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Renate Dillmann: Der Feind in Asien

Von • Mai 24th, 2021 • Kategorie: Allgemein

Renate Dillmann: Der Feind in Asien

 

Ein neuer Kalter Krieg der USA gegen China bewegt die Welt.

Tatsächlich haben US-Akteure den Konflikt erheblich zugespitzt. Eine vorläufige Übersicht.

 

Droht ein neuer Kalter Krieg, dieses Mal zwischen den USA und China?

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei an folgende Punkte erinnert:

 

  • Donald Trump hat einen Handelskrieg gegen China geführt, in dessen Verlauf chinesische Waren mit 550 Milliarden Dollar an Strafzöllen belegt wurden. Seine Diplomaten sorgten dafür, chinesische Firmen mit überlegenen Technologie-Angeboten aus westlichen Märkten zu drängen und im Fall von Huawei deren Managerin verhaften zu lassen. Die Biden-Regierung führt die Schutzzoll-Politik ihrer Vorgängerregierung fort und hat sie um ein Gesetz ergänzt, das Regierungsbehörden untersagt, ausländische Waren und Dienstleistungen zu kaufen (Umfang 600 Milliarden US-Dollar).
  • Im südostasiatischen Meer finden weitere US-Manöver statt; der sogenannte „Inselstreit“ wird von US-Seite mit kleineren Scharmützeln am Leben gehalten, amerikanische Stützpunkte in der Region werden reaktiviert und neu ausgestattet (Philippinen, Guam), die Aufrüstung Taiwans mit US-Waffen forciert.
  • Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020 hat der US-Verteidigungsminister Mark Esper in einer Brandrede die Notwendigkeit eines westlichen Bündnisses gegen China beschworen. Der G7-Gipfel in London 2021 – unter der Regierung Biden – diente explizit der Anbahnung eines solchen Bündnisses, weshalb auch Australien, Indien und Südafrika eingeladen wurden.
  • Begleitet wurde und wird diese Politik durch immer mehr und immer heftigere Anklagen gegen den chinesischen Staat in der westlichen Öffentlichkeit und den Vereinten Nationen. China wird inzwischen des Genozids an einer ethnischen Minderheit, den Uiguren, bezichtigt. Dazu treten im Wochenrhythmus wechselnde Vorwürfe wegen staatlicher Repression gegen Protestierende in Hongkong, Ausbeutung afrikanischer und asiatischer Staaten, Umweltverstößen und nicht zuletzt Schuldzuweisungen und Kritik am autoritären Staatsverhalten in der Corona-Krise.

 

Kampagnen dieser Art haben dafür gesorgt, dass der chinesische Staat in der Bevölkerung einen ziemlich schlechten Ruf hat – gerade auch bei denen, die dem hiesigen Staat nicht ohne Kritik gegenüberstehen.

Dass die USA China so feindselig gegenübertreten und Verbündete für ein Anti-China-Bündnis sammeln, liegt allerdings nicht in den Vorwürfen begründet, die sie lancieren und dann zitieren. Die regierenden Politiker können Feindbild und Feindschaft besser auseinanderhalten als ihre Presse und ihr Volk.

Autoritäres Regieren ist für die USA, das Mutterland von Demokratie und Menschenrechten, per se jedenfalls kein Grund für Feindseligkeiten. Sie haben schon Herrscher von ganz anderem Kaliber zu Freunden erklärt – wie den Saudi-König Salman und den ägyptischen Putsch-General Al Sisi – oder selbst an die Macht gebracht – wie den Schah im Iran oder Pinochet in Chile. Letztere übrigens jeweils gegen demokratisch gewählte Politiker. Und auch bei Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheiten, ja selbst Genoziden – mal angenommen, das sei in China so, wie es in westlichen Medien unter Bezug auf hiesige Quellen gemeinhin darstellt wird1 – sind US-Präsidenten nicht gerade zimperlich, wenn es ihnen geopolitisch in den Kram passt. So hat der türkische Nato-Partner Erdogan mit Panzern und Bomben gegen die Kurden bisher freie Hand.

