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Kein Kommentar: Nach 10 Monaten Krieg: Eine kleine moralische, und eine sachliche Bilanz

Von • Dez 14th, 2022 • Kategorie: GSP-Radio

Kein Kommentar: Nach 10 Monaten Krieg: Eine kleine moralische, und eine sachliche Bilanz

 

Nach 10 Monaten Krieg, dem dieses Jahr fast alle Beiträge in diesem Podcast gewidmet waren, nachdem sich der Kriegsschauplatz derzeit offenbar zu einer Art Stellungskrieg verfestigt, nun zusammenfassende Würdigungen.

Einstieg über die Leistungen der Verantwortungspresse, entlang einer skeptisch-kritischen Betrachtung einer Journalistin. (…)

Ukraine beschlagnahmt Aufmerksamkeit zulasten Hungernder?

Waffenlieferungen sind in diesem leicht verschrobenen Weltbild offenbar etwas Ähnliches wie mildtätige Spenden oder Hungerhilfe, beides entlang der „Aufmerksamkeitsökonomie“, die der „Krisenjournalismus“ bewirtschaftet. Nun, diese Aufmerksamkeitsökonomie unterliegt keineswegs den Gesetzen eines ökonomischen „Marktes“, der Konkurrenz um die schrecklichsten Bilder, sondern den Gesetzen des Imperialismus, den Kriterien der Weltpolitik. (…)

So geht Propaganda mit Leichen, und die freie Verantwortungspresse steht da ihren „totalitären“ Pendants nicht nach. Das gezielte Verschweigen der Verantwortungspresse bezieht sich übrigens gar nicht primär auf die weniger wertvollen Leichen und deren trauernde Angehörige. Der wesentliche Gehalt des Verschweigens besteht in der Vorführung der wertvollen Toten ausschließlich als Privatpersonen, die doch bloß ihren Interessen und Obliegenheiten nachgehen wollten, und völlig grundlos umgebracht wurden. Gezielt verschwiegen wird, als was sie genommen und in welcher Eigenschaft im Krieg getötet wird:

Als Mittel, rein als Menschenmaterial einer feindlichen Staatsmacht wurden sie zu Zielscheiben; völlig wurscht, ob sie als Individuen sich da überhaupt betroffen sahen und sich beteiligen wollten.

Der Imperialismus an Ort und Stelle

Noch einige Bemerkungen zu den von Böhm erwähnten Kriegen und Krisengebieten, die für den Westen momentan nicht so wichtig sind, weswegen die Schlagzeilen derzeit ohne sie auskommen müssen (…)

Dem könnte man auch entnehmen, dass die wüsten Zustände in Äthiopien und im Jemen nicht der Abwesenheit der segensreichen westlichen Zuwendung geschuldet sind, einer Gleichgültigkeit gegenüber der Lage vor Ort, sondern dass die kämpferische Zuwendung der USA zu allen von ihnen ausgerufenen Übeln eben anderen Kriterien folgt, als der Behebung von Kriegen und Krisen nach den Bedürfnissen von Gutmenschen.

Die wiedervereinte „Eine Welt“: Kein Platz für Russland

Mit der friedlichen Kapitulation der Sowjetunion war die Welt in diesem Sinn wiedervereinigt, als nun alle Staaten (Ausnahme:

Nordkorea) die kapitalistische Wirtschaftsweise als ihre allein selig machende ökonomische Grundlage installiert hatten und auf dem Weltmarkt um dessen Erträge aus Produktion, Handel, Investition und Kredit konkurrieren. Der Kapitalismus war endlich „global“, und das damit aufkommende Schlagwort von der „Globalisierung“ – des Kapitals – hat darin sein materielles Substrat. Allerdings war für die USA wie schon seit 1945 erst recht selbstverständlich, dass es sich um ihr Werk und um ihre Ordnung handelt, die von ihnen zu überwachen und auf Missbrauch zu kontrollieren sei. Was heißt das?

(…)

Und es ist ja wahr: In diese Weltfriedensordnung, in diese pax americana der Überwachung und Kontrolle durch ökonomische Sanktionen mit allfälligen Fortsetzungen in Richtung Krieg, da passt Russland wirklich nicht hinein. Wegen seiner geerbten Mittel, und wegen seiner geerbten bzw. erneuerten Ansprüche. Was die Mittel betrifft – im Unterschied zum Irak hat Russland „Massenvernichtungswaffen“. An diesem damaligen Vorwurf der USA ist ja weniger die Unwahrheit beeindruckend, sondern mehr der amerikanische Anspruch auf Wehrlosigkeit oder wenigstens auf maßlose waffenmäßige Überlegenheit der USA.

Zum Schluss ein Interview mit dem kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro

Ja mei, wer sich mit dem Westen identifiziert, hat damit natürlich den moralisch Kompass intus. So einäugig, einseitig, voreingenommen und parteilich geht übrigens Nationalismus – in dem Fall die supranationale Parteilichkeit für ein ganzes geopolitisches „Lager“, benannt nach einer Himmelsrichtung.

