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Georg Schuster: Queere Praxis

Von • Sep 6th, 2021 • Kategorie: Allgemein

Georg Schuster: Queere Praxis

Von Wokeness und Cancel Culture. Was die LGBT- und andere Identitäten bewegt (Teil 3 und Schluss)

 

Unter der Rubrik „struktureller Rassismus“ setzt sich die queere Theoriebildung fort. Der soll einerseits „grundlegendes Machtinstrument in allen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Belangen“ sein (Mwayemudza Ndindah).

 

Als solches erkläre er nicht nur „vielfältige behördliche Diskriminierungen“, sondern auch so disparate Phänomene wie die „neokoloniale und asymmetrische Wirtschafts- und Entwicklungshilfepolitik“ „Waffenexporte“ „eine toxische Klimapolitik und weltweite Müllexporte“, die „tödliche Migrationsabwehr“ sowie „hegemonialpolitisch motivierte, kriegerische Interventionen weltweit“.

 

Eine Theoretikerin der White Supremacy (Emilia Roig, s.o.) ergänzt, dieselbe „baut auf Vernichtung, Unterdrückung und Genozid auf.“

Andererseits kennt der „strukturelle Rassismus“ als Universalerklärung für die Übel der Welt gar keine Absichten und Akteure, denen man das Handwerk legen müsste.

 

Seine „Unbewusstheit“ ist ja bekannt, und „die Frage, ob ich diskriminiere, hat nichts mit Absicht zu tun“ (Blog, s.o.). Das alles ist eben „strukturell“ bedingt.

 

Moralischer Imperativ

 

Rigorismus

 

Nicht, dass man jeder umgeschmissenen Statue nachtrauern müsste.

Bloß ist die Regenbogen-Variante von Cancel Culture der Endpunkt eines moralischen Empowerments, das in der bürgerlichen Sittlichkeit seinen Anfang hat.

 

 

https://www.heise.de/tp/features/Queere-Praxis-6182232.html?seite=all

2 Responses »

  1. Anreiz zur Abwechslung den erhellenden Artikel von Schuster über Identitätspolitik und Politische Korrektheit (vielleicht nochmals zur Auffrischung) zu lesen, gibt der aktuelle nationale Aufreger:

    „Die weiße Sängerin Ronja Maltzahn sollte bei einer Demo von Fridays for Future auftreten. Doch weil sie Dreadlocks trägt, wurde sie von der Klimaschutzorganisation wieder ausgeladen.“
    Die Absage der FFF (Fridays for Future)-Bewegten postete die Musikerin auf den Sozialen Medien: „Wenn eine weiße Person also Dreadlocks trägt, dann handelt es sich um kulturelle Aneignung, da wir als weiße Menschen uns aufgrund unserer Privilegien nicht mit der Geschichte oder dem kollektiven Trauma der Unterdrückung auseinandersetzen müssen“.
    Maltzahn kommentiert selbst zur Absage: „Wir hatten uns darauf gefreut ein Zeichen für Frieden und gegen Diskriminierung mit unserer Musik setzen zu dürfen. Schade dass wir aufgrund von äußerlichen Merkmalen davon ausgeschlossen werden.“

    Zitate aus: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/fridays-for-future-laedt-musikerin-ronja-maltzahn-wegen-dreadlocks-von-demo-aus-a-631b6b83-9778-4a04-aa62-e3b85e713520 (aufgerufen am 25.03.22)

    Auffällig ist, dass es den FFFs als woke Kids gar nicht um Aufklärung geht – denn dafür würden sie laut Selbstoffenbarung bei der Musikerin offene Türen einrennen, da sie doch selbst mit ihrer Musik „ein Zeichen … gegen Diskriminierung … setzen“ will. Dem entgegengesetzt begeben sich die Politisch Korrekten FFF-Bewegten unumwunden auf das Schlachtfeld der reinen moralischen Respektsbekundung (!) für diskriminierte Minderheiten, das nicht einmal wenigstens der Aufklärung über Diskriminierung und noch weniger der tatsächlichen Bekämpfung von Benachteiligungen dient. Denn ob eine weiße Künstlerin mit oder ohne Dreadlocks tiefsinnige Liederchen aufführt, erzeugt bei dieser oder ihrer Hörerschaft weder mehr noch weniger Einsicht in diskriminierende Zustände. Erst recht aber greift man mit diesem moralischen Selbstbewusstsein nicht die privateigentümliche Macht der Reichen an, die auch hierzulande immer mal wieder Arbeitsplätze oder Wohnungen ihren Vorurteilen gemäß ungerecht vergeben und damit praktisch (!) die entsprechenden Nachteile in den elementaren, materiellen Lebensverhältnissen (!) für Minderheiten erzeugen. Mit ihrer Cancel Culture haben die FFF-Sittenwächter im Gegenteil bloß den üblichen Ausgrenzungen und Aussortierungen unserem ziemlich gleichberechtigten freien Wettbewerb ums Geld noch eine weitere Ausgrenzung hinzugefügt. Die Moral siegt – und unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft wird mit dieser neuen Gemeinheit wieder noch ein bisschen unausstehlicher…

  2. Zum Bielecki-Skandal, der den „Klassismus“ gerade zum Thema macht (Huisken nennt es den „Rassismus des Klassengegensatzes“, Ausführlicheres s. „Der demokratische Schoß ist fruchtbar…“, S. 181 ff.):

    In der Öffentlichkeit, besonders auf Social Media-Plattformen wird gerade hitzig über ein Fauxpas des Party-Youtubers Ron Bielecki diskutiert. Er hat sich in einem Live-Stream auf einem Rammstein-Konzert mit jemandem gestritten und ihn als „Geringverdiener“ beleidigt.

