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Abschrift zur Klimapolitik-Veranstaltung in Berlin vom 19.02.18

Von • Mai 27th, 2018 • Kategorie: Allgemein

Klimapolitik

Berlin 2018-02-19

siehe auch hier.

 

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1. Teil

Es gibt vor allem in Deutschland, ein Volksvorurteil: Klimarettung ist eigentlich eine gute Sache, für die jeder sein muss. Die Staaten haben auf Klimakonferenzen schon den ersten Schritt in die richtige Richtung getan, streiten sich dann aber, so dass 25 Jahre nach der 1. Klimakonferenz sich die Mächtigen dieser Erde zwar viel Mühe geben, das Klima zu retten, es aber nicht schaffen.

Dagegen: Wenn gerade diejenigen, die in dieser Welt das Sagen haben und die maßgeblichen Entscheidungen treffen, es 25 Jahre lang nicht hinkriegen, das, was sie angeblich selbst verfolgen, zu machen, und immer nur scheitern, dann haben sie vielleicht etwas anderes vor!

Anhand der Argumente der Politiker auf den Klimakonferenzen, die nicht nur Theorien ankündigen, sondern politische Maßnahmen sind, möchte ich zeigen:

  1. An diesem Vorurteil ist nichts dran.
  2. Wozu dienen die Klimakonferenzen der Sache nach? Was genau wird auf ihnen verhandelt?

Dazu die Rede, die Bundeskanzlerin Merkel auf der letzten Klimakonferenz in Bonn (November 2017) gehalten hat. In ihren Argumenten wird die innere Logik dieses politischen Gegenstands, seine Zielsetzung, seine Programmatik und auch seine Praxis klar.

Der 2. Teil des Vortrages beschäftigt sich mit dem Gegenstand der zwischenstaatlichen Konkurrenz, die so heftig auf diesen Konferenzen ausgetragen wird.

Ein zentrales Moment des ‚Volksvorurteils’, mit dem Merkel nicht ganz zu Unrecht anfängt, weil sie davon ausgeht, dass sie mit diesen Worten offene Türen einrennt:

(1) – Volksvorurteil: ‚Klimarettung ist Menschheitsproblem und Schicksalsfrage’

 „Wir sind hier zusammengekommen, weil wir vor einer, wenn nicht sogar vor der zentralen Herausforderung der Menschheit stehen. Der Klimawandel – alle, die hier im Raum sind, wissen das; aber ich rufe dies auch allen anderen zu – ist für unsere Welt eine Schicksalsfrage. Sie entscheidet über das Wohlergehen von uns allen. Sie entscheidet ganz konkret darüber, ob Menschen auch in Zukunft noch zum Beispiel auf den Pazifikinseln leben können. Es hat also eine ganz besondere Aussagekraft, dass die Republik Fidschi als Inselstaat die Präsidentschaft der COP 23 übernommen hat. Es ist uns in Deutschland eine Ehre, die Republik Fidschi hierbei zu unterstützen – das sage ich im Namen der ganzen Bundesregierung. Unsere gemeinsame Botschaft lautet: Wir wollen unsere Welt schützen.“

Es gibt viele Leute, die diesem politischen Treiben kritisch gegenüberstehen, die angesichts solcher Zitate gleich abwinken und sagen: ‚Alles nur heiße Luft’. – Dagegen der zielführendere Vorschlag: Stimmt das, was die Politiker sagen?

Ein gemeinsames Interesse der Menschheit gibt es nicht. Die gesellschaftliche, politische und ökonomische Praxis im Umgang mit den Fragen des Klimawandels spricht eine andere Sprache. Obwohl einem der Gedanke erst mal sehr simpel vorkommt: Wenn der Klimawandel die Erde erwärmt und alle Menschen auf der Erde leben, dann sind auch alle betroffen. Aber aus dieser gemeinsamen Betroffenheit – unterstellt, dass sie existiert – folgt keine Gemeinsamkeit etwa in der Frage der Zielsetzungen.

Man schaue sich mal die Abteilungen dieser sogenannten Menschheit an:

– Die große Masse der Erdbewohner fallen entweder in die Kategorie, dass sie in boomenden Volkswirtschaften oder an ihren Arbeitsplätzen Feinstaub einatmen dürfen, die anderen in Ländern wie den Fidschis oder Afrika sehen ihre Ernährungsgrundlagen dahinschwinden. Sind diese Leute wirklich vom Klimawandel betroffen? Oder sind es nicht vielleicht ökonomische und politische Rechnungen, die mit ihnen angestellt werden, von denjenigen, die darüber entscheiden, was aus dem Klimawandel in welchem Teil der Erde eigentlich wird oder was nicht

– Für die Unternehmen ist der Klimawandel und sind dessen Wirkungen eine Konkurrenz­bedingung. Prospektoren von Öl und Gas u.a. rechnen sich neue Geschäftsgelegenheiten aus. In arktischen Regionen kann man mit Schiffen fahren, wo man das bisher nicht konnte. Andere Geschäfte gehen sicherlich auch darüber kaputt, aber diejenigen, die ökonomisch entscheiden, welche Konsequenzen aus welchen Änderungen der Natur praktisch gezogen werden, tun das nach ihren ökonomischen Rechnungen und nicht, weil es den Klimawandel gibt.

– Erst recht nicht stimmt es für die politischen Subjekte, für die Staaten, die in verschiedenen Teilen der Welt maßgeblich das Sagen haben. Für manche, z.B. die Fidschis, deswegen zitiert Merkel sie auch, ist es nicht nur so, dass sie betroffen sind, sondern, dass sie es selber als Inselstaat mit sehr wenigen Einnahmen und sehr wenig Fläche gar nicht in der Hand haben, irgendetwas gegen diese Wirkung zu tun. Andere, die Anrainer der arktischen Regionen, wie Russland z.B., rechnen sich aus, endlich einen eisfreien Hafen zu bekommen. Manche sehen voraus, dass sie die Deiche erhöhen müssen und kümmern sich darum. Eine irgendwie geartete Gemeinsamkeit, einen gemeinsamen Nenner der Betroffenheit, auf diese Veränderung der natürlichen Bedingung des Wirtschaftens und Politikmachens zu reagieren, kann man hinten und vorne nicht entdecken.

Wenn man von den verschiedenen Akteuren mit ihren Gegensätzen und Streitigkeiten berichtet, als seien sie alle Teil einer einzigen Problemlage, dann wird absichtlich davon abgesehen, wer da durch wen und warum geschädigt wird, wer in diesem Umgang mit der Natur Vor- und Nachteile hat. Alle werden in einer ganz und gar abstrakten Bestimmung angesprochen, die ausdrücklich darauf besteht, dass man nicht daran denken soll, wie man eigentlich und durch wen betroffen gemacht wird, sondern sich als Gegenstand der Betroffenheit eben dieses abstrakte Ding namens Klimawandel denken soll.

Ist das bloß ein theoretischer Quatsch? – Das ist es auf jeden Fall! Aber was soll das eigentlich? Die gerade geäußerten Überlegungen sind allgemein bekannt. Spekulationen, Rechnungen und Schäden, die aus den Veränderungen der Natur kommen, werden aber alle subsumiert unter diesen abstrakten Begriff. Man soll nicht daran denken, w i e Leute geschädigt werden, oder w e r  aus dem Schaden anderer seinen Nutzen zieht, sondern man soll sich gerade auf den abstrakten Standpunkt stellen: ‚Ich bin auch ein Menschlein wie alle und als solcher ist es ganz schlimm, wenn ich auf einem Globus leben muss, wo das Klima in dieser Weise kaputt geht.’

Bezogen auf den großen Teil der Menschheit muss man sagen, dass es ziemlich egal ist ob, die der das mitmacht und sagt, ich fühle mich als Mensch betroffen, wenn die Fidschis untergehen. Aber wenn die deutsche Kanzlerin sich auf die Menschheit bezieht, dann überzeugt das nicht deswegen, weil sie sich auch  d a r a u f  beruft, sondern weil sie die Kanzlerin ist, die sich darauf beruft. Dann sagen alle: ‚Aha, die Chefin der großen Wirtschaftsmacht Deutschland findet offenbar den Klimawandel ganz wichtig, was hat sie uns dann zu sagen? Dieses ‚Was kündet sie jetzt an, was will sie tun? ’ folgt nicht aus dem Titel ‚Menschheit’, auf den sie sich beruft, sondern aus der Tatsache, dass jeder weiß, wenn Deutschland politische und ökonomische Entscheidungen trifft, hat das für weite Teile der Welt, für die eigenen Insassen sowieso, ziemlich wichtige Konsequenzen.

