[online] 13.09.2012 | Bremen | Nationale Rohstoffsicherheit!
Von webmaster • Sep 13th, 2012 • Kategorie: VeranstaltungenZeit: Donnerstag | 13.09.2012 | 19.00 Uhr
Ort: Bürgerhaus Weserterrassen | Osterdeich 70 b | Bremen
Veranstalter: GegenStandpunkt Verlag
Nationale Rohstoffsicherheit!
Deutschland entdeckt in Afrika neue Konkurrenz – und seine Entwicklungspolitik neu
Referent: Jonas Köper (GegenStandpunkt)
1.
„Deutschland ist als Industrieland und Exportnation in besonderem Maße auf eine sichere Rohstoffversorgung angewiesen.“ „Unter den Bedingungen der Marktwirtschaft und eines fairen Welthandels gleichen sich Angebot und Nachfrage auch bei Marktänderungen immer wieder aneinander an. Funktionierende Märkte sorgen so für stabile Verhältnisse und langfristige Versorgungssicherheit.“(Rohstoffstrategie der Bundesregierung)
Das ist doch mal eine harmonische Welt: „Versorgt“ wird Deutschland mit allen Rohstoffen, die eine Exportnation für ihre Bereicherung an der Welt braucht; dem Markt sei Dank. Fragt sich nur, warum der deutsche Staat dann noch eine politische Rohstoffstrategie braucht und seine Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitiker damit seit Jahren Rohstoffländer und -märkte beharken?
2.
Dass am Weltmarkt für Rohstoffe ganz was andres herrscht als ein „Ausgleich“ zwischen den industrialisierten Nachfrage- und den anbietenden Rohstoffländern, wissen die deutschen Rohstoffstrategen schon. „Auch Entwicklungs- und Schwellenländer verfügen über zahlreiche fossile und mineralische Rohstoffe, die am Weltmarkt stark nachgefragt werden. Doch in vielen Entwicklungsländern trägt der Rohstoffreichtum nicht zur nachhaltigen Entwicklung bei.“ Stattdessen ist – seit Jahrzehnten! – gerade aus den Rohstoffländern Afrikas andres bekannt: Die Staaten sind im Ausland verschuldet, viele sind überschuldet, die Menschen verelenden in Massen, die Staatsmacht ist oft umkämpft und gilt in vielen Fällen offiziell als „gescheitert“.Warum führt das Anbieten von „Rohstoffreichtum“ auf dem Weltmarkt denn zu so einer katastrophalen „Entwicklung“, die offenkundig ziemlich „nachhaltig“ ist?
3.
Für deutsche Rohstoffpolitiker ist nur eine Antwort zulässig: Wo doch für Rohstoffe bezahlt wird, was der Weltmarkt so hergibt, sind die Rohstoffländer selber schuld, wenn sie mit dem Geld nicht auskommen. Ihnen dabei auf die Sprünge zu helfen, „dass die Einnahmen aus der Rohstoffförderung auf nachvollziehbare Art und Weise in die öffentlichen Haushalte gelangen und dann zur Verminderung der Armut eingesetzt werden“ (BMZ), dazu ist Deutschland aber gern bereit. Das ist das maßgebliche Ziel der Entwicklungspolitik, die Deutschland seiner Außen(wirtschafts)politik an die Seite stellt. Der zuständige Minister Niebel stellt immer wieder klar, dass „Entwicklungspolitik kein Weltsozialamt“ ist, und er das „Wort Entwicklungshilfe nicht mag“. Was allerdings die Frage aufwirft, was diese Politik denn dann entwickelt und wem sie wobei hilft?
4.
„Stabile Versorgung“ für die deutsche „Exportnation“ und Hilfe für die Rohstoffländer beim sparsamen Haushalten mit den Einnahmen und bei der Armenbetreuung – so ging der „faire Welthandel“ für Deutschland lange Zeit in Ordnung.
