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Vorabveröffentlichung aus der Zeitschrift GegenStandpunkt 4-22

Von • Sep 30th, 2022 • Kategorie: Allgemein

Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus der Zeitschrift GegenStandpunkt 4-22, die am 16.12.2022 erscheint:

 

Deutschland will den Krieg

 

Oder wie soll man das sonst verstehen, wenn täglich von Mitgliedern der regierenden Koalition der Krieg in der Ukraine zu unserer, also Deutschlands Sache erklärt wird? Wenn zu jeder Gelegenheit die Entsendung von mehr und schwereren Waffen gefordert wird und das auch in steigendem Umfang stattfindet? Wenn es regierungsamtliche Linie ist, die Ukraine in ihrer Kriegsführung dauerhaft zu unterstützen, solange sie das braucht?

 

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/deutschland-will-den-krieg

3 Responses »

  1. Peter Decker: Deutschland will den Krieg

    Oder wie soll man das sonst verstehen, wenn täglich von Mitgliedern der regierenden Koalition der Krieg in der Ukraine zu unserer, also Deutschlands Sache erklärt wird? Wenn zu jeder Gelegenheit die Entsendung von mehr und schwereren Waffen aus Deutschland in die Ukraine gefordert wird und das auch in steigendem Umfang stattfindet? Wenn es regierungsamtliche Linie ist, die Ukraine in ihrer Kriegsführung dauerhaft zu unterstützen, solange sie das braucht? Ein Kommentar

    Natürlich steht das alles unter dem Motto, es ginge darum, den Ukrainern zu helfen. Wobei denn?

    Natürlich heißt der Zweck: den Krieg beenden. Aber welcher Staat führt denn Krieg, damit er nie aufhört? Für alle gilt die selbstverständliche Randbedingung, und die gilt erklärtermaßen für Deutschlands Beihilfe auch: Ein Ende gibt es nur zu unseren Bedingungen. Genau die Absicht, möglichst schnell ans Ende zu kommen, macht Kriege scharf und zieht sie in die Länge.

    Natürlich will niemand explizit die anfallenden Opfer. Aber die auf der feindlichen Seite schon, sogar möglichst viele davon; wofür sonst wären die gelieferten Waffen gut? Und die Opfer auf der eigenen Seite, der ukrainischen in dem Fall, heißen Helden, sterben den Heldentod – ist das etwas anderes als ein Ja dazu?

    Aber was gibt es da überhaupt zu beweisen? Deutschland nennt klar und deutlich sein Kriegsziel: Russland darf nicht gewinnen. Es soll dermaßen verlieren, dass es zu einer Kriegsführung der jetzigen Art nicht mehr in der Lage ist. Dazu will Deutschland beitragen, was dafür nötig ist und was es leisten kann. Und wenn das Monate oder sogar Jahre dauert. (…)

    Was bleibt? Deutschland will den Krieg. Und das, ohne dass die Deutschen ihn beantragt hätten. Das brauchen sie auch gar nicht; dafür gibt es in der herrschenden Demokratie gar keinen Platz; da beschließen und verordnen und exekutieren per Befehl und Gehorsam die Gewählten, was die Nation will.

    Natürlich gehört dazu auch, das ist nicht vergessen, dass Deutschland den Krieg nicht angefangen hat. Aber was heißt das schon? Nachdem es die russische Invasion der Ukraine und die westliche Antwort darauf nun mal gibt, will Deutschland ihn auch durchziehen; mit dem immer wieder erklärten Ziel einer russischen Niederlage.

    Sicher, eine richtige Kriegserklärung von deutscher Seite, nach dem Lehrbuch der Diplomatie, gibt es nicht. Und sosehr die Regierenden und Mit-Regierenden in Berlin den Krieg zu ihrer Sache erklären und machen und mit Waffenlieferungen zu seiner Eskalation beitragen: Kriegspartei im eigentlichen Sinn wollen sie nicht sein. Aber was sind sie dann?

    Uneigentliche Kriegspartei sind sie und wollen sie bleiben – im Klartext: Deutschland will den Krieg, aber nicht seine wirklichen Kosten. Geld und Material sind geschenkt; Tote und Verwüstung fallen in der Ukraine an und nicht beim wild entschlossenen Sponsor. Deutschland will den Krieg gegen Russland – in der Ukraine. (…)

    Mit seiner – für sich genommen noch so bescheidenen – „nuklearen Teilhabe“ gewinnt Deutschland als konventionell potente Kriegsmacht Anschluss an die Sorte Kriegsführung, die mit atomaren Gefechtsfeldwaffen anfängt – solchen also, die ganze Landstriche sogar als Gefechtsfeld vernichten und unbrauchbar machen – und die erst gar nicht in den finalen strategischen Schlagabtausch einmünden soll, den die Supermacht und ihr Hauptfeind immer noch als undurchführbar, weil für keinen imperialistischen Zweck mehr tauglich verwerfen und folglich nur umso sorgfältiger durchkalkulieren und vorbereiten.