Merkel wirft sich in die Pose der Allgemeinheit, um der Welt zu sagen, dass sie Schluss­folgerungen ziehen will. Diese Schlussfolgerung zieht sie nicht daraus, dass sie die Hüterin eines Menschheitsproblems ist, sondern die Hüterin einer weltwirtschaftlich und politisch sehr wichtigen Nation. Alles, was sie im Interesse dieser Nation tut, sei in Wahrheit etwas, was sie im Interesse für alle tut und so zielt diese Heuchelei darauf, dass das deutsche Interesse auch das der Allgemeinheit ist.

Sachlich genommen ist ihr Auftritt auf der Klimakonferenz ein einziges Dementi der Behauptung, dass wir alle betroffen sind und etwas gegen den Klimawandel tun müssten. Wenn Merkel sagt, wir alle sind betroffen und deswegen habe ich folgende Vorschläge zu machen, beansprucht sie die weltpolitische Führerschaft in der Frage. In Wahrheit ist also ein handfester Gegensatz in der Klimafrage zwischen den Staaten unterwegs und sie will in diesem Gegensatz die maßgebliche Stimme haben. Insofern ist ‚Menschheit’ zwar als Berufungsinstanz verlogen, aber überhaupt keine Leerformel. Es ist die Art und Weise, wie Staatsführer daherreden, wenn sie (1.) der Welt mitteilen wollen, was sie vorhaben und (2.) wenn sie klarstellen wollen, wie wichtig es ist, was sie vorhaben, weil sie (3.) der Welt ansagen wollen, was jetzt aus dem Klimaproblem zu folgen hat.

Zu etwas anderem, als der Untermauerung eines solchen Anspruchs, taugt diese Abstraktion ‚Menschheit’ auch nicht. Interessen, Zwecke, Nöte kann man beurteilen, kritisieren oder befürworten. Die Menschheit als dieses abstrakte Subjekt hat der Sache nach überhaupt kein gemeinsames Interesse und deswegen steckt man als Politiker immer in das Interesse der Menschheit das hinein, was man selber will. Nur dazu taugt dieser Titel.

 

(2) Kritik an der Politik (von Merkel u.a.)

Wenn man kritisieren will, was mit den Lebensbedingungen von Leuten passiert, etwas anders haben will, als es ist, dann ist es nicht zweckmäßig, sich darauf zu berufen, dass die Politik in dieser Frage doch in der Verantwortung stünde. – Anlässlich der Klimakonferenz in Bonn gab es Demonstrationen und Aktionen von kritischen Institutionen. Z.B. ein Flugblatt von Greenpeace. Die sehen die Sache folgendermaßen:

Die globale Erwärmung erfordert Handeln im Turbogang doch die Klimaverhandlungen sind im Schneckentempo unterwegs, gebremst von Großkonzernen und kapitalistischer Profitlogik. Deutschland ist da kaum besser als die USA. So viel die Bundeskanzlerin auf internationalem Parkett von Klimaschutz redet, zu Hause lässt sie die Kohlekraftwerke weiterlaufen. Während selbst weichgespülte Klimaziele den Lobbyinteresssn geopfert werden, wird die historisch ungleich größere Verantwortung des globalen Nordens für den Klimawandel einfach geleugnet.

Es ist ungut, seine Kritik auf dem Abstraktionsniveau einzuleiten, dass die globale Erwärmung Handeln im Turbogang erfordere. Das würde Merkel gar nicht bestreiten. Sie würde den Satz genauso übersetzen, wie sie ihn selber sieht, nämlich genau das Handeln, was sie selbst vorhat.

Jetzt kommt der Vorwurf: Die Politik macht das nicht schnell, sondern langsam, weil sie von Großkonzernen und kapitalistischer Profitlogik gebremst wird. Das ist schon ein eigenartiges Argument. Immerhin redet Greenpeace darüber, dass der Grund dafür, warum die Luft verdreckt und die Wirkung Klimawandel eintritt, etwas mit den Rechnungen derjenigen zu tun hat, die in unserer Gesellschaft maßgeblich die wirtschaftlichen Ziele bestimmen. Wenn Greenpeace von Großkonzernen und kapitalistischer Profitlogik redet, dann scheint bekannt zu sein, dass die Verwendung der Atmosphäre als Müllkippe hervorragend zu den Berechnungen von Unternehmen gehört, die nach Kosten und Ertrag ihr Geschäft machen.

Die Idee, die Unternehmer würden Merkel bremsen, ist widersprüchlich.

Wie steht denn die politische Gewalt zu dieser kapitalistischen Rechnung? Wenn sie eigentlich dieser Rechnung widersprechen wollte, sich aber dann doch davon abhalten lässt, etwas gegen sie zu tun, lässt das eine erklärungsmäßige Leerstelle offen: Warum eigentlich? Man kommt nicht zu mehr als einer negativen Bestimmung des staatlichen Handelns, dass er das nicht tut, was man von ihm will. Aber einen Grund dafür, was er tut, hat man schlechterdings nicht gesagt. Deswegen machen wir zu dieser Leerstelle ein Angebot, wie man sich das positiv zu erklären hat, warum Staaten so verfahren, wie sie verfahren.

Immer nur zu sagen, die Unternehmen mit ihrer Profitlogik machen unsere Umwelt kaputt, und der Staat tut nichts … So ein mächtiger und durchgesetzter Gewaltapparat kann gar nicht richtig damit gekennzeichnet sein, dass seine Aktivität nur aus Unterlassung besteht. Das ist sehr unglaubwürdig.

… Während weichgespülte Klimaziele den Lobbyinteressen geopfert werden, wird die Verantwortung des globalen Nordens für den Klimawandel einfach geleugnet…  ist falsch: Die leugnen die Verantwortung nicht, die stellen sich hin und sagen: ‚Wir sind die größten Luftverschmutzer und deswegen müssen wir uns auch darum kümmern, dass die Luftverschmutzung eingedämmt wird.’  Wie geht das eigentlich, dass ausgerechnet diejenigen, die überhaupt die ganze Welt nach diesem Prinzip durchorganisiert haben, für sich beanspruchen, die besten Bekämpfer der Wirkung von dem zu sein, was sie sich selber hinorganisiert haben.

Man tut sich selber keinen Gefallen, wenn man der Politik zugutehält, sie würde doch eigentlich einen braven, anständigen, menschenfreundlichen Zweck verfolgen und sich dabei Versäumnisse zu Schulden kommen lassen, weil man der Frage ausweicht, die es zu beantworten gilt: Wenn die Politik schon die Verantwortung hat und wenn sie schon immer die von ihr gewünschte Verantwortlichkeit vermissen lässt, was treibt sie dann eigentlich an?

 

[(3) Das Interesse der Politik an Klimapolitik]

Merkel schließt an die Schicksalsfrage folgendes an:

Daher stehen wir zum Pariser Klimaabkommen. Daher – das ist jetzt die Aufgabe nach dem großen Erfolg, dass dieses Abkommen überhaupt zustande gekommen ist – müssen wir es jetzt gemeinsam umsetzen. Hierfür brauchen wir ein geeignetes Regelwerk. Genau daran wird ja auf dieser Konferenz gearbeitet. Es geht um Vertrauen und es geht um Verlässlichkeit in dem gemeinsamen Bemühen um dringend notwendige Fortschritte im Klimaschutz. Wir in Europa wissen um unsere Verantwortung. Das europäische Ziel, das Ziel der Europäischen Union, die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 40 Prozent bis 2030 zu senken, setzen wir in der Europäischen Union rechtsverbindlich um.“

Das ist schon sehr gewagt. Aus der abstrakten Behauptung, dass wir es mit einer Schicksalsfrage zu tun haben, umstandslos den Übergang zu machen und zu sagen: ‚Macht euch keine Sorgen, Leute, das Thema ‚Klima’ ist in guten Händen, nämlich bei uns, im Veranstalten von Klimaabkommen. Wir haben die Sache im Griff und wie wir sie im Griff haben, zeigen wir jetzt, indem wir die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens umsetzen.’

(Ob die Fidschi-Regierung das als Antwort auf ihre Probleme bestellt hat? Das scheint mir jedenfalls mit deren Problemen nicht so viel zu tun zu haben.)

Die Behauptung im Ausgangspunkt ist: Wir haben alle ein gemeinsames Problem, eine Schicksalsfrage führt uns zusammen, die wir gemeinsam lösen müssen.

Kaum gibt es eine Lösung – die heißt nicht zufällig „Abkommen“, „rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen Mächten“ – steht das Problem im Raum, wie wir aus unserer gemeinsamen Verantwortung Klimaziele ableiten.

Wenn es sich bei der Klimarettung wirklich um eine alle gleichermaßen betroffen machende Angelegenheit handeln würde, dann wären wohl nicht endlose Beratungen nötig, bei denen man sich im Ausgangspunkt noch nicht einmal einig war, wie man den Schaden überhaupt definieren soll, den man gemeinsam betreut. Es war einfach vom Faktum her nicht der Fall, dass sich die Staatsführer getroffen und gesagt haben, es ist doch klar, worum es geht –Klimarettung – und es ist auch völlig klar, wo der Schaden liegt, machen wir uns gemeinsam daran, den Schaden aus der Welt zu schaffen. Es gab ein endloses Gezerre, bis man sich auf einen gemeinsamen Nenner aller Schäden geeinigt hat, die jeder Staat für sich herausgefunden hat. Diese gemeinsame Definition des Schadens – CO2 – ist eine, die sie gemeinsam angehen wollen und können. Alle anderen Schäden und alle anderen Wirkungen lassen sie ausdrücklich außen vor.