Womit also hat sich China, an dem US-amerikanisches Kapital in den letzten Jahren enorm viel verdient hat und das auch gerade wieder einmal die Weltkonjunktur-Lokomotive darstellt, diese harte Feindschaft der USA verdient?

 

Vom sozialistischen Entwicklungsland zur kapitalistischen Großmacht

Eine Konkurrenz neuen Typs

Die Versuche der USA, Chinas Aufstieg zu behindern

China gibt nicht nach

Die Perspektive heißt Krieg

 

Gegen alles Geschwätz von „Chimerica“ und einem globalisierten Welthandel „zum Nutzen aller“ wird an diesem Fall ein weiteres Mal deutlich, dass die Konkurrenz um den Nutzen aus dem Welthandel ihrer Natur nach ausschließend und deshalb in der letzten Instanz feindlich, ja kriegsträchtig ist. Auch wenn momentan tatsächlich keine der Parteien die „große Auseinandersetzung“ will, ist das der gewaltträchtige Kern ihres Verhältnisses.

 

Dr. Renate Dillmann ist Politologin und arbeitet als Journalistin und Dozentin für Sozialpolitik. Soeben ist die Neuauflage ihres Buchs „China – ein Lehrstück für alten und neuen Imperialismus, einen sozialistischen Gegenentwurf und seine Fehler, die Geburt einer kapitalistischen Gesellschaft und den Aufstieg einer neuen Großmacht“

mit aktuellen Ergänzungen erschienen.

 

 

https://www.heise.de/tp/features/Der-Feind-in-Asien-6052304.html?seite=all

One Response »

  1. Zero-Covid
    Kann ein »repressiver Staat« ein Virus unterdrücken? Chinas Pandemiepolitik und wie sie der Westen sieht
    Von Renate Dillmann

    Vor kurzem ist die vierte, aktualisierte und ergänzte Neuausgabe von Renate Dillmanns Buch »China – ein Lehrstück« im Verlag Die Buchmacherei erschienen. Aus dem Kapitel »China – Stand 2020« veröffentlichen wir die von Dillmann nochmals aktualisierten Überlegungen zur chinesischen Coronapolitik. Wir danken Verlag und Autorin für die freundliche Genehmigung zum Abdruck. (jW)

    Das Virus SARS-CoV-2 ist in China entstanden, besser gesagt: Es wurde dort zum ersten Mal festgestellt. Relativ schnell galt die Pandemie in China wie in einigen anderen Staaten als bewältigt. Anders als in Nord- und Südamerika, Europa und Afrika, aber auch in Ländern wie Indien, die lange steigende Infektions- und Todeszahlen registrierten und inzwischen auf Impfung als einzig verbliebene Strategie zur Bewältigung setzen.

    Schon die puren Zahlen sind frappierend: China weist – Stand heute, wie der Bundesgesundheitsminister sagen würde – bei einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden etwa 104.000 Infizierte und weniger als 5.000 Todesfälle auf, Deutschland mit seinen 83 Millionen Einwohnern dagegen 3,7 Millionen Infizierte und knapp 90.000 Tote.

    Doch erstaunlich: In der freien westlichen Öffentlichkeit gibt es herzlich wenig Interesse daran. Weder haben die deutschen Bürger, die doch im Unterschied zu Chinesen freien Zugang zu allen Informationen haben, im Normalfall eine Vorstellung von den Todeszahlen dort und hier. Noch fühlt man sich offenbar auf Seiten der Journalisten – bei allem Umfang der Coronaberichterstattung! – motiviert, die Maßnahmen der chinesischen Regierung zu recherchieren und der Leserschaft einen sachlichen Überblick darüber zu vermitteln.

    Statt dessen steht fest: China hat die Pandemie, an der es mehr oder weniger irgendwie »schuld« ist, mit der für diesen Staat üblichen Repression in den Griff bekommen. In einer Diktatur ist eben vieles möglich, was »wir« hier nicht wollen. Die Erfolge Chinas beruhen darauf, die Freiheit des Individuums nicht zu beachten; kein Datenschutz, keine Intimsphäre, statt dessen: abriegeln, einsperren, Einsatz der Armee … So oder so ähnlich lauten die Urteile, die sich in die sowieso übliche Verurteilung dieses Staates einreihen. Die deutsche Öffentlichkeit ist im Grunde fertig mit der chinesischen Coronapolitik, bevor sie auch nur einen Blick darauf geworfen hat.

