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Suitbert Cechura: Tarifabschluss bei der Post: Ein Ergebnis mit Fragezeichen

Von • Mrz 23rd, 2023 • Kategorie: Allgemein

Suitbert Cechura: Tarifabschluss bei der Post: Ein Ergebnis mit Fragezeichen

Ein harter Job und schlechte Bezahlung: Auch wenn der Laden brummt, darf man sich nicht zu viel erwarten. Aber verbieten die schweren Zeiten wirklich alles?

Zu Beginn der Tarifrunde mit dem Post-Konzern – noch vor der ersten Verhandlungsrunde – gab die Verdi-Gewerkschaft ihr Ziel bekannt:

„Die Beschäftigten brauchen dringend einen Inflationsausgleich und sie erwarten darüber hinaus eine Beteiligung am Unternehmenserfolg.“ Pressemitteilung Verdi, 5.1.23

Die Vorbereitung auf die Tarifrunde lief vorbildlich, mit großer Mobilisierung und Warnstreiks. Die Mitglieder stellten sich mit 85,9 Prozent bei der Urabstimmung hinter ihre Gewerkschaft und stimmten für einen Streik.

Statt zu streiken, setzte sich Verdi dann aber mit den Arbeitgebern zusammen und schloss ganz rasch einen Tarifvertrag ab, der weder einen Reallohnverlust verhindert noch eine Beteiligung am 8-Milliardengewinn der Post beinhaltet. Dieses Verhalten der Tarifkommission, die sich für ihren schnellen Erfolg lobte, wirft eine Reihe von Fragen auf.

Von Beginn an ein Abschluss à la IG Metall oder IG BCE angestrebt?

Warnstreiks usw.: ein Tariftheater zur Mitgliedergewinnung?

Und jetzt der Abschluss im Öffentlichen Dienst?

Und die Verdi-Mitglieder?

Das muss die Gewerkschaft natürlich herausstellen: Die Misserfolge kann man ihr nicht anlasten. Und die Mitglieder müssen es glauben. Aber werden sie sich dieses Ergebnis jetzt bieten lassen? Es liegt an ihnen, in der Urabstimmung zum Tarifabschluss, die noch bis zum 30. März läuft, diese Vermutung entweder zu bestätigen, indem sie Ruhe geben, oder zu dementieren, indem sie dagegen stimmen. Unmut gibt es an der Verdi-Basis.

„Viele Kollegen wissen“, so äußerte sich ein Postzusteller, „und zwar weil Verdi das kommuniziert hat, dass diese Sonderzahlung langfristig weniger Geld in der Tasche bedeutet. Außerdem wird anteilig auf die Arbeitszeit ausgezahlt“, was gerade bei den Teilzeit- und Abrufkräften weitere Einbußen bedeutet.

Kritische Gewerkschafter fürchten auch, dass der jetzige Abschluss von der Arbeitgeberseite propagandistisch genutzt wird und die Behauptung untermauert, dass mehr einfach nicht drin ist. Darauf sollte man nicht hereinfallen!

Wer natürlich schon beim Aufstellen der Forderung davon ausging, dass wie gewöhnlich bloß die Hälfte und damit ein Reallohnverlust rauskommen wird, der liegt mit diesem Abschluss richtig. Wer sich gegen den Reallohnverlust stemmen will, muss sich mit der Gewerkschaftsführung anlegen.

https://www.telepolis.de/features/Tarifabschluss-bei-der-Post-Ein-Ergebnis-mit-Fragezeichen-7590038.html?seite=all

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