    Im akademischen, linken Milieu bezeichnet man solche Vorstellungen als „Klassismus“, womit insbesondere die Diskriminierung der Unterschicht gemeint ist. Es ist jedoch ein Fehler bloß die Abwertung und übermäßige Schlechterbehandlung von Armen zu kritisieren – wie das die Öffentlichkeit gerade tut –, während man die Einkommensunterschiede als selbstverständliche Bedingung voraussetzt. Diese Art Anti-Diskriminierung beschwert sich gar nicht über den Grund der abwertenden Vorstellungen, sondern verlangt nur eine respektvolle Gleichbehandlung der verschiedenen Schichten und Klassen in den eigentlich gerechten Verhältnissen. Das Fundament dieser Wirtschaft, die grundsätzliche Diskriminierung aller Bürger, dass nämlich die Leute nach Einkommen in Arm und Reich, in Besitzer von Betriebsmitteln und lohnabhängige Arbeitskräfte sortiert sind, wird mit solchen Gerechtigkeitsvorstellungen nicht angegriffen.

    Es soll darum auch nicht verwundern, dass so manches Konkurrenzsubjekt den eigenen Erfolg beim Geldverdienen auf seine Anstrengungen und Fähigkeiten zurückführt, vielleicht sogar auf seine natürliche Begabung. Und da noch jeder moderne Bürger gelernt hat, dass man ohne „Selbstwert“ nichts zustande bringt, bezieht so mancher den materiellen Erfolg im Kampf um Einkommen darüber hinaus auf den psychologischen Wert seiner eigenen Person. So gibt es dann die üblichen Angeber, die mit ihrem Besitz prahlen und sich über Normalverdiener erhaben wähnen wie der besagte Youtuber Bielecki. Daneben laufen – was noch schlimmer ist – auch viele Verlierer des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs mit einem „Minderwertigkeitskomplex“ und Depressionen herum, weil sie sich dafür schämen aufgrund des finanziellen Misserfolgs als persönliche Versager dazustehen. Anstatt sich einmal Klarheit darüber zu verschaffen, warum es ausgerechnet in einer hochentwickelten Ökonomie mit materiellem Überfluss lauter Arme gibt und nicht die Bedürfnisse der Leute Maßstab einer wirtschaftlichen Versorgung sind; warum man sich in eine schädliche Konkurrenz um Einkommen mit anderen begeben soll, wobei immer Gewinner und Verlierer herauskommen; warum man als besitzlose Gestalt immerzu seine Arbeitskraft für den Gewinn von Unternehmen hergeben muss und der eigene Lebensunterhalt von deren Kalkulationen abhängig sein soll usw.

    Die tolerante Gegenposition in der Demokratie: „Materialismus und Geld ist nicht der Wert eines Menschen“ (Pietro Lombardi) greift dagegen eben nur eine besondere Benachteiligung und Diskreditierung der subalternen Klasse an. Umgekehrt scheint so dann doch alles in Ordnung zu sein, wenn die Reichen den Hut vor den Armen ziehen, die die Arbeit machen müssen und nichts davon haben – außer dem Recht nicht darüber hinaus benachteiligt zu werden. Sich als erwerbstätiger Normalbürger meistens wenig und wenn, dann nur die minderwertige Ware leisten zu können, weil man kaum Geld hat, gilt den Toleranz-Vertretern wiederum als eine gerechte, unhinterfragte Benachteiligung im Rahmen der gegebenen Eigentumsverhältnisse. Der Influencer Lombardi weist in seinem Statement weiter darauf hin, dass doch auch Bieleckis Eltern wie die meisten anderen hart gearbeitet haben, um die Kinder über die Runden zu bringen. Die bürgerliche Öffentlichkeit scheint hier einig zu sein, die gelackmeierten Proletarier sollen auch noch stolz auf ihre Aufopferung sein, es soll denen Respekt gezollt werden, die sich ihre schlechten Lebensumstände gefallen lassen.
    Nur noch sehen zu wollen, dass alle den gleichen Respekt verdienen sollten und als Menschen gleich wertvoll sind – damit akzeptiert man gerade die unterschiedlichen Sorten von Erwerbsquellen und den schädlichen Wettbewerb um das Geld als selbstverständliche Lebensvoraussetzung. Und solange solche Verhältnisse vorhanden sind, ist auch kaum absehbar, dass „klassistische“ Vorstellungen und Ausartungen zur Rechtfertigung der Einkommenshierarchie verschwinden würden. Da haben die Freunde der Toleranz noch einiges an Sisyphusarbeit zu leisten.

    Es ist nicht ganz wahr, dass die Bürger meinen, mit ausreichend Toleranz wäre schon wieder alles in Ordnung. Der Youtuber Rezo z.B. äußert in einem Video zum Bielecki-Skandal, man sollte als reicher Mensch nicht mit seinem Reichtum prahlen, weil wir nicht in einer wirklichen Leistungsgesellschaft leben würden, sondern Glück eine große Rolle beim Geldverdienen spielt. Das Vermögen eines Menschen würde gar nicht immer adäquat seine Leistung und Anstrengung widerspiegeln – man denke nur an Millionärserben oder hart arbeitende Geringverdiener. Ein bisschen mehr Gerechtigkeit sollte schon sein, aber dann geht auch wieder für den gesunden Menschenverstand die kapitalistische Scheidung von Arm und Reich letztlich in Ordnung…