Wenn man die Sache daran misst, es sei auf der Pariser Klimakonferenz um die Rettung des Klimas gegangen, ist das Ergebnis für sich ein Scherz: Bei Vertragsabschluss war klar, dass die weit reichenden Klimaziele, die beschlossen wurden, unrealistisch sind. Trotzdem war die Konferenz ein großer Erfolg, der in der sehr matten Tatsache bestand, dass man sich gemeinsam auf einen Stoff geeinigt hat, der das Schädliche ist und einen Wert geeinigt hat, um den dieser Stoff vermindert werden soll. – Dann ist es aber nicht mal so, dass man sich dazu durchgerungen hat, zu sagen, wir wissen jetzt, wo der Schaden liegt und wie wir ihn gemeinsam bekämpfen: CO2-Reduktion. Es beginnt ein Streiten, um die Frage, was man sich anrechnen lassen muss, was man gegen andere aufrechnen kann, in welcher Zeit das überhaupt sein muss etc. Lauter Bedingungen der nationalen Umsetzung werden ins Feld geführt, die unmöglich erbracht werden können und die die Volkswirtschaft viel zu sehr schädigen, wenn man sich auf diese Ziffern einlässt.

Was ist jetzt der Inhalt des diplomatischen Streitens:

Seit der Konferenz in Kyoto, als man sich darauf geeinigt hat, gelten diese beiden Gleichungen:

  1. Klimarettung ist CO2-Reduktion,
  2. CO2-Reduktion findet in der nationalen Umsetzung von moderner Energiepolitik statt, weg von fossilen Energieträgern, hin zu erneuerbaren Energien.

 

Folgender 3-Schritt wird diplomatisch, politisch beschlossen, aber nicht als eine naturwissenschaftliche Tatsache.

– Der Ausstoß von CO2 führt zu Veränderungen im Klima und hat lauter schädliche Wirkungen auf alle möglichen Lebensbedingungen. (Zweifelsfrei ist das so.)

– Dann müssen wir uns um die Reduktion von Treibhausgasemissionen kümmern,

– das verlangt von uns allen eine Umstellung der Energiepolitik von fossilen Energieträgern auf andere Energieträger.

Die Logik heißt: Wenn immer mehr brauchbare Flächen in Ländern wie den Fidschis im Meer versinken, wenn die Stürme zunehmen, dann müssen wir uns um die Reduktion von CO2 kümmern und wenn wir uns um die Reduktion von CO2 kümmern, dann ist klar, wie das stattzufinden hat, nämlich mit energiepolitischen Maßnahmen.

Dieses Klimaziel ist eine seltsame Angelegenheit: Man setzt es in die Welt, streitet sich endlos darüber, beschließt es, sagt selbst dazu, dass die Beschlüsse gar nicht realistisch sind und kämpft seit 25 Jahren darum, es in die Realität umzusetzen.

Daneben gibt es staatliche Umgangsweisen mit den Wirkungen des Klimawandels, die überhaupt nichts mit der Frage zu tun haben, ob es ein gemeinsames Interesse gibt, sondern die die Wirkung schädlicher oder nützlicher Art, die jeder einzelne von ihnen hat, gemäß den Mitteln, über die sie verfügen, für sich umsetzen. (Deutschland verfügt über andere als Amerika, wieder andere als die Fidschis etc.) Diese politischen und ökonomischen Maßnahmen, die Staaten aus den Wirkungen des Klimawandels ziehen, waren auf den Klimakonferenzen nicht Thema. Um die ist es überhaupt nicht gegangen. Die laufen so weiter.

Worin besteht die Leistung der Festlegung auf dieser Art der Klimarettung?

Das gehört mit zu dem oben erwähnten Volksvorurteil:  Das Ganze klingt so, als wäre das ein naturwissenschaftlich begründeter Sachzwang.

Die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge sind klar: Die zu besichtigenden Wirkungen rühren vom Klimawandel her, daran gibt es keinen naturwissenschaftlich begründeten Zweifel. Die Zweifel setzten an einer ganz anderen Stelle an.

Wenn man einen naturwissenschaftlich begründeten Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen, Klimawandel und Energiepolitik entdeckt, dann ist die Frage: Wo kommt dieses ganze CO2 eigentlich her? Die Staaten haben sich diese Frage auf eine sehr eigentümliche Art und Weise gestellt. Sie haben gesagt: ‚Die Verursacher von CO2 sind maßgeblich die so genannten großen Industrienationen. Aber gerade, weil das so ist, ist es unbedingt nötig, das Quantum der Reduktion prozentual von dem ausgehen zu lassen, wie viel jedes Land schon in die Atmosphäre ausstößt’. Damit haben sie ein weitreichendes Eingeständnis in der Sache gemacht. Sie haben sich dazu bekannt, dass die Produktion von diesem schädlichen Gas ein immanenter Bestandteil der Art und Weise ist, wie sie den Reichtum produzieren, auf den es ihnen ankommt, und auf das Wirtschaftswachstum, das sie haben wollen.

Also gehen sie selbstverständlich davon aus, dass die Reduktion von CO2 ein Schaden an ihrem Wirtschaftswachstum ist und sagen, der muss aber vertretbar sein. Damit ist man schon ganz weit weg von der Behauptung, Klimawandel sei eine Schicksalsfrage.

(Zur Frage nach dem Grund sagen die Naturwissenschaftler dazu anthropogen, was auch nicht so ganz die Wahrheit ist, weil das nicht so sehr der Anthropos = d e r  Mensch ist, sondern die Leute, die ökonomisch das Sagen haben. Aber das nur nebenbei.)

Es wird also gegen eine Wirkung gekämpft unter ausdrücklicher Beibehaltung des Grundes, weswegen diese Wirkungen überhaupt zustande kommen. Gleichzeitig unter der Voraussetzung, dass die Maßnahmen, die Staaten sonst für oder gegen den Klimawandel machen, davon nicht behelligt werden dürfen. Die Kombination dieser Feststellungen lässt schon den Schluss zu, dass es dann eigentlich um die energiepolitische Umsetzung geht und nicht so sehr um Klimarettung. Dann wird also die Methode, mit der man die CO2-Reduktion macht, nämlich die Veränderung der Energiepolitik, der eigentliche Gegenstand der diplomatischen Verhandlung sein.

Es geht nicht darum, den naturwissenschaftlichen Zusammenhang zu leugnen, sondern zu sagen, wie der eigentlich in der staatlichen Berechnung vorkommt. Es ist ja auch sonst nicht so, dass staatliche Instanzen, wenn sie umweltschützerische oder andere Maßnahmen treffen, einfach naturwissenschaftliche Ergebnisse in die Tat umsetzen. Das weiß jeder, der sich ein bisschen mit der Politik der Grenzwertziehung und der Frage, was dem Organismus so zuzumuten ist, beschäftigt hat. – Es gibt naturwissenschaftliche Ergebnisse, aber was der Staat daraus macht, verdankt sich Abwägungen, die mit Naturwissenschaft nicht das Geringste zu tun haben.

„Mit dem Klimaschutzplan 2050 hat Deutschland seine mittel- und langfristige Strategie festgelegt… Der nächste Schritt ist, diese Strategie mit konkreten Maßnahmen auszufüllen. Ich will hier ganz offen sprechen: Das ist auch in Deutschland nicht einfach… Es geht auf der einen Seite um die Erfüllung dessen, was wir uns vorgenommen haben. Es geht es auf der anderen Seite aber auch um soziale Fragen und Arbeitsplätze zum Beispiel im Zusammenhang mit der Frage der Reduktion der Kohle. Dabei geht es auch um Wirtschaftlichkeit; das heißt, um die Bezahlbarkeit von Energie. Auch in einem reichen Land, wie wir es sind, sind natürlich erhebliche Konflikte in der Gesellschaft vorhanden, die wir vernünftig und verlässlich lösen müssen.“

Merkel unterstellt als selbstverständlich, dass CO2-Reduktion die Art und Weise ist, wie eine Umstellung in der nationalen Energieproduktion stattfinden soll.

In welchem Verhältnis tritt Energiepolitik zu Klimarettung?

