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[03/2009] Das Stichwort: Der Steuerzahler

Von • Mrz 7th, 2009 • Kategorie: Artikel

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GegenStandpunkt – Kein Kommentar – Freies Radio Stuttgart, Sendung vom 11.02.2009

Das Stichwort: Der Steuerzahler

Seit die Regierung immer größere Milliardensummen aufbietet, um die Banken und jetzt auch noch die Konjunktur zu retten tritt immer häufiger eine eigentümliche politische Figur ins öffentliche Rampenlicht: Der Steuerzahler. Der scheint ein heikler Bursche zu sein, der eine Art Wächteramt innehat und es überhaupt nicht leiden kann, wenn die Politik mit den Milliarden, die sie sich genehmigt, nicht korrekt umgeht. Jedenfalls geben sich Politiker alle Mühe, unter Beweis zu stellen, wie sehr sie sich gegenüber dieser Figur in der Verantwortung sehen und möglichen Einwänden und Bedenken von seiner Seite beim Geldausgeben Rechnung tragen.

Eins ums andere Mal beteuern Merkel, Steinbrück & Co., wie schwierig es doch sei, dem Steuerzahler plausibel zu machen, dass ausgerechnet die Oberzocker von den Banken nun so reichlich aus den staatlichen Kassen bedient werden müssen. Auf ihn beruft sich auch die Opposition, wenn sie die Krisenpolitik der Regierung als ‚verantwortungsloses Verschleudern von Steuerzahlergeldern‘ geißelt.

Der Steuerzahler ist die Instanz, die gebieterisch danach verlangt, dass das Ausgabenprogramm mit einer gesetzlichen Schuldenbremse versehen werden muss. Er ist es schließlich auch, der beim Retten der Konjunktur zu seinem Recht kommen muss, so oder so. Entweder als Leistungsträger, der entlastet gehört oder als Finanzier des Staates, dessen Geld nicht für unsinnige Projekte zum Fenster heraus geworfen werden darf. Selbst der Bundespräsident mahnt von höchster Stelle, die Politik möge beim Krisenbewältigen nie vergessen, vor wem sie sich zu rechtfertigen habe. Durch das Konjunkturprogramm, so erzählt er BamS müssten, „vor allem alle motiviert werden, die sich an die Gesetze halten und ihre Steuern zahlen.“

Wozu die gesetzestreuen Steuerzahler durch das Konjunkturprogramm motiviert werden sollen, lässt der Bundespräsident – nicht ohne Grund – offen. Zum Steuerzahlen jedenfalls sicherlich nicht. Mit Motivation hat das gleich gar nichts zu tun, denn dabei handelt es sich schließlich nicht um eine Veranstaltung, bei der die Staatsgewalt irgendetwas vom guten Willen ihrer Bürger abhängig machen würde. Beim Steuerzahlen handelt es sich um eine staatliche Zwangsveranstaltung. Von jedem, der ein Einkommen bezieht oder über Vermögen verfügt, sei es nun groß oder klein, zieht die politische Gewalt hoheitlich und ohne um Erlaubnis zu bitten, ein Teil des Geldeigentums ein. Der Staat fragt beim Kassieren nicht nach, ob der Steuerpflichtige sich die Zwangsabgabe leisten kann oder will; bei der Festlegung der Steuersätze hat der Steuerbürger nichts mitzureden. Zuständigkeit und Freiheit beim Kassieren liegen ganz bei der politischen Gewalt, die ihre Finanzgesetze nach eigenen Berechnungen gestaltet.