 

Literatur:

https://www.zeit.de/politik/familie/2022-05/humanitaere-krisen-ukraine-krieg-berichterstattung-5vor8?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

 

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/rueckblick-auf-10-monate-krieg-ukraine

 

Interview Gustavo Petro: https://www.nachdenkseiten.de/?p=91398

 

Zum Nachlesen noch zwei Texte aus dem Jahr 2008, ebenfalls zum Stichwort „Aufteilung der Welt“ und zum damaligen Zwischenstand der weltpolitischen Konfrontation. Damals wollte eine Art georgischer Selenskyj, der Mann heißt Saakaschwili, einen Krieg mit Russland vom Zaun brechen, sich so die Unterstützung des Westens ertrotzen, um auf diese Weise sein geliebtes Land voranzubringen. Diese Aufforderung wurde – damals – von den USA abschlägig beschieden. Der zweite Artikel behandelt an eben diesem Fall exemplarisch und ausführlich die Techniken der Meinungsmache in einem (deutschen) Organ, das sich – Überraschung! – auch als Teil des Westens begreift.

 

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/konflikt-suedkaukasus

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/zeit-zum-kaukasuskonflikt

 

https://cba.fro.at/590204

One Response »

  1. Kein Kommentar: Ukraine aktuell: Eskalieren, um Durchzuhalten?!

    Die Ruhe vor dem Sturm – oder eher: Eskalieren, um durchzuhalten?!

    Der aktuelle Stand des Krieges in der Ukraine ist der Stellungskrieg, der nicht wenige Beobachter an einschlägige Szenarien aus dem Ersten Weltkrieg erinnert, speziell mit dem Andenken an den damaligen ungeheuren Verschleiß von Kriegs- und Menschenmaterial – ohne dass sich derzeit für eine der beteiligten Seiten auf Basis dieser Lage demnächst bedeutende Geländegewinne, militärische Erfolge oder eine Wende abzeichnen würden.

    Das ist einerseits sehr erfreulich für die westlichen Sponsoren und Lieferanten der Ukraine, gerade wegen des gewaltigen russischen Verschleißes an Mensch und Material, den so ein Stellungskrieg erfordert, also wegen der Dezimierung der russischen konventionellen Streitkräfte. Andererseits wird diese Abnützung des Feindes durch die Abnützung der ukrainischen Streitkräfte erzielt, da stellt sich also die Frage nach den ukrainischen Reserven an Mensch und Material, und die sind weder durch den im Westen schön langsam langweiligen Personenkult um den ukrainischen Präsidenten, noch durch die ebenso im Westen gehypte ukrainische Kampfmoral aufzufüllen.

    Kommt dazu die russische Angriffswelle auf die Infrastruktur der Ukraine seit den letzten Monaten des Jahres 2022, die das Land und seine Ökonomie als Hinterland einer Front im Stellungskrieg zunehmend unbrauchbar macht, und für die verbliebenen Bewohner zunehmend unbewohnbar. Die Wirkungen auf die Moral der leidenden Bevölkerung werden zwar im Westen nicht hochgespielt, sind natürlich gegeben. Der ORF-Korrespondent hat die vom Westen für die Kriegsfähigkeit der Ukraine erbrachten Leistungen sinngemäß mit „zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig“ umschrieben – also zum Durchhalten gerade noch ausreichend, was wie erwähnt einerseits erfreulich ist, inzwischen aber sehr die Frage aufwirft, wieweit der ukrainische Stellvertreter seinen Verschließ überhaupt noch durchhält, und was er zum weiteren Durchhalten braucht.

    Die Kriegsparteien sind also gefordert, Entscheidungen stehen an

    – Die Ukraine

    – Der Westen

    – Der Faktor Material

    – Kommt dazu der Faktor Mensch

    – Über all dem: Die Politik

    Vor allem in den USA gibt es, wie sich das in einer Demokratie gehört, oppositionelle Bedenken gegen die eigene Regierung, und darüber deuten sich dann mögliche Konsequenzen in Richtung Ukraine an. Denn die ständige Beteuerung der Biden-Regierung, es ginge um die höheren Werte, die evoziert unter Nationalisten zwangsläufig die Frage nach den nationalen Interessen, die womöglich durch zu viel selbstlosen amerikanischen Einsatz auf der Strecke bleiben könnten. Amerika führt bekanntlich seine Kriege zur Begünstigung fremder Völker – wie etwa damals im Irak, dieser Krieg begeht bekanntlich gerade seinen zwanzigsten Jahrestag. Die Völker im Nahen Osten kriegen sich kaum ein vor Begeisterung über die US-Hilfskriege, während in den USA das durchwachsene Kriegsergebnis auch als Folge von zu viel amerikanischer Nächstenliebe für Länder diskutiert wird, die das womöglich nicht verdienen.
    Komplementär zum Werte-Gedöns erwächst also zumindest in Donald Trump der Verdacht, Amerika laufe Gefahr, von europäischen zahlungsunwilligen Verbündeten und von der notorisch korrupten Ukraine ausgenutzt und in einen Krieg verwickelt zu werden, der sich womöglich für Amerika gar nicht lohnt, weil die wahren Prioritäten – Mauer nach Mexico, China! – woanders liegen. Und teuer ist das alles auch! So gibt es unter den Republikanern Bedenken über zu viel Engagement bis zur Ablehnung weiterer Unterstützung.

    Demgegenüber legt Biden viel Wert auf die Klarstellung, dass Amerika hier einen Krieg führen lässt, indem sie ihn „from behind“ lenkt, wie das im Jargon heißt. Das bringt Differenzen mit sich, die ab und an gezielt an die Öffentlichkeit gespielt werden, um alle Beteiligten daheim und außerhalb daran zu erinnern, wer der Chef im Ring ist.

    https://cba.fro.at/613718