Angefangen hat Merkel mit „Schicksalsfrage“, dann spricht sie aber ganz offen aus, dass es da eine Alternative gibt, die es einem verantwortungsvollen deutschen Politiker gar nicht erlaubt, einfach diese Schicksalsfrage so in die Tat umzusetzen, wie sie es gerne tun würde, weil die Unternehmen, die bislang mit den alten Energieformen Geschäfte machen, dadurch geschädigt werden. (Das ist die Wahrheit von dem Satz ‚es geht um Arbeitsplätze’.) Sie spricht an, dass die Benutzung der Atmosphäre als Müllkippe ein notwendiger Bestandteil der Geschäftsrechnung der Unternehmen ist, die diese Energieproduktion betreiben und dass diese Geschäftsrechnung für den Kapitalstandort Deutschland so wichtig ist, dass man sie nicht einfach dem Klimaziel opfern kann.

Damit spricht sie aus: Klimarettung hat ein Maß. Das Maß heißt aber nicht, welche Schäden produziert sie, sondern wie wird sie zur Behinderung oder zum Mittel für Wirtschaftlichkeit. Damit kommt sie auf den eigentlichen Zweck zu sprechen: Die Wirtschaftlichkeit, die Energieproduktion leisten soll. 

Deswegen dazu noch ein paar Sätze:

‚Energieproduktion muss wirtschaftlich sein’ hat drei Seiten

  1. Was die Politik Versorgungssicherheit nennt: Auf Energie muss immer in dem Umfang und zu dem Preis zugegriffen werden können, wie es die nationale Wirtschaft verlangt
  2. ist sie selber eine wichtige Geschäftssphäre
  3. ist sie ein Kostenfaktor für Unternehmen, der maßgeblich mit über ihre Konkurrenz­fähigkeit entscheidet.

Das sind auch die drei Gesichtspunkte, unter denen die Nationen tatsächlich entschieden haben, ihre Energieproduktionen umzustellen. (Dazu mehr im 2. Teil des Vortrags).

(Das machen sie sowieso und dafür soll die CO2-Reduktion auch nützlich sein.)

Das gibt Merkel zu: Klimarettung folgt nicht, selbst wenn man sie als CO2-Reduktion definiert, aus den Schäden, die sie anderswo anrichtet, sondern sie folgt in dem Maß und in dem Umfang, wie sie dazu passt, dass die dafür nötige Energieumstellung ein Mittel für die nationale Wirtschaft ist. Wenn das nicht zusammenpasst, geht sie nicht.

Das ist ein Dementi des gemeinsamen Interesses, das alle vertreten und das alle verfolgen.

Nebenbei: Die Alternative, die Merkel aufmacht, ist für die wirklich Betroffenen sehr eigentümlich: Wenn man einen Arbeitsplatz bei einem rentablen Unternehmen haben will, muss man das auch aushalten können, dass dieses Unternehmen viel Dreck in die Luft ausstößt, sonst arbeitet es unrentabel und dann sind die Arbeitsplätze weg. Wenn man also zu sehr auf dem Standpunkt der CO2-Reduktion beharrt, schützt man die Leute in ihrer Eigenschaft als welche die atmen, aber beschädigt sie gleichzeitig in ihrer Eigenschaft als welche, die Geld brauchen.

Das ist eine interessante Alternative, mit der man von dieser Wirtschaftsweise konfrontiert wird: Die Alternative, vor der verantwortungsvolle Politiker stehen: Entweder sie schädigen ihre Leute dadurch, dass sie ihnen zwar die Luft sauber halten, aber dafür die Unternehmen unrentabel machen, oder sie schädigen sie darüber, dass sie die Unternehmen rentabel machen, dann müssen sie aber leider die dreckige Luft atmen. Das soll jetzt kein vernichtendes Urteil über den Zweck und Inhalt dieser Sorte Produktion sein, sondern ein Argument dafür, dass es zwischen diesen beiden Seiten des Klimawandels ganz unbedingt gut abzuwägen gilt.

Die eigentümliche Art und Weise, wie die deutsche Kanzlerin über den Zweck der Sache spricht: Die Erfolgsmaßstäbe der Wirtschaft, die sie kommandiert, und von der auch der Staat mit seinem Kredit und seinen Steuern lebt, die vertragen es ganz schlecht, wenn man ihnen politische Auflagen macht, die Rücksicht auf Mensch und Natur einfordert.  Denn zu der Rechnung, die die Wirtschaft anstellt, gehört die Benutzung dieser Produktionsfaktoren notwendigerweise dazu. Da ist die Umweltverschmutzung gar nicht etwas Schlechtes, sondern im Gegenteil ein nützliches Mittel der Verbesserung des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag. Was man aus dieser Mitteilung schließen kann, ist, s.o., dass die Politiker es schwer haben, in diesen Fragen richtig zu entscheiden, dass es ihnen aber obliegt zu entscheiden, was von beiden in welchem Umfang sein soll.

Daraus kann man den Schluss ziehen, dass es nicht stimmt, wie Merkel die Sache darstellt, sozusagen von hintenherum: Eigentlich ginge es um Klimarettung, die ist aber wegen der Arbeitsplätze schwierig, deswegen geht sie nur bedingt. Umgekehrt: Es geht um das Gelingen des nationalen Wachstums. Das muss ineins gebracht werden mit der Umstellung der Energieproduktion. (Warum sie sein muss, dazu gleich.) Sie muss verträglich damit sein, dass die Unternehmen, die mit Energie rentabel arbeiten lassen, daraus keine Schäden erleiden, sondern Vorteile genießen.

Das ist das Projekt. Wie CO2-Reduktion für dieses Projekt nützlich ist, dazu mehr im 2. Teil des Vortrags.

54:30 Schluss des 1.Teils

 

Einwände/Gegendarstellungen/Diskussion

Einwand:

Es gibt einen Widerspruch zwischen Kapitalismus und Umweltzerstörung und es ist doch logisch, dass Merkel in einem Dilemma ist. Also dieses Klimaabkommen von Paris ist doch erstmal etwas Gutes. Natürlich haben die Schwierigkeiten, damit umzugehen. In den letzten 2 Jahren ist die Bundesrepublik sogar zurückgefallen mit diesen Ausstößen. Das ist natürlich ein Dilemma. Die einzige Form den Kapitalismus zu ändern. Wir haben keine Arbeiterklasse. Schließlich hat sich in dem Bereich einiges getan und der Strom aus erneuerbarer Energie ist inzwischen bei 37 %. Es gibt auch verschiedene Bewegungen sowohl in den USA als auch in Kanada und Deutschland. Das ist doch jetzt die einzige politische progressive Bewegung, die es gibt.

Du musst dich schon entscheiden. Wenn du sagst, der Kapitalismus ist mit Umwelt­ver­schonung unverträglich und das ernst nimmst, verstehe ich nicht, wie du gleichzeitig sagst, die Politik hätte mit ihren eigenen Beschlüssen ein Dilemma.

Wenn die Sachwalter dieser Produktionsweise sich zusammensetzen und sich überlegen, wie stellen wir die Energieproduktion um, dann betreiben sie doch Kapitalismus.

Natürlich sind sie abhängig vom Kapital, aber ein Minimum an gutem Willen rechne ich denen zu. Natürlich werden auch Schweinereien begangen von diesen Politikern, weil sie abhängig sind vom Kapital. Das ist ein Widerspruch, in dem sie leben.

Du hältst da den Politikern ein bisschen viel zugute. Das mag ein Widerspruch sein, aber dass die Vorkehrungen zur relativen Beschränkung von CO2 sich nicht einem antikapitalistischen Zweck verdanken, sondern genau diesem Ziel dienen, die gemäß dem Wirtschaftswachstum stattfindende Ruinierung von Natur und Arbeit als Quellen des Reichtums vereinbar zu machen mit dem Wirtschaftswachstum. Das ist der Maßstab, von dem das in die Wege geleitet wird.

Natürlich ist das ein Dilemma und im Zweifel sind sie gegen erneuerbare Energie, auf der Seite der Industrie und des Kapitals. Einige versuchen doch noch was zu ändern, es kommt von unten, von der entsprechenden Bewegung. Wie soll sich denn sonst etwas ändern?

Du schwankst wie ein Rohr im Wind mit deinem Argument. Auf der einen Seite sagst du, die sind abhängig vom Kapital, auf der anderen Seite haben sie einen guten Willen. Dann sagst du, sie sind gar nicht für erneuerbare Energien – das war überhaupt nicht unsere Auskunft, dass sie nicht für erneuerbare Energien wären. Darauf kommst du offenbar, weil du es toll findest, wenn erneuerbare Energien stattfinden. Deswegen willst du gar nicht mehr wissen, warum und unter welchen Bedingungen sind sie für die. Es war nicht die Auskunft des Vortrags, zu sagen, das ist ein schöner Titel, unter dem etwas ganz anderes stattfindet, sondern unter welchen Bedingungen findet das (= die Energieumstellung) statt. Das interessiert dich offenbar gar nicht.

