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IVA: „Marx is back“, Vol. 10

Von • Mrz 4th, 2018 • Kategorie: Allgemein

IVA: „Marx is back“, Vol. 10

 

IVA hat im letzten Jahr die merkwürdige Betriebsamkeit in Sachen Marx-Jubiläum dokumentiert und mit einigen Anmerkungen versehen, die vor allem auf die pädagogische Praxis Bezug nahmen (siehe „Marx is back“, Vol. 1-9). Hier eine Nachbemerkung der IVA-Redaktion zum Abschluss der Reihe.

Das Marx-Jubiläum – 2017: 150 Jahre „Das Kapital“, 2018: der 200. Geburtstag von Karl Marx – hat, wie sollte es beim Abfeiern runder Jahreszahlen anders sein, zu einer Reihe eigenartiger bis bizarrer Erscheinungen geführt. Von der chinesischen KP über den deutschen Bundespräsidenten bis zur SPD-nahen Ebert-Stiftung und zum Trierer Dommuseum haben sich die disparatesten Figuren und Motive ans Werk gemacht, einen – irgendwie und trotz allem – großen Deutschen aus dem 19. Jahrhundert zu ehren und dabei der Kapitalismuskritik die letzten Zähne zu ziehen. Auf derartige Trends hatte die IVA-Reihe „Marx is back“ aufmerksam gemacht und daneben einige Hinweise gegeben, welche Materialien, Termine, Vorgänge für diejenigen, die in der pädagogischen Arbeit engagiert sind, von Interesse sein könnten.

Diese Reihe wird hiermit abgeschlossen. IVA plant aber, in 2018 auf das Thema zurückzukommen. So soll zunächst eine ausführliche Auseinandersetzung mit der modernen Marx-Widerlegung erfolgen, die sich ja nicht mehr wie zu Zeiten des Kalten Kriegs in der kategorischen Absage an einen verblendeten Denker und einer Kampfansage an das „Gift“ des Marxismus-Leninismus erschöpft. In den neueren Würdigungen wird Marx – was man vielleicht als den gemeinsamen Nenner bezeichnen kann – für interessant befunden, um dann die unterschiedlichsten Schlüsse zu ziehen. Für den Mainstream ist dabei klar, dass hier – bestenfalls – ein Querdenker aus dem 19. Jahrhundert einige Anregungen geben kann, wie die ökonomische Entwicklung im Rückblick zu betrachten und auf die zukünftigen Herausforderungen hin auszurichten ist. Ein ernsthaftes Interesse an der Marxschen Theorie ist dabei nicht zu verzeichnen, auf Ausnahmen von diesem Trend hatte die IVA-Reihe ebenfalls hingewiesen.

 

https://www.i-v-a.net/doku.php?id=texts18#„marx_is_back_vol_10

 

https://www.i-v-a.net/doku.php?id=texts17

2 Responses »

  1. Die bürgerliche Marx-Feier zum 200. hat E r s t u n k e n d e s und E r l o g e n e s an sich.
    Um ausgerechnet den fundamentalen Kapitalismuskritiker und Feind der bürgerlichen Gesellschaft
    samt Bourgeoisie/Staat zu hofieren, muss man dessen Aussagen komplett verdrehen, damit man
    sie einreihen kann bei der theoretischen und praktischen Pflege der „Besten aller Wirtschaften“.
    Deshalb folgende begründete Einordnung der bürgerlichen Ehreinlegung für den Alten,
    eher Deutschland Ehre gebührt, welche, in diesem Fall „widersprüchliche“ helle Köpfe die
    Nation in der Mitte Europas hervorgebracht habe:

    Zum 200. Geburtstag von Karl Marx – 5.5.2018

    Ausgerechnet dem Fundamentalkritiker von Kapitalismus
    u. bürgerlichem Staat wird Ehre eingelegt durch die dt.
    und gleich auch noch europ. Bourgeoisie