    Es fragt sich allerdings, ob man mit staatlicher Unterdrückung ein Virus besiegen kann – wie es die populäre Vorstellung nahelegt und wie es auch die hiesige Wissenschaft bekräftigt. »­Chinas Vorteil in der Pandemiebekämpfung: Sie können die Menschen einfach zwingen« (Nis Grünberg, Mercator Institut¹). Versuchen wir hier eine vorläufige Richtigstellung.

    Ignorieren und bagatellisieren

    Staatliche Maßnahmen

    Ziel und Mittel

    »Arrogant und ignorant«

    Ansonsten aber steht das Urteil über diesen Staat, den man als »systemischen Konkurrenten« betrachtet, fest: China hat uns das Virus und seine üblen Folgen beschert;¹⁰ es macht mit berechnenden Hilfsangeboten (an Italien, Spanien oder Serbien) Politik und bringt damit Unfrieden nach Europa. Von China etwas lernen oder gar übernehmen, das ist unter diesen Vorzeichen natürlich schlicht indiskutabel.¹¹ Der Beijinger FAZ-Korrespondent Mark Siemons bezeichnet das als »Dünkel, der so viele im Westen davon abhielt, in der Pandemie von Ostasien zu lernen« (FAZ, 29.3.2020), der Arzt Paul Vogt nennt das westliche, speziell das europäische Verhalten »arrogant, ignorant und besserwisserisch«. Es ist dies das Selbstbewusstsein von Staaten und deren nationalistischen Anhängerinnen und Anhängern, die für sich in Anspruch nehmen, dass ihr ökonomischer und politischer Erfolg in der Welt von Geschäft und Gewalt damit zusammenfällt, dass sie in allen Fragen richtig liegen – in der Herrschaftsausübung, bei den Werten, in der Kultur.

    Indes schwindet die Grundlage für dieses Selbstbewusstsein westlicher Nationalisten etwas: Weltweit sind die ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) laut der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) im vergangenen Jahr wegen der ökonomischen Auswirkungen der Coronapandemie um 42 Prozent auf geschätzte 859 Milliarden US-Dollar gefallen. China war 2020 mit 169 Milliarden US-Dollar erstmals das größte Empfängerland für ausländische Direktinvestitionen; davor hatten die USA diese Spitzenposition über Jahrzehnte inne. Dort brachen die FDI um 49 Prozent auf rund 134 Milliarden US-Dollar ein, in Deutschland sogar um 61 Prozent.¹² Dass der unangenehme Konkurrent aus Asien mit seiner raschen Bewältigung von Corona der einzige größere Staat ist, der für 2020 ein Wirtschaftswachstum aufzuweisen hat (und damit übrigens deutsche Exporterfolge trotz Krise ermöglicht) und mit seinem für 2021 prognostizierten Wachstum weiter die »Weltkonjunkturlokomotive« sein wird, wird die Meinung über ihn nicht verbessern – im Gegenteil.

    Renate Dillmann: China. Ein Lehrstück (vierte, aktualisierte und ergänzte Neuausgabe), Die Buchmacherei, Berlin 2021, 392 Seiten, 22 Euro

    Veranstaltung mit der Autorin zum Thema »Der neue Feind im Osten: USA und Freunde gegen China«. 16. Juni 2021, 18.30 Uhr,
    Onlineveranstaltung: https://us02web.zoom.us/j/82576062977?pwd=NWVoSTBOdHRDVkhyVEhUMjViczhiQT09
    Meeting-ID: 825 7606 2977
    Kenncode: 952747

    Aus: junge Welt – Ausgabe vom 15.06.2021 / Seite 12 / Thema: Kampf gegen Corona

    https://www.jungewelt.de/artikel/404335.kampf-gegen-corona-zero-covid.html