Für die staatlichen Ausgaben gilt dasselbe. Mit den Zwangsabgaben finanziert die politische Gewalt genau die staatlichen Leistungen, auf die sich die Parlamentsmehrheit mit dem Finanzminister verständigt. So gesehen ist der Steuerzahler nach beiden Seiten hin eine ziemlich trostlose politische Figur. Für die allermeisten Steuerzahler gilt, dass sie es im Ernst gar nicht sind, die irgendetwas zahlen. Sie sind der Finanzhoheit des Staates unterworfen und zur Zahlung verpflichtet, ob es ihnen nun passt oder nicht. Ebenso wenig haben sie damit was zu schaffen, was der Staat mit dem vielen Geld macht, was er einkassiert hat. Ist es erst mal in seiner Kasse, dann ist es eben nicht mehr das Geld der Steuerzahler sondern unterliegt seiner freien Verfügungsmacht.

Der Staat macht mit seiner Zwangsgewalt jeden Bürger zum Steuerzahler – das ist die banale Wahrheit der Sache. Leute allerdings, die mit ihrem Status als Steuerzahler auftrumpfen, wollen die Sache so negativ nicht sehen. Klar, meckern tut jeder über die Steuern; aber dieses Gemecker ist nur die Begleitmusik zu einer positiven Einstellung des steuerpflichtigen Bürgers zu seiner Staatsgewalt. Er legt sich dieses Verhältnis so zurecht, dass er mit der Erfüllung seiner Steuerpflicht eine Leistung für das Gemeinwesen erbringt, die Anerkennung verdient. Dadurch dass er ein Stück des eigenen, sauer verdienten Eigentums abtritt, wird er ganz gleichberechtigt mit allen anderen armen wie reichen Steuerbürgern zum Finanzier des ganzen Ladens. Er kann sich einbilden, dass von ihm in materieller Hinsicht letztlich alles abhängt. In Wahrheit ordnet sich der Steuerbürger nur unter, er fügt sich in die ihm zudiktierte Rolle als staatliche Geldquelle. Aber gerade darin und dafür will er von seiner Obrigkeit gewürdigt werden. Für seine Unzufriedenheit denkt sich der Steuerzahler einen eigenen Rechtstitel aus: Wenn er schon mit einem Teil seines Eigentums für die Staatsfinanzen aufkommt, dann hat er auch das Recht auf eine staatliche Gegenleistung. Gerade da, wo im Unterschied zum privaten Verkehr zwischen Käufern und Verkäufern, von einem Tauschverhältnis weit und breit nichts zu sehen ist, wo die Frage, wer wieviel zahlt und die Frage, wem die Staatsausgaben zugute kommen nichts miteinander zu tun haben, weil der Staat eine Verknüpfung ausdrücklich ausschließt (sog. Non-Affektationsprinzip, gemäß § 8 Bundeshaushaltsordnung), da hält sich hartnäckig die Vorstellung von Leistung und Gegenleistung.

Was leistet diese Vorstellung? Wenn Lohnempfänger – Ärzte, Lehrer, Unternehmer usw. – von ihren gesellschaftlichen Unterschieden und Gegensätzen nichts wissen wollen sondern sich nur in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler zu Wort melden, haben sie ihr schnödes Eigeninteresse hinter sich gelassen. Darüber wird woanders entschieden. Hier wollen sie als gleichberechtigte Beitragsleister gewürdigt werden, die nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten wie alle anderen ihren Teil zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Als Steuerzahler – so die Einbildung – gilt jeder etwas. Da ist jede noch so trostlose Tätigkeit, mit der man an das Geld für die eigenen Lebensnotwendigkeiten rankommt, zum Dienst an Großen und Ganzen verfremdet. Das Zwangsregime staatlicher Steuer- und Ausgabenpolitik, mit dem die Gegensätze der Konkurrenz ins Werk gesetzt werden, erscheint dann in einem durch und durch positiven Licht, als ein von den Steuerzahlern finanziertes Gemeinschafts¬werk, und der Staat, der das ganze verordnet, ist dann nur noch ausführendes Organ dieses Gemeinschaftswerkes, und die Finanziers passen auf, ob er das ordentlich macht.