Und nun das: „Die stark gestiegene Nachfrage nach zahlreichen wichtigen Industrierohstoffen hat allerdings dazu geführt, dass verschiedene Länder handelspolitische Maßnahmen (u. a. Exportzölle, Exportquoten, Importvergünstigungen) ergriffen haben, die die jeweilige heimische Industrie begünstigen und damit den internationalen Wettbewerb verzerren.“(Rohstoffstrategie der Bundesregierung) „Schwellenländer verfolgen gegenüber rohstoffreichen Ländern auch Strategien, mit denen sie offensichtlich darauf abzielen, privilegierten Zugang zu deren Rohstoffvorkommen zu erhalten. So haben China und Indien ihr wirtschaftliches Engagement in Afrika in den letzten Jahren erheblich verstärkt.“ (Rohstoffinitiative der EU)
Wenn sich China in Afrika Rohstoffe kauft und auch in Rohstoffvorkommen einkauft, also ganz marktwirtschaftskonform mit Geld und Kapital zugreift, warum heißt das in Deutschland und Europa „verzerrter Wettbewerb“, „gestörte Weltmärkte“ und „landgrabbing“?
Auch die Rechtfertigung des neuen Exportweltmeisters China hört sich sehr vertraut an. „Wir produzieren nicht nur für China selbst, sondern für die gesamte Welt. Natürlich müssen wir deshalb auch die weltweiten Vorkommen als Quelle für unsere Rohstoffe nutzen“, sagt Wang Yuesheng, Wirtschaftsprofessor der Peking-Universität. Peking habe aus diesem Grund die Rohstoffsicherung zum Kern seiner nationalen „Go global“-Strategie gemacht.“ (FAZ 02.09.2011) Was „stört“ da, wenn China macht, was die westlichen Industriemächte vorgemacht haben?
5.
Klar ist, dass Deutschland und Europa sich zu energischem Dagegenhalten berechtigt sehen. Deutsche und europäische Politik droht Rohstoffländern mit dem Aussperren vom EU-Markt, wenn sie keinen zollfreien Zugriff auf ihre Erze und Erden einräumen, deutsche Politik bemüht sich um bilaterale Rohstoffpartnerschaften, und deutscher wie europäischer Politik fällt eine nützliche Notlage all der Länder ein, die ihre Entwicklungspolitik am Wickel hat: „Viele bedeutende Rohstoffvorkommen befinden sich in den Entwicklungsländern Afrikas und anderen Entwicklungsländern. Es empfiehlt sich, die EU-Entwicklungspolitik auf diskriminierungsfreien Zugang der EU zu Rohstoffen auszurichten“. Warum gilt bei Deutschland als Recht, was bei China als „privilegierter“ Zugriff und „Störung“ der Weltmärkte gilt?
Aus China kommt eine Antwort, die eine gewisse Offenherzigkeit auszeichnet: „Allerdings ist das Schwellenland ‚ein Nachzügler‘, wie Wang sagt. Der Aufsteiger muss auf dem Rohstoffmarkt mit etablierten Mächten und erfolgreichen Nachbarländern konkurrieren.
Diese Ausgangslage führt zu Spannungen und in Zukunft vielleicht zu militärischen Konflikten.“
Das gibt zu denken.
– Worum geht es unter den so technisch klingenden politischen Stichwörtern „Rohstoffversorgung“ und „Rohstoffsicherheit“?
– Was ist der Rohstoff- für ein Weltmarkt, was sind in ihm „Industrieländer“, was sind „Rohstoffländer?“
– Warum heißen von letzteren so viele offenbar dauerhaft „Entwicklungsländer“, und worum geht es der aktuellen „Entwicklungspolitik“?
Um solche Fragen geht es in der Veranstaltung.
Update:
Eine Aufzeichnung der Veranstaltung steht bei ArguDiss zum Download bereit.
1. Einleitung – Exportnation“ und „ihr“ „Rohstoffmarkt“
2. „Rohstoffländer“: „Rohstoffreichtum“ – „Arme Länder“
3. „Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ – Lüge und Wahrheit – Zwischenbilanz: eine brauchbare Weltmarkt-Ordnung
4. „Gestörte Weltmärkte“, „verzerrter Wettbewerb“, „landgrabbing“: ein neuer Konkurrent stört mächtig
5. „Rohstoffsicherung“ als „Entwicklungspartnerschaft“: Vom Besitzstand zum Kampf in der Neuaufteilung
6. Diskussion