Buchbesprechung von „Der soziale Staat“ in der jungen Welt
Von webmaster • Mai 27th, 2019 • Kategorie: AllgemeinBuchbesprechung in der jungen Welt
Betreute Armut: Falsches Lob, falscher Tadel Bilanz und Kritik der Sozialpolitik: »Der soziale Staat« von Renate Dillmann und Arian Schiffer-Nasserie Von Arvid Schilde
Im bürgerlichen Sozialstaatsdiskurs gelten die unangenehmsten Härten des Kapitalismus seit der Etablierung der »sozialen Marktwirtschaft« als überwunden. Die »umfassende Sozialpolitik«, kann man manchmal lesen, mache aus der Bundesrepublik ein Schlaraffenland, in dem der »Leistungswille« geradezu erstickt werde. Kritiker wie Christoph Butterwegge und Ulrich Schneider verweisen dagegen auf steigende Armutszahlen und werfen den Regierungen der letzten Jahrzehnte fehlende soziale Verantwortung und falsche Weichenstellungen vor. […]
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Fazit: Umfassende Darstellung der deutschen Sozialpolitik in ihren Ursachen, Maßnahmen und ihrer Geschichte; gut recherchiert, die einzelnen Kapitel für sich lesbar, verständlich und flüssig geschrieben. Ein wichtiges Buch, auch wenn (oder weil) es in vieler Hinsicht desillusioniert.
Renate Dillmann, Arian Schiffer-Nasserie: Der soziale Staat. Über nützliche Armut und ihre Verwaltung. Ökonomische Grundlagen, politische Maßnahmen, historische Etappen. VSA, Hamburg 2018, 304 Seiten, 19,80 Euro
Aus: junge Welt – Ausgabe vom 27.05.2019 / Seite 15 / Politisches Buch
https://www.jungewelt.de/artikel/355589.betreute-armut-falsches-lob-falscher-tadel.html
https://www.vsa-verlag.de/index.php?id=6576&tx_ttnews%5btt_news%5d=18104
[online]:
Aufzeichnung einer Veranstaltung am 18. Mai 2019 im Rahmen der Linken Buchtage Berlin.
Renate Dillmann und Arian Schiffer-Nasserie: Der soziale Staat.
Über nützliche Armut und ihre Verwaltung – Ökonomische Grundlagen, Politische Maßnahmen, Historische Etappen
Renate Dillmann und Arian Schiffer-Nasserie
– bestimmen die politökonomischen Ursachen, die zuverlässig und massenhaft immer neue Fälle sozialer Bedürftigkeit hervorbringen,
– erklären das sozial verstaatlichte Leben »von der Wiege bis zur Bahre«, d.h. vom Kindergeld bis zur Pflegeversicherung,
– und erläutern zentrale historische Etappen deutscher Sozialstaatlichkeit von der Armenfürsorge bis zur Agenda 2010.
Die Autor*innen halten Sozialpolitik nicht für eine unhinterfragbar gute Errungenschaft moderner Staatlichkeit, nur weil die »sozial Schwachen« in der »freien Marktwirtschaft« ohne sie kein Auskommen haben. Sie feiern den Sozialstaat nicht dafür, dass er der Garant für den »sozialen Frieden« und die »Nachhaltigkeit« der staatlich etablierten Konkurrenzgesellschaft ist. Weder verurteilen sie die sozialpolitischen Maßnahmen aus der Warte der Betroffenen und Sozialverbände als »unterfinanziert« und »unzureichend«, noch kritisieren sie die aktuelle Sozialpolitik vom Standpunkt der »Leistungs- und Verantwortungsträger« aus Wirtschaft und Politik als »überzogen« und »unbezahlbar«.
Dieses Buch ist kein Beitrag zu einer Sozialwissenschaft, die den ideologischen Dauerdiskurs empirisch mit immer neuen Daten unterfüttert oder moralisch mit Gerechtigkeitstheorien überhöht. Ihre Darstellung zielt auf eine grundsätzliche Kritik: Sozialpolitik in Deutschland ist ein Armutszeugnis über die materielle Lebenslage der Lohnabhängigen, ein notwendig umstrittenes Funktionserfordernis im entwickelten Kapitalismus und zugleich ein Quell für ebenso viele wie falsche Erwartungen an den sozialen Staat.
Lesung und Diskussion mit Renate Dillmann und Arian Schiffer-Nasserie.
https://linkebuchtage.de/events/event/renate-dillmann-und-arian-schiffer-nasserie-der-soziale-staat-ueber-nuetzliche-armut-und-ihre-verwaltung-oekonomische-grundlagen-politische-massnahmen-historische-etappen/
http://frrapo.de/Salatschatten/2019-05-27-Linke-Buchtage-Sozialstaat/Sozialer-Staat-Vortrag.mp3
https://www.vsa-verlag.de/nc/buecher/detail/artikel/der-soziale-staat/