solange steht auch der sog. „Konsens der Demokraten“ nicht in Frage. (…)
Wenn die nationalen Erfolge ausbleiben, wenn der Staat in eine Krise gerät, dann entzweien sich die Parteien unter Umständen über die fälligen Konsequenzen, über den weiteren Erfolgsweg der Nation, und dann gehen sie auch anders miteinander um, bzw. dann gehen sie gegeneinander vor.
Mit den Mitteln, die der Staat auf verschiedenen Ebenen in verschiedenen Instanzen so zu bieten hat. Für Faschisten / Populisten / Autokraten ist die Politik dann nicht mehr der bisherige demokratische „Konsens durch Kompromiss“, sondern der „Kampf“, und zwar auch und erst recht nach innen, gegen innere Feinde, weil die Nation nur geeint gegen das Ausland bestehen kann – weswegen die Proponenten faktisch den „Konsens der Demokraten“ kündigen und ihren Konkurrenten die moralische Legitimität als ordentliche „Mitbewerber“ bestreiten, und ihnen die Machtpositionen und Möglichkeiten streitig machen wollen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.
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