Das ist sie schließlich, die besagte Gegenleistung, die der Steuerzahler der Staatsgewalt abverlangt. Der Staat hat zu beweisen, dass er seiner Pflicht zu einer allgemeinwohldienlichen Finanz- und Haushaltspolitik nachkommt, also die materielle Unterstützung auch verdient, die der Steuerzahler ihm zukommen lässt. Gemeinwohldienliche Haushaltspolitik, das ist eine, die sich am schwer verdienten Geld ihrer Bürger nicht in ungerechter Weise vergreift, die nicht mehr wegnimmt als unbedingt nötig und die mit diesem Geld nicht ‚verantwortungslos‘ umgeht.
An diesen Maßstäben gemessen hat der Steuerzahler immerzu Grund zur Unzufriedenheit. Nie passen seine Zahlungspflichten dazu, was er sich vorstellt, was ihm eigentlich vom Staat zustünde. Wie auch, darum geht es in diesem Verhältnis eben auch nicht. Der Steuerzahler beliebt dies anders zu anders. Mit der Forderung nach Steuergerechtigkeit anerkennt er den staatlichen Geldbedarf, will aber anmelden, dass da wohl andere, besserverdienende oder weniger dienstbereite Figuren, da eher in die Pflicht zu nehmen wären. Und die Kritik an zu hohen Ausgaben entdeckt immerzu falsche Nutznießer: Sozialschädlinge und Schmarotzer am großen Ganzen, denen zu unrecht Geld zufließt. Auf der anderen Seite bliebe für Leistungen für den braven Bürger immer zu wenig übrig. So hält der Steuerzahler gnadenlos fest an der eingebildeten Gleichung, derzufolge seine Zahlungen ihm ein Recht auf eine Finanzpolitik nach seinen Vorstellungen gibt. Er wird gehässig gegen jeden, bei dem er unverdiente Bereicherung an seinem Geld wittert und kritisch gegen den Staat, der sich immerzu an den ihm – so die Einbildung – aufgetragenen Maßstäben versündigt.

Gegen diese Art Kritik haben Politiker nur nicht nichts, sie versorgen sie vielmehr selbst immerzu mit Munition. Politiker haben eben ein sicheres Gespür dafür, welche Kritik sie ablehnen müssen und welche sie für ihr Geschäft ausnützen können. Die Kritik vom Standpunkt des Steuerzahlers gehört allemal zur letzteren Sorte. Da werden Leute von einem Standpunkt aus rabiat, der alles, was die Staatsgewalt so veranstaltet, ganz prinzipiell gutheißt, auch dessen Finanzierungsmethoden prinzipiell billigt, und sich nur der Frage geistig widmet, inwieweit man dabei selbst als wichtiger materieller Träger dieses schönen Gemeinwesens nicht zu schlecht wegkommt. Diesen Standpunkt bedient die Politik gerne, nämlich so, dass sie ihn selbst immerzu im Munde führt, um ihm recht zu geben. Alles, was sie sowieso tun und vorhaben, begründen und rechtfertigen Politiker damit, dass sie dabei auf keinen Fall das Geld des Steuerzahlers missbrauchen wollen und werden. Und sie verlassen sich darauf, dass die Sache, die sie da vorhaben, dann auch gleich mit in Ordnung geht. Sich selbst stilisieren sie zu den obersten Repräsentanten der Gesichtspunkte von Gerechtigkeit und Sparsamkeit, die immerzu darum ringen, diesen Prinzipien auch unter widrigsten Umständen, sogar noch in der Krise, Geltung zu verschaffen.

Und wenn es sein muss, verdient sich die Politik das Vertrauen der Steuerzahler sogar mit echten materiellen Leistungen. Damit ohne Zweifel klar wird, dass die Milliarden für die Banken unter allen Gerechtigkeits- und Verantwortungsgesichtspunkten in Ordnung gehen, müssen Banker sich auf Geheiß der Staatsgewalt eine Kürzung ihrer Jahresgehälter auf trostlose 500.000 Euro gefallen lassen. Soviel Rücksicht auf das Gerechtigkeitsgefühl im Volk muss sein…

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