Es war auch nicht das Neue, dass wir Kapitalismus haben, sondern ich habe gegen dieses Hin und Her geredet: Auf der einen Seite hält man der Politik zugute, mit dem Wort Dilemma, dass sie doch eigentlich einen menschenfreundlichen Zweck habe, aber dauernd von ihm abweiche, weil sie vom Kapital abhänge. Das halte ich für ein falsches Urteil über den Kapitalismus. Es ging darum, dass die Urteile, die über den Kapitalismus unterwegs sind, nicht zutreffen.

Und die Subsumtion von Opposition gegen Umweltschäden unter: ‚Die gibt es dann wenigstens noch’, tut diesen Leuten ein wenig Unrecht, weil die sich nicht als Ersatz für eine nicht vorhandene Arbeiterklasse sehen. Die haben eine völlig andere Zielsetzung.

1:04:30

Es stimmt nicht, dass in dem Pariser Klimaabkommen Probleme der sozialen Umverteilung nicht erwähnt werden. Da steht in der Präambel ‚Kampf gegen Armut’ etc.  Im Grunde sind sie genauso betrügerisch wie sie auch im Klimaschutzabkommen formuliert sind. Aber worum es mir geht: Was bedeutet eigentlich der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen? Hier sehe ich zwei Chancen. China deren führende Klimaforscher sagen, das ist für uns eine sehr große Möglichkeit, die Führung in den Klimaverhandlungen zu übernehmen. Wir sind dazu bereit, brauchen Unterstützung und haben auch bestimmte Erfolge vorzuweisen sowohl in der Reduzierung der extremen Armut als auch in einer Klimaschutztechnologie. China hat in den letzten 5 Jahren mehr Patente zur Klimaschutz­technologie angemeldet als Amerika.

Aber wir müssen auch die Klimaerwärmung als Chance sehen, als Feedback. […] Dass wir schauen, was wir als Zivilgesellschaft, was wir als Unternehmer auch dazu beitragen können. Diese Divergenz der Lösungsansätze zwischen dem extremistischen Potenzial Chinas und dem extrem liberalen Potenzial Amerikas, diese zwei Lösungsansätze, die wir im Moment sehen können, wo steht da Deutschland?

1:06:40

Ich weiß nicht an welches Wir du denkst. Gegenstand des 2. Teils des Vortrags wird sein, wie Energiepolitik ein Konkurrenzmittel der Staaten gegeneinander ist und wie unter diesen die Konkurrenzinteressen betätigt werden – von Amerika, von China, von Europa. Wie kommen da überhaupt die Leute vor, auf die sich immer berufen wird, als diejenigen, die doch eigentlich betroffen seien?

Die Betrachtungsweise dessen, dass man sich gleich geistig auf den Standpunkt der eigenen nationalen Führung stellt, und sagt, wir müssen jetzt einen Weg für unsere Energiepolitik gegen China oder mit China, oder gegen Amerikaner oder mit Amerika führen, ist ein anderer Gegenstand, als sich zu fragen, wie kommt man denn in dieser Konkurrenz selber tatsächlich vor. Den Standpunkt habe ich versucht daran, was den Leuten als Alternative serviert wird, zu zeigen. Mir ging es nicht darum, wie ich mich geistig dem deutschen oder europäischen Standpunkt in der Weltkonkurrenz um die Durchsetzung neuer Energieformen anschließe. Warum sollte ich das tun?

Obwohl Vorgriff auf ein Argument im 2. Teil kann ich an diesen sogenannten erneuerbaren Energien mein Argument illustrieren: Es ist schon eigenartig, dass die Gleichsetzung von weniger Schädlichkeit mit neuen Energieformen so kontrafaktisch einfach unter „das verbessert dann Lebensbedingungen für uns alle“ durchgeht. Dass die gleichen Unter­nehmen, die jetzt mit den neuen Energieformen Geschäfte machen, andere Rechnungen in der Frage der Schädigung von Natur und Arbeit anstellen würden, als mit den alten, ist eine sachlich unzutreffende Annahme. Beispiele: Kaum ist Biogas modern, können die Mexikaner ihre Tortillas nicht mehr bezahlen. In Staaten wie Malaysia werden für Plantagen Riesen­flächen an Regenwald abgeholzt, von den Wirkungen von Windrädern usw. ganz zu schweigen und was man alles für Mineralien braucht, in welchen Ländern der Dritten Welt deren Abbau betrieben wird usw.

 

[Anm d. Protok.-Verf.: Siehe hierzu Spiegel online vom 27.4.2018]

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/energiewende-woher-kommen-die-rohstoffe-fuer-windraeder-und-solaranlagen-a-1204955.html

 

Ich habe Fakten referiert. Es ist also eine kontrafaktische Behauptung zu sagen, wir haben umweltschädliche Energieformen, nämlich fossil, und menschenfreundliche, umweltnützliche Energieformen, das sind die erneuerbaren. Diese Behauptung hält einer sachlichen Prüfung nicht stand.

Vorhin hast du immer so viel Wert darauf gelegt, Kapitalismus das weiß doch jeder…. Jetzt möchte ich dich darauf hinweisen, dass unter denen, die etwas gegen Kapitalismus einzuwenden haben, auch jeder die Rücksichtslosigkeit dieser Produktionsweise gegen Mensch und Natur kennt, bei der der arbeitende Mensch als Kostenfaktor und die Natur als kostenloser Produktionsfaktor behandelt werden. Und diese Rücksichtslosigkeit wurde jetzt nochmal erläutert. Dass diese Rücksichtslosigkeit sich austobt, egal, ob es um fossile oder um alternative Energieträger geht. Dafür stand das Beispiel, wenn ganz Malaysia dafür hergerichtet wird, Palmöl zu gewinnen, und der Regenwald dafür abgeholzt wird, dass Biosprit erzeugt wird, oder andere Hinweise auf die Windenergie usw. Dass dort dasselbe Prinzip waltet, ist dir offenbar nicht bekannt oder davon willst du nichts wissen, weil du das [= die Alternative Energie] so viel besser findest.

Palmöl ist keine alternative Energie. Es stimmt, dass die Menschen im Kapitalismus ausgebeutet werden und die Natur als angeblicher Faktor, der nichts kostet, dargestellt wird. Aber er kostet wie man sieht, nämlich, dass die Umwelt, Natur, langfristig zerstört wird oder der Mensch in der Welt, in der Natur leben muss. Also ist die Alternative Energie ein Ausweg daraus, aus diesem Teufelskreis. Es gibt nur diese eine Möglichkeit und es gibt nicht die Möglichkeit, selbst wenn wir den Sozialismus kriegen würden, würde sich nichts ändern und nichts besser. Ein Fehler von Marx, dass er die Ökologie zu sehr an den Rand geschoben hat. Eine neue Gesellschaft ist ohne Ökologie nicht möglich. Wir kriegen nur eine neue Gesellschaft, wenn wir Ökologie betreiben und aufbauen und nicht nur gegen den Kapitalismus sind.

Wir sind in der Problemanalyse so weit einig. Ich würde gerne über die Lösungsansätze reden.

Ich teile die Meinung nicht, dass wir uns in der Analyse einig wären. Es ist ein Unterschied, ob man darüber redet, aus welchen Gründen moderne kapitalistische Nationen beschließen, dass sie die Abhängigkeit von Öl und Gas nicht mehr vertragen, dann die Konsequenzen daraus ziehen, und was das eigentlich für die Leute hier oder woanders heißt. Das ist eine andere Frage als, wie kommt die deutsche Energiepolitik in der internationalen Konkurrenz um die Umstellung der globalen Energiewirtschaft vor. Und es ist ein Irrtum zu behaupten, diese beiden Fragen wären die gleichen.

Der Schutz der Umwelt ist überhaupt nur deswegen als eigenständiger Zweck nötig, weil von vornherein beim Produzieren und Konsumieren der Gesichtspunkt nicht zählt, dass die Natur ein Mittel der Herstellung nützlicher Gegenstände ist. Deswegen gibt es im Kapitalismus in der Tat eine Zusatzsorge. Diese Zusatzsorge nimmt nicht Maß an den tatsächlichen Schädigungen der Leute. Dass sie das nicht tut, kann man daran sehen, dass die gleichen Konzerne, die sich in Mitteleuropa den hier geltenden Umweltauflagen unterwerfen, in Ländern wie China oder Peru ganz anders zu Werke gehen. Da zählt offenbar die Frage, die ich aufgeworfen habe, nichts. Um die ging es mir. Ich habe etwas dagegen, diese Frage der ganz anderen Frage zu subsumieren, wie schafft es ein moderner Kapitalstandort seine Energiepolitik von fossiler Energie wegzukriegen, ohne dabei die Rechnung von Unternehmen zu schädigen.

Ich stimme der Analyse eigentlich zu, dass die Energiepolitik wie alles andere Kapitalistische auch in der Konkurrenz stattfindet und dass nicht die Motivation ist, die Verhältnisse für Natur und Mensch zu verbessern. Man muss sich nur angucken, wann die erneuerbare Energiepolitik eingeführt wurde, Ich denke an die Ölpreise in den 70ern oder in 2000ern. Die wurden so eingeführt, dass man sie gefördert hat. Aber darum (könnte) man das befürworten, dass am Ende die Einflüsse auf Mensch und Natur allein durch technische Bestandteile sozusagen geringer sind, als bei der Produktion mit fossilen Energiemitteln.