    Seit Jahrzehnten bekämpft, interessierte Hineininterpretiererei in seine Werke statt
    Widerlegung derselben, exkommuniziert aus der Wissenschaftszunft, seit der Verab-
    schiedung derjenigen von der Weltbühne, die sich als realer Sozialismus auf die Marxschen
    Lehren berufen haben die Feier des weltweiten Siegeszuges von Kapitalismus und
    Imperialismus, damit die endgültige Beerdigung von allem, was irgendwie eine Nähe
    zum Kritiker der Politischen Ökonomie und des Marxschen Denkens überhaupt reklamierte
    – und jetzt zum runden 200. von Marx erweisen die Herrschenden ihm eine allerdings
    zwiespältige Ehre.
    Sie nehmen es sich frei heraus: praktische Relevanz hat der Marxismus nirgendwo mehr;
    da ist ihnen ein runder Geburtstag von sage und schreibe 200 Jahren Anlass für einen
    unverfänglicheren Umgang mit dem Alten, wenn man irgendwelche Theorieschnipsel
    desselben so zurechtinterpretiert, dass es in die ganze bürgerliche Chose reinpasst.

    ‚Unser‘ repräsentativer Vorsteher der dt. Nation Steinmeier:
    Marx sei ein einflussreicher Philosoph, in all seiner Widersprüchlichkeit ein großer dt. Denker
    gewesen.

    Kaum eine Figur des 19. Jahrhunderts sei so bekannt und gleichermaßen umstritten wie Marx.
    Auch weil seine Erkenntnisse die Blaupause lieferten für viele letztlich gescheiterte sozialistische
    Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle und kommunistische Diktaturen.
    (Quelle: ARD-Teletext v. 5.5.18)

    Das Umstürzlerische, Klassenkämpferische als Konsequenz aus seiner Kapitalismuskritik
    haben die Bürgerlichen noch nie gemocht. Sie lassen eine vorgeblich unverdächtige Seite
    an Marx hochleben, was sich in der Betitelung ‚großer Denker/Philosoph‘ zusammenfasst
    – die philosophischen Ergüsse werden hergenommen dafür, dass damit im Grunde der
    dt. Nation Ehre gebührt, die solche hellen, allerdings um-
    strittenen Köpfe hervorgebracht habe. Soweit sich auf die verphilosophierten polit-
    ökonomischen Aussagen fragmentarisch bezogen wird, werden die eben zurechtgebogen
    in Richtung prophetischer Auslassungen wie derjenigen der Selbstzerfleischung des
    Kapitalismus und mit modernen Phänomenen wie dem Finanzcrash neulich bebildert, ob
    dies ein Anzeichen für das Eintreffen angeblicher Marxscher Prognosen sein könnte;
    aus der Marxschen Kapitalismusanalyse eine Frage der Haltbarkeit des bürgerlichen
    Wirtschaftsystems herauszudestillieren macht sich völlig frei davon, wie aus den
    Bestimmungen einer absurden Produktionsweise des Kapitals die begründete Notwendig-
    keit von deren Überwindung durch korrekte Einsicht der abhängigen Variable des globalen
    Kapitalismus, der lohnarbeitenden Bevölkerung, von Marx herausgearbeitet wurde.
    Man wird den Verdacht nicht los, es geht der bürgerlichen Gemeinde darum, Seiten an
    ihm zu entdecken, eher schlicht zu erfinden, wie die sich vielleicht nutzbar machen lassen
    für das Management ihres prinzipiell fraglos zu goutierenden kapitalistischen Ladens oder
    einfach als Korsett für die wirtschafts-, sozial-,staatsmoralischen Verse auf die eigentlich
    Beste aller Wirtschaften.

    Marx Texte übten noch gewaltigen Sog aus: angesichts von Globalisierung, sozialer Ungleichheit, Finanz-
    crash, Klimawandel fragten sich viele, ob der Kapitalismus sich doch noch selbst auffrisst, wie von Marx
    (angeblich!) vorhergesagt.
    (Quelle: ebd.)

