contradictio.de

Kritik an Ideologien, Aufklärung über populäre Irrtümer, Kommentare zum Zeitgeschehen

Suitbert Cechura: Der Bürger als Risikofaktor und Schutzobjekt

Von • Okt 29th, 2020 • Kategorie: Allgemein

Suitbert Cechura: Der Bürger als Risikofaktor und Schutzobjekt

 

Die steigenden Infektionszahlen versetzen die deutsche Politik in Alarmbereitschaft

 

Die Infektionszahlen steigen exponentiell und erreichen Rekordhöhen.

Die Kanzlerin wendet sich an ihr Volk mit eindringlichen Warnungen und mit der Aufforderung, zu Hause zu bleiben und die bekannten Hygieneregeln einzuhalten. Und Politiker aller Parteien fordern nicht etwa andere Maßnahmen, sondern als dringliche Angelegenheit eine politische Debatte im Parlament. „Es ist höchste Zeit, dass Landesparlamente und der Bundestag ausführlich darüber debattieren, ob die ‚öffentliche Gesundheit‘ im Augenblick vor dem Kollaps steht oder nicht…“, vermeldete z.B. eine (Ex-) SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. Wie passt das zusammen?

 

Das Volk als Risikofaktor

 

Das Volk als Schutzobjekt

 

Der Lockdown droht

 

Der Ruf nach dem Parlament

 

Für die politische Klasse sind die steigenden Infektionszahlen ein einziger Beleg dafür, dass ihr die Kontrolle über ihre Bürger und damit über die Pandemie verloren zu gehen droht. Denn die Pandemiebekämpfung hängt weitgehend von dem Gehorsam und dem Mitmachen der Bevölkerung ab. Um diese Kontrolle zurück zu erlangen, soll nun die Zuständigkeit für die einschlägigen Maßnahmen dem Parlament zurückgegeben werden.

Zwar sitzen dort nicht die besseren Virologen und Epidemiologen, sondern Politiker, also ein Berufsstand, für den es keiner Ausbildung bedarf. Es geht eben auch nicht um bessere Maßnahmen der Pandemiebekämpfung, sondern um die Agitation der Bevölkerung. Im Politikerdeutsch heißt das, es wird ein „Kommunikationsdefizit“ konstatiert, ein Mangel bei der Einschwörung der Bevölkerung auf die anstehenden Maßnahmen.

Darin besteht also – auch das eine bezeichnende Lektion – die Leistung eines Parlaments: im Für und Wider der verschiedenen Ansichten dem Bürger die Notwendigkeit für Gesetze und Verordnungen zu verdolmetschen und damit unangreifbar zu machen. Die Mehrheit entscheidet darüber, in welchen Maßnahmen das Gemeinwohl am besten verwirklicht ist. Diese entsprechen dann dem Willen des Volkes, schließlich sind die, die das entscheiden, gewählt. Auch wenn die Wähler bei der Wahl von einer Pandemie noch nichts wussten. Sie haben zugestimmt, dass ihre Vertreter ganz unabhängig von ihnen entscheiden können, was für das Wohl der Nation angebracht ist, auch wenn es für den Einzelnen Einschränkungen bewirkt. Der Bürger soll durch die Debatten seine Sorgen in den getroffenen Maßnahmen berücksichtigt und aufgehoben sehen. Ob das im gegebenen Fall wirkt, ist eine andere Frage.

 

 

https://www.heise.de/tp/features/Der-Buerger-als-Risikofaktor-und-Schutzobjekt-4941076.html

One Response »

  1. Suitbert Cechura: Diskussion über die Pandemiemaßnahmen und ihre Kritiker

    Es braucht nicht nur Mut zu einer Corona-Debatte, man muss sie auch führen

    Die „Querdenker“-Demonstration von Leipzig hat die Kritik an den staatlichen Pandemie-Maßnahmen wieder in den Blickpunkt der Medien gerückt, wobei die Protestszene, wie gehabt, schnell in die Ecke von Rechtsextremen und Krawallmachern gerückt wird.1

    Gleichzeitig begründet die Polizei ihre Zurückhaltung im Fall des Leipzigers Auflaufs damit, dass sie nicht mit Wasserwerfern gegen Alte und Kinder vorgehen könne. Am Abend desselben Tags konnte sie freilich in Leipzig mit Wasserwerfern, Polizeihunden und einem martialischen Aufgebot gegen jugendliche „Linksextreme“ vorgehen, um eine brennende Barrikade zu löschen. Von Seiten der Politik, vor allem von Grünen und Linken, wird dann in der Folge mehr Gewalt gegen rechte Demonstranten gefordert. Politikern von CDU/CSU bis Linke, die sonst immer betonen, dass Gewalt kein Argument ist, ist Gewalt statt Argumente nur zu vertraut.

    Peter Nowak wünscht sich jetzt in einem Beitrag auf Telepolis „Mut zum Streit über Corona“ und sieht vor allem die Linke gefordert. Einen Mangel an Statements zur Pandemie kann man bei den Veröffentlichungen auf Telepolis eigentlich nicht feststellen. Aber nur selten wird – wie im Beitrag von Detlef Georgia Schulze – Bezug auf Beiträge anderer Autoren genommen. Von einem Streit kann also keine Rede sein, auch nicht von einer Diskussion, die auf die Klärung von Sachverhalten aus ist. Material für einen solchen Disput ist jedoch reichlich vorhanden, warum nicht damit beginnen?

