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Theo Wentzke: Das unwürdige Mitglied

Von • Apr 6th, 2019 • Kategorie: Allgemein

 

Das unwürdige Mitglied

Der Beitritt zur EU bedeutete für Rumänien vor allem seine Inbesitznahme durch europäisches Kapital. Die so hergestellte Armut im Land lastet Brüssel derweil einer korrupten Regierung an

Von Theo Wentzke

 

Rumänien hat zu Beginn des Jahres turnusmäßig den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen, eine Ehre, die nach europaweitem Urteil dem Staat mit dem Makel der »politischen Dauerkrise« nicht zusteht. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker begrüßt die künftigen Vorsteher Europas mit einer ungewöhnlich undiplomatischen Misstrauenserklärung. Er glaube, hieß es am 29. Dezember 2018 bei N-TV, »dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen habe, ›was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen‹. Für ein umsichtiges Handeln brauche es auch ›die Bereitschaft, anderen zuzuhören, und den festen Willen, eigene Anliegen hintanzustellen‹. Da habe er mit Blick auf Rumänien ›einige Zweifel‹«. Die aufgeklärte Öffentlichkeit weiß schon, was mit Junckers »Zweifeln« gemeint ist: Die regierende Partei ist ein Hort der »Korruption«, ihr geht es nur um die Revision der einschlägigen Antikorruptionsgesetze und die Amnestierung ihres verurteilten Vorsitzenden. Womit hat sich die Regierung dieses Urteil verdient?

Rumänien bildet gemeinsam mit Bulgarien eine besondere Kategorie von EU-Mitgliedern: erst in der zweiten Runde der Osterweiterung zugelassen, aber gleichzeitig als wenig tauglich eingestuft und mit lauter Vorbehalten versehen. Die europäischen Führer haben auch nach der Aufnahme dieser Staaten in die EU den Standpunkt beibehalten, dass wegen »struktureller Defizite« besondere Kontrollmaßnahmen der EU nötig seien, und aus demselben Grund wird ihnen die Aufnahme ins Schengen-Abkommen immer wieder verweigert. Von der kontinuierlichen Anstrengung, die richtige Art Staat zu machen, ist die ganze Karriere der beiden Staaten in der EU bestimmt, wobei Brüssel den Erfolg verzeichnen kann, dass in Bulgarien vorwiegend willfährige Führungsfiguren die Macht ausüben, was den Staat in materieller Hinsicht allerdings auch nicht erfolgreicher gemacht hat. Im Unterschied dazu bestimmt in Rumänien im wesentlichen eine widerspenstige Partei die Politik, die sozialdemokratische PSD.

Um dieses unbequeme Mitglied auf den richtigen Weg zu bringen, haben die EU-Behörden ihre Methoden. Anhand der jährlichen Länderberichte, die in »länderspezifische Empfehlungen« einmünden, wird überprüft, ob das Land denen nachkommt. Die Zustände im Land werden dabei an einem Kriterienkatalog, den Maßstäben der EU-Verwaltung für ein gutfunktionierendes Staatswesen, gemessen und danach beurteilt, was alles »noch nicht« in Ordnung ist.

Kapitalismus der Armen

Ausverkauf des Bodens

Preiswerte Arbeitskraft

Arbeitsmigration

 

Theo Wentzke ist Redakteur der Zeitschrift Gegenstandpunkt. Mehr zum Thema Rumänien und der Kampfansage der EU gegen die Regierung in Bukarest ist im aktuellen Heft 1/2019 nachzulesen. Bestellung unter:

­de.gegenstandpunkt. com

 

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 04.04.2019 / Seite 12 / Thema

https://www.jungewelt.de/artikel/352358.rum%C3%A4nien-und-die-eu-das-unw%C3%BCrdige-mitglied.html

 

vgl:

Rumänien – das unwürdige EU-Mitglied (GS 1-19)

Ein Produkt der europäischen Inbesitznahme, von dem man im Prinzip nicht mehr zu wissen braucht, als dass dort die „Korruption“ herrscht Rumänien, das Schmuddelkind der EU, darf turnusmäßig den Vorsitz dieses Staatenvereins übernehmen. Seinen Ruf in diesem erlauchten Kreis bessert das überhaupt nicht, beflügelt im Gegenteil nur die Vorbehalte von dessen Machern. Wie gut oder schlecht dieser Ruf begründet ist, behandelt der Artikel.

