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Suitbert Cechura: Hauptsache kostengünstig

Von • Mrz 19th, 2023 • Kategorie: Allgemein

Suitbert Cechura: Hauptsache kostengünstig

Die »Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung« hat ihre vierte Stellungnahme zur Reform der Notfall- und Akutversorgung vorgelegt.

Kaum hatte die »Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung« ihre vierte Stellungnahme zur Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland vorgelegt, trat auch schon Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an die Öffentlichkeit, um sein nächstes Reformvorhaben anzukündigen. Den Anlass für den Reformeifer verkündete der Minister in Form einer Patientenschelte: »Heute ist es so, dass bis zur Hälfte derjenigen, die die Notaufnahme aufsuchen, selber angeben, dass sie kein richtiger Notfall sind«, so Lauterbach laut Süddeutscher Zeitung (SZ, 13.2.23). »Viele Patientinnen und Patienten könnten etwa durch die Bereitschaftsdienste der niedergelassenen Ärzte versorgt werden.«

Unterschiede verwischen

Mehr Hilfesuchende

Gesundheitsversorgung als Last

Patienten kategorisieren

Nichts geht ohne Sanktionen

Ohne ein Sanktionssystem, das alle Betroffenen auf die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen drängt, kommt ein solches System, das ganz dem Wohl der Patienten verpflichtet sein soll, nicht aus: »Für jeden Tag, an dem die KV eine Notdienstpraxis nicht zu den vereinbarten Zeiten betreibt oder die Notfallpraxis nicht oder nur unzureichend besetzt ist oder sie anderweitig die Qualitätsstandards nicht erfüllt oder der Notfallpraxis zugewiesene Patientinnen und Patienten nicht versorgt, ist eine Ausgleichszahlung der KV zu leisten. Der Ausgleichsbetrag muss deutlich höher liegen als die durch die Nichterfüllung eingesparten Kosten. Für jede Stunde, in der eine Notaufnahme die Facharzterreichbarkeit (…) nicht erfüllt oder sich von der Annahme von Hilfesuchenden abmeldet (…), ist eine Ausgleichszahlung des Krankenhauses zu leisten.«

Sollte der Gesetzgeber dem Rat der Regierungskommissare folgen und die von ihnen erarbeiteten Vorschläge in Gesetzesform gießen, können die Patienten sicher sein, dass sie zwar nicht unbedingt schneller medizinische Hilfe erhalten, aber immer mit größtmöglicher Sicherheit kostengünstig durch das Notfall- und Akutversorgungssystem geführt werden.

https://www.jungewelt.de/artikel/446223.gesundheitssystem-hauptsache-kostengnstig.html

One Response »

  1. erfassen, was los is (statt dichten) :
    https://overton-magazin.de/buchempfehlungen/ueber-die-herrschenden-verhaeltnisse-im-gesundheitswesen/#comments

    Solch unkundige, gedankenärmliche und folglich begriffslose Lobhudelei des ollen Kalle, die darob, ohne es zu wollen, in einem Diskurs landet, die viel mehr mit nationalsozialistischer Liebe zum Volk, als mit Kapitalismuskritik zu tun hat, geht mir auf den Keks.

    Als Erstes fehlt da der Begriff des individuellen Leibes.
    Denn diese Wahrheit hat die nazistische Ideologie des „Volkskörpers“ für sich, daß ein Individuum zu einem Gattungsleben bestimmt ist, folglich ein Gattungsleib ist und also das individuelle „Eigentum“ der Leiblichkeit dessen gesellschaftliche Daseinsweise ist.
    Das Privateigentum der Leiblichkeit, von bürgerlichen Ideologen seit dem späten 17. Jhd. als „natürliches Eigentum“ behandelt – in Opposition zum Gotteseigentum, daher klerikaler Machtressource – ist alles andere, als „natürlich“. Der privateigentümliche Leib ist vielmehr die Ressource abstrakter Arbeit, die bürgerliche Individuen Privateigentümern eines gesellschaftlichen Arbeitsvermögens (aka „Produktionsmittel“ in Gestalt der privateigentümlichen Daseinsweise von „Produktivkräften“) unter militärischem und paramilitärischen Zwang in Gestalt eines Surplusproduktes auszuhändigen haben, genannt Ausbeutung.

    Ich kann die Sach von diesem Ausgangspunkt her hier selbstredend nicht in Gestalt einer Ableitung fortentwickeln, aber es sollte nicht gar so schwierig zu verstehen sein, daß Entfaltung und Verstetigung kapitalistischer Ausbeutung notwendig in eine Verstaatlichung der Leiber mündet, die gewöhnlich „Gesundheitswesen“ genannt wird.
    Die unter dem Titel „Sozial(staats)system“ gerühmte, seit etwa 130 Jahren gewohnte Gestalt dieser Verstaatlichung ist Verstaatlichung von Lohnanteilen zwecks Schaffung und Finanzierung einer
    Apparatur von Dienstleistern an einem Trumm namens Volksgesundheit, das zur individuellen Vernutzung seitens der leiblichen Privateigentümer vorgesehen ist.

    Das ist überhaupt nie etwas anderes gewesen, als ein „System“ der Herrschaft des Privateigentums über die Privateigentümer!
    Und dessen allgemeiner Zweck ist dann auch nicht schwer zu sehen: Es handelt sich um eine Sozialisierung der Kosten und Lasten der Unverträglichkeit von Ausbeutung und leiblicher Gesundheit der Ausgebeuteten zugunsten des Kapitaleigentums.

    Was hat sich mit der sogenannten „Globalisisierung“ und deren „neoliberaler“ Bewirtschaftung geändert?
    Offenkundig die Kosten-Nutzen – Rechnung. Grundsätzlich ist in Europa die Verstaatlichung des Volksleibes in der Gestalt der Verstaatlichung zweckgebundener Lohnbestandteile gültig geblieben, doch dem Nutzenkalkül ist ein Zweck hinzugefügt worden. Die „Gesundheitskosten“ soll jetzt auch die Rendite einer Gesundheitsindustrie liefern. Warum?

    Knapp hingesagt, weil der Reichtum der imperialistischer Gesellschaft, von dem See/Hontschik so emphatisch sprechen, im Unterschied zu den altvorderen kapitalistischen Staats- und Volkswesen, eine neue Basis hat. Das Geld in der imperialistischen „Gesellschaft des Geldes“ (Marx) ist nur noch einerseits Kreditmacht einer nationalen Ausbeutung der Arbeitskraft, es ist ein auf die transnationale Ausbeutung gezogener Kredit und hat sich an dessen Maß zu bewähren, den Weltgeldern. Ist das einmal durchgesetzt, ist „Gesundheit“ grundsätzlich eine überteuerte Last, ungeachtet nationaler Kosten-Nutzen-Kalküle, es sei denn, sie „finanziert“ eine konkurrenzfähige nationale Gesundheitsindustrie!

    Es zeigt sich daran, daß ich in wohlbestimmtem Umfang metaphorisch gesprochen hatte, als ich bereits die zweckgebundene Lohnverstaatlichung eine „Verstaatlichung der Leiber“ nannte – zu diesem Begriff kommt die staatlich alimentierte Gesundheitsindustrie erst in ihren imperialistischen Gestaltungen, welche die privateigentümlichen Leiber von einem Hilfsstoff der Ausbeutung zum industriellen Rohstoff aufwerten.