Das ist eine etwas erbärmliche Logik. Da kannst du genauso gut sagen, es ist eigentlich prima, wenn es eine Weltwirtschaftskrise gibt. Da werden nicht so viele Schadstoffe in die Welt gepumpt. Wenn du dich einfach auf den Standpunkt stellst, immerhin kommt eine schädliche Wirkung nicht zustande, ist das geistig sehr bescheiden. Du weißt, mit welchen unge­mütlichen Zwecken etwas veranstaltet wird, und dann sagst du, aber immerhin kommt dabei heraus, dass mir die eine oder andere Sache erspart wird. (Wenn China sein Wachstum fortan so bestellt, dass es zwar immer noch jede Woche mindestens ein Kohlekraftwerk baut, aber gleichzeitig auch ein paar Solarkraftwerke.)

 

1:20:58

 

2. Teil des Vortrages

Ich greife deinen Punkt auf, den ich einen guten Hinweis fand. Da wurde darauf hingewiesen,  in welchen Phasen von Energiepreisen die Energiewende ihren Auftrieb bekommen hat. Die eine Sache war der Ölpreisschock in den 1970er Jahren, das andere war die Entwicklung 2006 – 2010, als der Ölpreis weit über 100 $ lag.

Der bisherige Stand der Argumentation ging dahin, den Nebel wegzuräumen in der Frage der Umstellung der Energie. Es wurde eine Bedingungslogik in der Rede von Merkel vorgestellt, die mit der großen Katastrophe Klimawandel losgeht, übersetzt wird in einen Kampf gegen den Klimawandel und dann übersetzt wird in „CO2 muss reduziert werden und das soll rentabel sein“.

Einerseits ist es eine Staatsaufgabe, Energie bereitzustellen, und gleichzeitig überträgt der Staat diese Aufgabe wiederum Kapitalen. Von den Handy- und Internetgiganten abgesehen sind in den kapitalistischen Staaten die Energiekonzerne die größten Kapitale. Also ist gleichzeitig das, was Voraussetzung für die kapitalistische Produktion am Standort ist, selber eins der größten Kapitale am Standort. Die Kriterien widersprechen sich.

In Deutschland wurde früher Energie hauptsächlich aus Kohle gewonnen. Irgendwann stellte sich die Kohleförderung als ziemlich teuer heraus und wurde abgelöst durch Import von billigem Öl und Gas. Kohle wurde aus dem Feld geschlagen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit. Gleichzeitig stellt sich mit der Frage des Imports von Energie für einen verantwortlichen Staat die Frage der Abhängigkeit von anderen Nationen. Beim Öl ist es am allerbesten von den Amerikanern bekannt: Wenn jahrzehntelang das Öl im Wesentlichen aus dem arabischen Raum importiert wurde, dann haben die Amerikaner als Hüter des Weltenergiemarktes sich sofort auf den Standpunkt gestellt, dass sie die arabischen Staaten beherrschen können und eine Kontrolle über sie haben wollen. Man merkt an dieser Frage der Sicherheit, wie viel imperialistische Machtentfaltung dabei sofort mit im Spiel ist, um die Sicherheit dieser Energiequelle zu garantieren. Wenn man nicht an die USA denken will, kann man auch einfacher an Deutschland denken, wo sofort mit der Frage des Imports von Gas aus Russland immer die Frage verbunden ist, machen wir uns da zu abhängig von Russland.

Wenn man sich diese Kriterien vor Augen führt, wie viel Gewalt unter Nationen, wie viel Imperialismus da drinsteckt, dann muss man sich mal klarmachen, was eigentlich der Reiz der Energiewende ist. Die Energiewende ist extrem befördert worden durch eine Zeit sehr hoher Ölpreise, in denen die Nation immer mehr Geld ans Ausland zahlen muss. Es streiten sich Wachstumsmächte wie China und Indien usw. um diesen Rohstoff.

Der Standpunkt der Energiewende heißt, Produktion von Energie ist jetzt bloß noch eine Frage von Technologie und Kapital. Beides besitzt so ein Land wie Deutschland. Das ist kapitalistisch-imperialistisch gesprochen wie ein Sechser im Lotto. Man zahlt perspektivisch gesehen nicht mehr einen großen Teil guten Geldes an fremde Nationen und fremde Kapitale und macht die reich, sondern man produziert mit eigenen Mitteln Energie auf eigenem Boden.

Man ist die Frage der Abhängigkeit 1. los und kann sie 2. sogar umdrehen. Man zahlt nicht mehr gutes Geld ans Ausland, sondern hat umgekehrt die Chance am Ausland zu verdienen, weil man selber mit der technologischen Umwandlung von Energie die Möglichkeit hat, und gleichzeitig dazu Abhängigkeiten des Auslands von einem selber zu stiften. Das ist eigentlich die wirkliche kapitalistisch-imperialistische Wucht dieser Energiefrage und der Energiewende.

Warum ist es so wichtig, dass sich die maßgeblichen Konkurrenten auf dem Weltmarkt auf dasselbe Programm verpflichten?

  1. Negativ: Eine Energiewende kostet. So perspektivisch lohnend die Umstellung auf Energie durch Technologie ist, so ist es zunächst mal so – siehe das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die entsprechenden Anteile am steigenden Strompreis –, dass das zuerst eine Belastung des Standorts, seiner Konkurrenzfähigkeit und damit aller weiteren kapitalistischen Produktion auf dem Standort ist. Es besteht die Gefahr, dass man auf der Weltmarktkonkurrenz ins Hintertreffen gerät. Insofern ist es von größtem Interesse, dass die Konkurrenten sich auf dasselbe Programm verpflichten.
  2. Positiv geht es darum, dass die anderen Nationen sich ebenfalls auf dieses Programm der Umstellung der Energieproduktion auf Technologie verpflichten, damit Konkurrenz­bedingungen gewährleistet sind, unter denen sich Deutschland erhofft, mit seiner besonderen Energiewende und seinen Potenzen zu gewinnen.

„Wir haben während der deutschen G7-Präsidentschaft 2015 den gemeinsamen Willen bekräftigt, als Industriestaaten insgesamt den Weg der Dekarbonisierung zu gehen. Ich bin davon überzeugt, dass die Industriestaaten einen sehr speziellen und großen Beitrag leisten müssen, weil sie die Fähigkeit zu den notwendigen technologischen Entwicklungen haben, die Maßstäbe setzen können, aber natürlich auch, weil sie eine historische Verantwortung haben und zum CO2 -Anstieg weltweit wesentlich beigetragen haben … In diesem Jahr haben wir in unserer G20-Präsidentschaft den G20-Aktionsplan zu Klima und Energie für ein nachhaltigeres Wirtschaftswachstum beschlossen. Auch die OECD hat deutlich gemacht, worum es geht: Nur wenn wir die umfangreichen Investitionen auch klimafreundlich ausrichten, können wir unseren Wohlstand in Zukunft sichern. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass Klimapolitik auch zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik ist. Denn die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen ist ja die Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt erfolgreich wirtschaften können.“

Nur die Industriestaaten haben die Fähigkeit, den kostspieligen Import fossiler Energieträger durch die technologische Umwandlung von Energie zu ersetzen. Aufgrund dieser Fähigkeit haben sie die Macht, der ganzen Staatenwelt neue Maßstäbe der Energieproduktion zu setzen.

Verlogen: Die Verwandlung von Merkels Interesse, die wesentlichen Konkurrenten auf die Energiewende zu verpflichten, in eine gemeinsame Verantwortung der Konkurrenten.

Beachtlich die Frechheit: Dieser Anspruch auf Definition der Energiewende wird ausgerechnet mit der Selbstbezichtigung begründet, bislang den Globus mit seinen Schadstoffen versaut zu haben.

Einerseits eine moralische Selbstbezichtigung: Wir haben die Umwelt versaut. Aber Schämen ist nicht angesagt, sondern, im Gegenteil: Das begründet die Macht und die Verantwortung in Zukunft ebenfalls zu definieren, wie Energieproduktion zu gehen hat.

Merkel ist stolz darauf, die wesentlichen Konkurrenten endlich zu der gemeinsamen Willenserklärung gebracht zu haben, mit der Selbstverpflichtung auf die CO2-Reduktion eine Konkurrenzbedingung für die künftige Energieproduktion festzulegen: Die wirkliche Bedeutung des Themas Klima.

Der Titel dieser allgemeinen Betroffenheit durch den Klimawandel ist passend für das Programm, Konkurrenten für sich einzuspannen. Das geht nicht gut, wenn man im eigenen Interesse daherkommt, sondern nur mit einer allgemeinen Betroffenheit, der sich doch eigentlich niemand anders entziehen dürfte.