    Bleibt aktuell bis auf Weiteres die Frage, wie viel von dem Krieg gegen Russland, den es in der Ukraine durchziehen hilft, Deutschland will. Wahrscheinlich ist die Frage schon die Antwort: Fürs Erste so viel, wie sich in der Ukraine durchziehen lässt.

    [Der Artikel von Peter Decker ist zuerst auf GegenStandpunkt.com erschienen:
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/deutschland-will-den-krieg%5D

    https://overton-magazin.de/krass-konkret/deutschland-will-den-krieg/

  2. Deutschland will den Krieg
    Die uneigentliche Konfliktpartei und das Gewissen ihrer Staatsbürger
    Von Theo Wentzke

    Deutschland will den Krieg. Oder wie soll man das sonst verstehen, wenn täglich von Mitgliedern der regierenden Koalition der Krieg in der Ukraine zu unserer, also Deutschlands Sache erklärt wird? Wenn zu jeder Gelegenheit die Entsendung von mehr und schwereren Waffen aus Deutschland in die Ukrai­ne gefordert wird und das auch in steigendem Umfang stattfindet? Wenn es regierungsamtliche Linie ist, die Ukraine in ihrer Kriegführung dauerhaft zu unterstützen, solange sie das braucht?

    Natürlich steht das alles unter dem Motto, es gehe darum, den Ukrainern zu helfen. Wobei denn?

    Natürlich heißt der Zweck: den Krieg beenden. Aber welcher Staat führt denn Krieg, damit er nie aufhört? Für alle gilt die selbstverständliche Randbedingung, und die gilt erklärtermaßen für Deutschlands Beihilfe auch: Ein Ende gibt es nur zu unseren Bedingungen. Genau die Absicht, möglichst schnell ans Ende zu kommen, macht Kriege scharf und zieht sie in die Länge.

    Natürlich will niemand explizit die anfallenden Opfer. Aber die auf der feindlichen Seite schon, sogar möglichst viele davon; wofür sonst wären die gelieferten Waffen gut? Und die Opfer auf der eigenen Seite, der ukrainischen in dem Fall, heißen Helden, sterben den Heldentod – ist das etwas anderes als ein Ja dazu?

    Alles auf Sieg

    Keine Schwäche zeigen

    Auf Dauer ausschalten

    Der Krieg und du

    Zumindest diese geistigen Missgriffe, den humanitären wie den staatsbürgerlichen und deren gesinnungsmäßig so produktive Kombination, kann man sich schenken – auch wenn es einem weder den Krieg noch die Kriegsbegeisterung empörter Mitbürger erspart. Denn das geht ja immerhin: sich und allen, die bereit sind zuzuhören, den Krieg und seine Gründe, die allgemeinen eines jeden staatlichen Souveräns wie die besonderen weltkriegstauglichen von NATO und Russland, erklären. Hoffnung – ohnehin nichts als eine der Haupttugenden eines kriegsfesten Moralismus – kann man daraus zwar bestimmt nicht schöpfen. Aber wenigstens ist man dann nicht auch noch mit der eigenen Urteilskraft das Spielmaterial der großen bewaffneten Rechthaber.

    Theo Wentzke schrieb an dieser Stelle zuletzt darüber, wie der Wirtschaftskrieg gegen Russland Staat und Kapital vor Probleme stellt: Deutschland kriegt die Krise

    Mehr zum Thema Ukraine-Krieg im aktuellen Heft der Zeitschrift Gegenstandpunkt:
    https://de.gegenstandpunkt.com/

    Aus: junge Welt – Ausgabe vom 07.10.2022 / Seite 12 / Thema: Ukraine-Krieg
    https://www.jungewelt.de/artikel/436161.ukraine-krieg-deutschland-will-den-krieg.html

  3. Deutschland will den Krieg – warum eigentlich? (GS 4-22)

    Deutschlands offizielle Antwort besteht in der Zurückweisung der Frage. Mit der Benennung der Sache – „Putins grausamer Angriffskrieg“ – ist die Sache fertig: Wo DAS BÖSE zuschlägt, können DIE GUTEN nicht abseitsstehen. Für eine aufgeklärte Öffentlichkeit, die „einfache Antworten“ überhaupt nicht leiden kann, langt das. Nicht nur als Antwort, sondern für ein demonstratives, gerne aggressives Unverständnis, wie jemand da noch Fragen haben kann.

    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/deutschland-will-den-krieg-warum-eigentlich