 

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/rumaenien-unwuerdige-eu-mitglied

One Response »

  1. Theo Wentzke: Der grüne Biedermann

    Winfried Kretschmann: »Der anständigste Mensch, der je in Deutschland Regierungschef wurde«

    Von Theo Wentzke

    Herr Kretschmann ist ein katholischer, bodenständiger, schwäbischer Biedermann, eine zweibeinige Inkarnation der landestypischen Sittlichkeit, die seine Landsleute mit ihrem ebenso landestypischen Humor in brüderlicher Verachtung »Schwoba-Seggl« nennen. Weil Herr Kretschmann aber auch der Herr Ministerpräsident von Baden-Württemberg ist, ist bei ihm alles, was ihn zu einem typisch schwäbischen Ekel macht, etwas ganz Besonderes.

    Winfried Kretschmann kommt aus kleinen Verhältnissen, und das erzählt er einem im Unterschied zu den Leuten, die aus solchen Verhältnissen nie so recht herauskommen, ausgesprochen gerne. »Meine Eltern haben hier bei null angefangen. Sie sind aus Ostpreußen geflohen und haben am Fuße der Schwäbischen Alb ihre zweite Heimat gefunden: in Spaichingen, wo ich am 17. Mai 1948 geboren wurde. Unser Leben war damals nicht einfach.« (winfried-kretschmann.de) Der regierende Chef des Landes winkt mit seiner bescheidenen Herkunft, um so die vielen anderen, die sein Schicksal teilen, davon in Kenntnis zu setzen, dass er einer von ihnen sei. Da ist einer, der wie sie bei null angefangen hat, jetzt das politische Kommando über die Geschicke im Land, also über sie führt, aber nie vergessen hat, dass es »nicht einfach« ist, dieses Anfangsstadium hinter sich zu bringen. Die Nöte und Sorgen derer, die sich Zeit ihres Lebens daran versuchen, kennt er also nicht nur, sie sind bei ihm auch in den besten Händen, weil er sie so gut kennt. Er ist ihr geborener Anwalt – geboren, weil er aus demselben Milieu wie die vielen Nullnummern kommt, die mehr oder weniger solche geblieben sind, und ihr Anwalt, weil er an den Schalthebeln der Macht sitzt und sich auch dort gut daran erinnert, wie beschwerlich der Weg nach oben in seinem Fall war, also für alle anderen, über die er regiert, immer ist: So einfach geht die Metamorphose vom Regierungschef zum Landesvater, vom Machthaber zur guten Herrschaft, mit der das Volk in seiner Gestalt beschenkt wird.

    Sein gutes Werk

    Ein Gottesgeschenk

    Ein großartiger Chef

    Bodenständig, mit Leberkäswecken

    Theo Wentzke ist Redakteur der Zeitschrift Gegenstandpunkt. Das aktuelle Heft 2/2019 versammelt Beiträge unter anderen zu den Themen Bayer-Monsanto, Trumps Lateinamerika-Politik und zur Kritik der Geschichtswissenschaft.

    Bestellung unter: ­de.gegenstandpunkt. com

    Aus: junge Welt – Ausgabe vom 01.07.2019 / Seite 12 / Thema: Grüne

    https://www.jungewelt.de/artikel/357777.gr%C3%BCne-der-gr%C3%BCne-biedermann.html

    vgl:

    Winfried Kretschmann: „Der anständigste Mensch, der je in Deutschland Regierungschef wurde“ (GS 2-19)

    Herr Kretschmann ist ein katholischer, bodenständiger, schwäbischer Biedermann, eine zweibeinige Inkarnation der landestypischen Sittlichkeit, die seine Landsleute mit ihrem ebenso landestypischen Humor in brüderlicher Verachtung „Schwoba-Seggl“ nennen. Weil Herr Kretschmann aber auch der Herr Ministerpräsident ist, ist bei ihm alles, was ihn zu einem typisch schwäbischen Ekel macht, etwas ganz Besonderes.

    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/winfried-kretschmann