Die Bedeutung des Themas Klima: Die Konkurrenten gewinnen einen Einmischungstitel in die Energieproduktion beim jeweils anderen. Das geht unter ähnlich gearteten Konkurrenten nur um den Preis, dass das auch umgekehrt gilt. Wie heikel eine erfolgreiche kapitalistische Nation jede Festlegung in Sachen Energiesouveränität findet, also wie wichtig diese Energiefrage für jede kapitalistische Nation ist, sieht man daran, dass mehr als eine Selbstverpflichtung auf Reduktionsziele nicht infrage kommt. Jede Nation behält sich vor, mit welchem Energiemix sie diese Selbstverpflichtung zu erreichen verspricht. Da beharrt Deutschland zum Beispiel auf seiner extrem schmutzigen aber auch extrem billigen Braunkohle. Frankreich beharrt auf seinen strahlenden, aber CO2-freien AKWs. –

Nebenbei: Auf dieser Klimakonferenz in Bonn, gab es Staatenbündnisse, die haben sich mit einem freiwilligen Verzicht auf Kohlekraftwerke hervorgetan, und unter diesen Staaten waren einige, die haben gar keine Kohlekraftwerke. Darüber waren Deutschland mit seiner Braunkohle und Polen mit seiner heimischen Steinkohle überhaupt nicht amüsiert.

Diese viel bejubelte Einigung auf ein Klimaabkommen 2015 in Paris spricht eigentlich auch nochmal Bände über die wirkliche Bedeutung des Themas Klima. Vom Standpunkt der Erderwärmung und der Folgen ist so gut wie nichts gewonnen. Das wissen alle Klima­schützer viel besser als ich. Aber vom deutschen Standpunkt aus, mit der allgemeinen Anerkennung des Klimaschutzes eine Konkurrenzbedingung für Energieproduktion festzulegen, ist sehr viel erreicht. Die Pointe besteht darin, dass die wesentlichen Konkurrenten USA und China diese Selbstverpflichtung in Paris eingegangen sind, die sie 2010 in Kopenhagen noch verweigert haben. Das liegt nicht an der Einsicht der Staaten­lenker in die dramatischen Folgen des Klimawandels, sonders daran, dass sie mittlerweile diese neue Form der Energieproduktion für lukrativ halten und daher selbst ein Interesse – wie Deutschland – an der Festlegung der Bedingungen ihrer Konkurrenz auf diesem Feld entwickeln.

Ein kleiner Beweis dazu nochmal: Nachdem Trump aus dem Abkommen ausgestiegen ist, war die erste Reaktion am nächsten Tag von deutschen Politikern: ‚Da müssten wir eigentlich Importzölle auf US-Waren erheben’. -Es ist nicht so wichtig, dass es dazu nicht gekommen ist.- Aber: Wenn Trump sich dieser Verpflichtung entzieht, auf neue Formen der Energie­produktion und damit auch neue Kosten einzusteigen, dann verschafft er sich einen Konkurrenzvorteil. Davon sind wir betroffen, deswegen müssten wir eigentlich Zölle erheben. Das zeigt, worum es dabei geht.

(Man könnte auch sagen: Wenn es ums Klima ginge, müssten wir die entsprechenden Reduktionsziele der Amerikaner übernehmen.)

Trump sieht in dieser Festlegung, die Obama in Paris noch eingegangen ist, auf die Bedingungen neuer Energieproduktion eine für die USA absolut nicht hinnehmbare Schädigung der Freiheit der Kalkulation in Energiefragen: ’Wir haben so viel billiges Öl im Boden und Gas und Kohle. Wir nutzen alle Mittel, die wir haben. Jede Vereinbarung ist eigentlich ein nicht hinnehmbarer Anschlag auf amerikanische Interessenverfolgung’.

Die Festlegung der Konkurrenzbedingung auf Klimakonferenzen ist die Grundlage für die wirklich betriebene Konkurrenz auf dem Weltmarkt für Solarzellen, Windräder, Bio- Abgasanlagen usw. In dieser Konkurrenz sieht Merkel Deutschland gut aufgestellt: ‚Wir haben die Mittel und setzen die Maßstäbe, dann gelingt die Sache’. Wem da Maßstäbe gesetzt werden sollen, wird nicht verschwiegen: Anderen Staaten, die auch in Energiefragen unterwegs sind, und so wird dann aus der Klimarettung eine deutsche Weltmarktoffensive.

„Dies alles geschieht ja auch in der Überzeugung, dass die Transformation hin zu einer emissionsarmen Wirtschaftsweise – richtig angelegt – große Wachstumschancen bietet. Erneuerbare Energien, ressourcen- und kostensparende Effizienztechnologien, klimaschonende Neuerungen im Gebäudebereich und im Verkehr – das und anderes mehr wird auf den Märkten weltweit an Bedeutung gewinnen. Ich darf Ihnen sagen, dass in Deutschland erneuerbare Energien bereits die stärkste Säule der Energie­versorgung ist und dass wir erleben, dass in einem relativ schnellen Tempo die Unterstützung für erneuerbare Energien steigt und deren Marktreife immer schneller erreicht wird.“

Die Energiewende ist also nicht nur die Umstellung eines zentralen Sektors der nationalen Ökonomie auf neue gewinnträchtige Produktionsverfahren. Energiewende ist auch und vor allem die Besetzung auswärtiger Märkte, also der Standorte anderer Nationen, mit der für eine solche Umstellung nötigen Technologiemarke ‚Made in Germany’. Dafür ist Deutschlands Status als Musterknabe in Sachen Klimaschutz gut und mit dem erreichten Konkurrenzvorsprung gibt Merkel ganz schön an. Nicht zuletzt so sichert sich die deutsche Wirtschaftsmacht ihren Status als Exportweltmeister. Was dabei mit dem Klima wird, sollte man deshalb nicht fragen, sich also auch nicht wundern, warum das Einhalten der Ziele immer nicht so recht gelingt. Denn so viel ist klar: Das nationale Projekt mit der Umstellung der nationalen Energiewirtschaft auf zukunftssichere Energieformen, die Stellung Deutschlands als Weltwirtschaftsmacht zu sichern und auszuweiten, verlangt gerade möglichst viel Freiheit für das Kapital, für seine Kostenertragsrechnung genau all die Schäden zu produzieren, die auf Klimakonferenzen als Berufungstitel für die Notwendigkeit der CO2-Wende Thema werden. Bei den Verhandlungen zur großen Koalition hat man erfahren, dass Deutschland sein CO2-Reduktionsziel für 2020 nun auch noch offiziell aufgibt. Das halten seine ehrgeizigen Wachstumsziele offenbar nicht aus.

Kritiker bemängeln, dass Deutschland damit seine Glaubwürdigkeit als Klimaschutzvorreiter und seine Wachstumschancen auf dem Weltmarkt der erneuerbaren Energien verspielt. Ich will mich gar nicht drüber auslassen, ob des geheuchelt oder ernst gemeint ist. Das ist egal, weil sie sich offenbar selbst sicher sind, dass ihre Bedenken quasi nur dann einen Stellenwert haben, wenn sie den gültigen Maßstab für ihre Kritik nennen. Der gültige Maßstab ist Weltmarkterfolg. Den machen sie geltend, wenn sie den Einwand formulieren und sagen, das ist doch furchtbar schlecht, wenn Deutschland seine CO2-Reduktionsziele verfehlt, dann verliert es seinen Ruf als Vorreiter und dann verspielt es lauter Exporterfolge. Darum dreht sich also offenbar die Energiewende.

Beim letzten Zitat wird Merkel nochmal pathetisch:

„Wir haben auf der einen Seite schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel und Über­schwemmungen und auf der anderen Seite Stürme, unerträgliche Hitze, Dürrekatastrophen. Niemand – ich sage: niemand – darf und kann das ignorieren. Wenn wir uns zudem die wachsende Weltbe­völkerung vor Augen führen, wissen wir: Zunehmende Konflikte um natürliche Ressourcen sind geradezu vorprogrammiert, wenn wir beim Klimaschutz nichts tun. Deutschland hat sich deshalb auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stets dafür ausgesprochen, Sicherheitsaspekte des Klima­wandels viel stärker in den Blick zu nehmen.“

Man geht nicht fehl in der Annahme, dass man an solche Institutionen wie Frontex denkt. Es ist schon beachtlich. Wenn man nochmal an den Anfang des Abends denkt. Da waren mittellose Gemeinwesen wie die Fidschi-Inseln der Beweis für die allgemeine Betroffenheit.  Jetzt ist der Fortschritt dahin gegangen, dass die selber ein Ordnungs­problem sind. Also ergänzt die imperialistische Macht Deutschland ihr Konkurrenzprojekt Energiewende um den Anspruch, als Aufsichtsmacht über den Globus auch mit staatlichen Gewaltmitteln nach dem Rechten zu sehen, wenn sich die Opfer der Katastrophen als Problemfälle für die globale Ordnung erweisen. Am Anfang standen die Probleme, die die Bewohner der absaufenden Fidschi-Inseln haben. Sie sind der Berufungstitel für ein Umsteuern in der Energiepolitik. Am Ende von diesem Zitat sind die vom Verlust ihrer Lebensgrundlagen Betroffenen selber das Problem, das Deutschland als Weltordnungsmacht zu betreuen verspricht.

