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Theo Wentzke: Den Respekt verweigert

Von • Okt 7th, 2021 • Kategorie: Allgemein

Den Respekt verweigert

Zum Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Joseph Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 16. August 2021 in Genf

Von Theo Wentzke

 

Joseph Biden führt neue Sitten auf dem Gebiet der Völkerverständigung ein: Erst tituliert er den Chef der russischen Föderation als »Killer«, was vor dem Hintergrund der Feindbildorgien der Öffentlichkeit zwar nicht weiter aus dem Rahmen zu fallen scheint, im Umgang unter Staatschefs, die sich gerade nicht im Krieg befinden, allerdings doch etwas ungewöhnlich ist. Dann unterbreitet der US-amerikanische Präsident seinem russischen Kollegen den Vorschlag eines Gipfeltreffens, aber nicht ohne unmittelbar nach dem Unterbreiten dieses Angebots für das rechte Verständnis zu sorgen, indem er eine Serie von Sanktionen der härteren Art gegen Russland in Kraft setzt und weitere in Aussicht stellt.

Dieser Auftritt will verstanden sein als Reparatur der Fehler, die Bidens Vorgänger im Umgang mit Russland gemacht haben soll. Die Manier lebt von der Legende, mit der die Demokraten während Trumps Präsidentschaft ihre Konkurrenz wesentlich bestritten haben, derselbe sei ein Produkt russischer Wahlmanipulationen und daher in russischen Diensten, einer Legende, die bis heute am Leben gehalten wird, auch wenn den politischen Beobachtern durchaus bekannt ist, dass sich auf dem Gebiet dem Vorgänger eine Abweichung von der US-amerikanischen Staatsräson ernstlich nicht nachsagen lässt. Entgegen der Bidenschen Inszenierung besteht eine ziemlich bruchlose Kontinuität in der Radikalisierung der Russland-Politik, die unter Trump erreicht worden ist. Die neue Administration knüpft nahtlos an die unter dem Vorgänger seriell beschlossenen Repressalien gegen die Russische Föderation an.

 

Ein Schock neue Sanktionen

 

USA exzeptionell

 

Russland einfach erbärmlich

 

Bedarf an Verständigung

 

Ökonomische Kriegführung

 

Präsident Biden wiederum beruft sich auf den Gipfel als eine höchst einseitige Veranstaltung, bei der er Russland diverse Versprechungen abgenommen haben will: »Man werde sich ansehen, ob die Russen sich an das halten, was sie zugesagt und versprochen haben« (DLF, 17.6.2021) – auch wenn von Versprechungen nichts zu hören war.

Bei der Gelegenheit hält Biden es dann für angebracht, seine Landsleute schon einmal mit der Tatsache vertraut zu machen, dass in der heutigen Vorkriegszeit die Chancen auf einen »Real Shooting War« gar nicht schlecht stehen: »Der Präsident machte auch eine beunruhigende Vorhersage über die zunehmenden Cyberattacken auf die Vereinigten Staaten. Biden sagte, er glaube, dass die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass die Vereinigten Staaten infolge eines Cyberangriffs in einem echten Schießkrieg mit einer größeren Macht landen könnten« (Voice of America, 27.7.2021). Schießen gehört bekanntlich auch zur US-amerikanischen DNA.

 

Mehr zum Thema in Heft 3/2021 der Zeitschrift Gegenstandpunkt. Bezug:

gegenstandpunkt.com

 

Theo Wentzke schrieb an dieser Stelle zuletzt am 25. Juni 2021 über Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro.

 

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 04.10.2021 / Seite 12 / Thema: Neuer Kalter Krieg

 

https://www.jungewelt.de/artikel/411683.neuer-kalter-krieg-den-respekt-verweigert.html

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