    Klärung vorab Eine Diskussion über die Pandemiemaßnahmen und ihre Kritiker muss sich natürlich darauf verständigen, an wen sie sich wenden will. Als öffentliche Diskussion richtet sie sich an die Leser und Leserinnen von Telepolis und damit auch an (potentielle) Anhänger der „Querdenker“ und nicht nur an die angesprochenen Autoren. Deren Argumente sind als Beiträge zu einer Klärung zu betrachten und daran zu messen, was sie in dieser Hinsicht leisten. Wenn es das Ziel ist, auch Sympathisanten der „Querdenker“ zu erreichen, verbieten sich Charakterisierungen wie „Corona-Leugner“. Denn das betreiben die Demonstranten meist nicht: Sie leugnen nicht das Virus, sondern stellen seine Gefährlichkeit in Frage.

    Ebenso fällt der Titel „Covidioten“ gleich ein Generalverdikt über die Adressaten und verabschiedet sich von jeder Auseinandersetzung. Auch die Fahndung nach Teilnehmern oder Drahtziehern aus dem rechtsradikalen Milieu kann man getrost dem Verfassungsschutz überlassen, denn ein solcher Nachweis dient in der Regel dazu, die Teilnehmer einer solchen Demonstration aus dem Kreis der anständigen Demokraten auszugrenzen, und impliziert die Aufforderung nach Abgrenzung ohne jedes Argument. Auch der Hinweis, dass der Corona-Protest ein Produkt der Krise sei, nimmt die Menschen nicht ernst; er spricht den Betroffenen ein eigenes Urteil ab. Wozu soll dann noch die Konfrontation mit ihrer „objektiven Funktion“ (Leipziger Corona-Randale) dienen, wenn sie doch ganz durch ihre soziale Situation bestimmt sind? Einen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung hat Lorenz Borsche dagegen in seiner Einleitung zu „Vordenker der Querdenker“ versucht.

    Zur Pandemiebekämpfung

    Wissenschaft im Dienste des Volkes?

    Die Frage nach der Legitimität

    Die Folgen für wen?

    Angemessen oder verhältnismäßig?

    Der Nutzen des Alarmismus

    Fazit

    Es ist nicht schwer, Ungereimtheiten bei den Pandemiemaßnahmen und ihren Begründungen zu entdecken, versucht die Politik doch immer ihre Maßnahmen im Interesse aller und wissenschaftlich gut begründet darzustellen. Sie setzt darauf, dass ihre Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung als Basis von Staat und Wirtschaft als Interesse aller akzeptiert werden, weil alle darauf angewiesen sind, vor dem Virus geschützt zu werden und weil sie in der Mehrheit vom Wachstum der Wirtschaft abhängig sind. Dabei erscheinen die momentanen Maßnahmen manchem als irrsinnig, schränkt der Staat doch ausgerechnet die Wirtschaft ein, auf die es in dieser Gesellschaft vor allem ankommt.

    Weil in der Pandemiebekämpfung sowohl die Interessen der Wirtschaft als auch der Schutz der Bevölkerung zum Tragen kommen soll, diese Interessen aber nicht zusammengehen, erscheinen viele Maßnahmen als inkonsequent und damit auch die Berufung auf die Wissenschaft als wenig glaubwürdig.

    Den Politikern Inkonsequenz vorzuwerfen, unterstellt, dass die Maßnahmen richtig gewählt, die Interessensidentität von Wohl der Wirtschaft und der Bevölkerung sichern könnte, hält somit an dem guten Glauben am Dienst der Politiker für Bevölkerung und Wirtschaft fest. Obgleich in der Pandemie immer wieder offenkundig wird, dass der Schutz der Bevölkerung zu Einschränkungen der Wirtschaft führt oder die Sicherung der Fortgangs der Wirtschaft Opfer kostet, ist dieser Glaube nur schwer zu erschüttern.

    Das Nachrechnen bei der Berufung auf die Wissenschaft durch die Politik, verdankt sich dem Glauben, dass diese sich wirklich von der Wissenschaft und nicht von Interessen leiten würde. Dabei gibt es zahllose Äußerungen von Politikern, die darauf verweisen, dass sie nicht einfach nur diejenigen sind, die die wissenschaftlichen Ergebnisse umsetzen, sondern andere Notwendigkeiten kennen. Der Nachweis der mangelnden Wissenschaftlichkeit ist zunächst lediglich ein Hinweis, dass dort jemand ein Fehler gemacht hat. Es gibt aber auch das Bemühen zu zeigen, dass es kein zufälliger Fehler ist, der dort gemacht wurde, sondern diese sich Interessen verdanken, die da zum Zuge kommen. Wenn diese Interessen nicht benannt werden, dann eröffnen solche Beweisführungen geradezu das Tor für Spekulationen um die Hintergründe, die einem solchen politischen Handeln zu Grunde liegen.

    https://www.heise.de/tp/features/Diskussion-ueber-die-Pandemiemassnahmen-und-ihre-Kritiker-4960707.html?seite=all