*

Noch einen Gedanken an die Adresse derjenigen, die meinen, man sollte daran festhalten, dass Energiewende doch eigentlich eine gute Sache sei: ‚Die wachsende Weltbevölkerung ist das eigentliche Problem’. Wenn man es theoretisch nimmt, muss man sagen, das kommt davon, wenn man nicht die wirklichen Verursacher und die wirklichen Opfer zum Thema macht, sondern ein allgemeines Menschheitsproblem als Ursache benennt. Im 1. Fall weiß man nämlich, dass die Frage, ob schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel, Überschwemmungen, unerträgliche Hitze etc. dazu führen, dass die Leute aus den Gegenden, wo sie leben, abhauen müssen, sehr viel weniger mit dem Klima zu tun hat, aber viel mit den politischen und ökonomischen Verhältnissen in den Ländern, in denen diese  Natur­katastrophen stattfinden. Die Verschiebung der ganzen Frage, warum es vielen Leuten auf diesem Globus so beschissen geht, auf das Argument, das liegt an Klimawandel, ist die ausdrückliche Verabschiedung davon, überhaupt den wirklichen Grund dafür zur Kenntnis zu nehmen.

Debatte 

1:49:28 [gekürzt]

Das Öl kommt aus Amerika … Es gibt nur das Frackingöl. … Außerdem hat die USA den ganzen Nahen Osten sozusagen in Geiselhaft genommen und zwar nach `45 mit dem Pakt zwischen Saudi-Arabien und USA. … Jetzt ist dieser blutige Konflikt erstmal mit Irak und Iran und die Amerikaner sind die Hauptbeteiligten. … Also diese relative Zwergennation Bundesrepublik hat auch Interessen, aber zum Beispiel im Sektor der alternativen Energie hat China Deutschland überholt. … Es ist auch das deutsche Kapital, die deutschen Firmen, sind immer noch ans Erdöl gebunden. Ok, Siemens baut Windräder, es gibt einzelne Sachen, aber die Regierung Merkel hat tatsächlich die deutsche Energiewende gedrosselt und das hat dazu geführt, dass Deutschland nicht mehr führende Nation ist in diesem Bereich. … Der Vorsprung ist nicht mehr da. Ganz Europa ist gar nicht so stark, wie man immer glaubt. … Die Alternative Energie ist die Zukunft, weil sonst geht es dem Ende zu. Das Öl geht dem Ende zu. Auch die USA hat sich auf alternative Energien umgestell, auch in Skandinavien … 

Das war jetzt eine Illustration des vorherigen Referates. Deutlich gemacht hast du, dass dir Klimarettung vor allen Dingen eine Konkurrenzveranstaltung ist, bei der Europa gar nicht so gut gegenüber den Amerikanern dasteht.

Dein Antiamerikanismus in allen Ehren. Wie kommt man von diesen Fakten auf die Frage, wie steht dann Deutschland dagegen da?

Ich habe eine Alternative herausgehört. Aber wir müssen unsere Energie anders herstellen. Die Frage ist jetzt wie können wir das machen, wenn nicht in einem kapitalistischen System wie heute? Sie haben vielleicht Ideen dazu.

Das Anliegen war ein bisschen bescheidener: Deutlich zu machen, dass es einen Unterschied macht, ob man darüber redet, welche Rolle dieses Gebrauchsgut in der Wirtschaft spielt und was das mit der Klimakatastrophe zu tun hat. Also schon ein paar falsche Vorstellungen davon, worum es bei dem Ganzen geht, zu widerlegen und aus dem Verkehr zu ziehen.

Das wirft gar nicht die Frage auf, weil es das „Wir“, von dem Sie reden, nicht gibt. Es gibt staatliche Berechnungen mit diesem Rohstoff. Der Gehalt dieser staatlichen Rechnung ist kurz erläutert worden. Es ist auch gesagt worden, woher es kommt, dass Staaten, sobald sie sich den Zweck setzen, für ihre nationale Wirtschaft eine verlässliche Versorgung mit Energie zu haben, sich sofort in einen Gegensatz zu den Lieferanten begeben, weil es sich nicht einfach um eine Ware handelt: Der eine verkauft und der andere kauft, das Geld geht über den Tisch und damit ist es in Ordnung, beide Seiten sind zufrieden. Kaum hat man einen Vertrag zur Lieferung von Öl mit Saudi-Arabien oder einen Vertrag über Gaslieferung mit Russland abgeschlossen, wird sofort die Frage aufgemacht, ob das nicht einer anderen Macht die Möglichkeit bietet, sich in unserer Politik einzumischen: ‚Machen wir uns abhängig?’

Was ist das für ein Gedanke, dass in der Energiefrage von vornherein gar nicht bloß ökonomische Interessen gelten, also die Interessen derjenigen, die die Energie verbrauchen, der Stromabnehmer, die zum Beispiel in einem erleuchteten Raum sitzen wollen, oder auch die den Energieverbrauch als Kostenfaktor in ihrer Produktion einkalkulieren und diejenigen, die die Energie als Geschäftsmittel produzieren. Es ist gar kein Produkt, das nur für die ökonomische Benutzung von Interesse ist, sondern ein staatliches Projekt!

Deswegen ist es unglaubwürdig, dass ausgerechnet diejenigen, die seit 150 Jahren den Weltenergiemarkt so hergerichtet haben, wie er jetzt existiert, weil er so funktioniert, wie er ist, unabhängige Energiequellen haben wollen, über die sie national souverän verfügen wollen und sich nicht abhängig zu machen, mit dem Argument, die Fidschi-Inseln gehen unter, auf die Energiewende kommen sollen. Das hat uns nicht eingeleuchtet. Deswegen haben wir uns überlegt, wie das alles miteinander zusammenhängt. Das ist damit, was man sich sonst noch alles vorstellen könnte, nicht zu beantworten.

Also es stimmt, dass die Kosten für die Folgen des Klimawandels steigen. Wir wissen, dass diese CO2-Emissionen, runterhegen müssen, dass wir unsere Energieerzeugung global ändern müssen. Wie wollen wir das machen? Sicher, wir wollen Gewinn machen…    

Ich wollte mich weigern, mich in ein geistiges Wolkenkuckucksheim zu begeben. Das beginnt mit dem Wörtchen „Wir“. Dann kann man sich alles Mögliche vorstellen, wie man alles menschenfreundlich, anständig usw. machen könnte. Aber die Gedanken taugen so lange nichts, wie man sich nicht davon verabschiedet, zu meinen, irgendwie müsste doch ein in der Welt schon vorhandener Zweck sein. Das drückt man aus, wenn man sagt: „Sie wissen das schon, dass wir …“ Aber das „Wir“ kann ich nirgends entdecken. Außer in der Redeweise von Politikern, die damit für sich in Anspruch nehmen, über die Frage, wo die Kosten landen, was andere Leute von der Energiewende haben und was nicht, zu entscheiden.

Wenn man zum Beispiel den Satz sagt: ‚Die Kosten der Energie und des Klimawandels steigen’. Dann ist mein erster Gedanke: Wenn man nicht dazu sagt, bei wem die Kosten anfallen und auf wen die Kosten abgewälzt werden, taugt das ganze Reden von den Kosten nichts. Denn dann redet man gar nicht über die wirklichen Kosten, die einer hat und die Frage, ob er die an andere loswerden kann.

Zum Beispiel Siemens in Görlitz: Da heißt es: ‚Dieser arme Konzern, dem nimmt niemand wegen der Energiewende seine Turbinen ab. Und jetzt hat er ein fürchterliches Dilemma. Er muss Arbeiter entlassen, obwohl er doch so ein sozialer Betrieb ist.’

Man kann aber auch sagen: Interessant. Die Kosten mögen ja bei Siemens anfallen, aber tragen müssen sie die Belegschaft. Und das ist etwas anderes, als zu sagen, es gibt allgemeine Kosten und die steigen für uns alle. Denn das ist unwahr! Es mag Kosten geben, aber für wen sind das Kosten und für wen sind sie Vorteile? Ausgemacht ist, dass sich das nicht am Menschheitsproblem entscheidet, sondern an der jeweiligen sozialen und ökonomischen Rolle, die die Leute in Politik und Ökonomie spielen.

‚Emissionen müssen runtergehen’. ‚Das ist doch beim Ausstieg aus dem Abkommen eine Riesenchance, weil China viele Patentanmeldungen hat’. – Aber jetzt müsste k

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