    Einmal unabhängig davon, ob es stimmt, dass der Polit-Ökonom von Selbstabdankung des
    Kapitals überhaupt dahergeredet hat und wie die oben aufgeführten Phänomene sich dazu
    verhalten, darin einzureihen wären, schon letztere für sich haben absolut nichts mit den
    polit-ökonomischen Charakterisierungen des Kapitalismus gemein. Das bürgerliche
    Räsonieren über Globalisierung, Ungleichheit, Finanzcrash, Klimawandel, also die Besichtung
    des Kapitalismus auf dessen Vor- und Nachteile (Globalisierung), dessen Ungerechtigkeiten
    (soziale Ungleichheit), dessen Missgriffe (Klimawandel), letztlich dessen Verbesserungsbe-
    dürftigkeit kommt wie eine Affinität zu Marx daher, wenn man die theoretische wie praktische
    Feindschaftsansage gegen die bürgerliche Welt herauskürzt.

    Beispiel „‚Globalisierung“:
    Denn unter diesem nichts-sagenden Allgemeinplatz*) wird eine Abwägerei von
    Chancen und Risiken für die Nationalwirtschaften, die Weltökonomie und überhaupt ge-
    wälzt, die von der Unumstößlichkeit der weltweiten Geschäftemacherei ausgeht und sich
    parteiisch nach dem Nutzen derselben für die im weltweiten Geschachere Eingehausten,
    dessen Ausgestaltung, Einhegung von ‚Entgleisungen‘ erkundigt.
    Dies steht völlig konträr zur Marxschen Bestimmung des Weltmarkts, wie nämlich
    mit der dem Kapital eigenen Maßlosigkeit der Geldvermehrung es dieses über alle
    nationalen Grenzen hinweg drängt, dazu, jeden Erdenwinkel und die dort ansässigen
    Völkerschaften samt sonstigem Inventar für seinen Zweck der Selbstvermehrung
    untertan zu machen – unter ‚Vermittlung‘ der staatlichen Abräumer der Hindernisse und
    Schranken, die in der souveränen Verfügung anderer Staatsgewalten über fremde
    Landstriche liegen. Die barbarischen Formen und Resultate dieser globalen
    Kapitalwirtschaft, wie alles als Anhängsel deren Profitmacherei, nämlich per
    internationaler Vergleicherei alles als konkurrenzlos billiges Arbeitsmaterial und sonstige
    unschlagbare günstige Bedingungen sortiert und zurechtgemacht wird, wie darüber
    Armut und Elend im Weltmaßstab forciert werden, ganze Landschaften als
    Kapitalanlagesphäre begutachtet und dem Ruin ausgesetzt werden, wenn sie dem
    Bereicherungsmaßstäben des Weltkapitals nicht genügen, ganze Nationen am Kredit
    des Finanzkapitals auf Gedeih und Verderb hängen, u.U. mit der Konsequenz der
    regelrechten Verpfändung ganzer Nationen an die internationalen Kreditagenturen
    – das und mehr ist nichts als ein Grund für eine einzige Absage an diese Sorte
    Wirtschafterei und lässt keinen Raum für irgendwelche Nachteils-/Vorteilsabwägungen.

    _____________________________
    *)Globalisierung ist überhaupt keine ökonomische Kategorie, die irgendwas gescheit erklären
    würde aus der bürgerlichen Welt: es ist ein ziemlich dünnes Abstraktum, unter das man alles und
    jedes fassen kann; Krankheiten, Hunger, Fluchtbewegungen können ebenso global angelegt
    oder ausbreitbar sein. Zudem wird dem damit Bezeichneten was Subjekthaftes zugeschrieben,
    was es so gar nicht geben kann, weil nämlich erstmal als was Getrenntes von den In-
    teressen, die warum und wie sich weltweit betätigen; so als ob das was die Ergreifendes
    oder über diese Interessen Kommendes wäre. Oder wenn man es vom Kopf auf die Füße stellen
    würde: statt die Interessen zu spezifizieren, die da ausgreifend angelegt sind, wird mit
    Globalisierung ein über die hereinbrechender Sachzwang vorstellig gemacht.

  2. FR-Autor Stephan Kaufmann hat aus den Marx’schen Ideen ein paar nützliche Hinweise für die Gegenwart extrahiert

    http://www.fr.de/kultur/marx-sche-ideen-von-menschen-und-maeusen-a-1500033

    http://www.fr.de/kultur/marx-sche-ideen-von-menschen-und-maeusen-a-1500033,PRINT?_FRAME=33