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Kritik an Ideologien, Aufklärung über populäre Irrtümer, Kommentare zum Zeitgeschehen

[online] 07.12.2009 | Bielefeld | Die Sache mit der Religion

Von • Dez 7th, 2009 • Kategorie: Veranstaltungen

Zeit: Montag, 07.12.2009, 19.00 Uhr
Ort: AJZ (Kino), Heeper Str. 132, Bielefeld
Veranstalter: AG Analyse und Kritik

Die Sache mit der Religion: Je härter die Zeiten, desto tiefer der Glaube

Referent: Freerk Huisken, Universität Bremen

Zwei Jahrhunderte nach einer historischen Episode namens ‚Aufklärung‘ steht die Geisteshaltung namens ‚Religion‘ nach wie vor hoch im Kurs. An ein ‚Jenseits‘ zu glauben, gilt mitten in der aller modernsten ‚Wissensgesellschaft‘ keineswegs als Schande. Dabei ist es wirklich nicht mehr so wie in den ganz alten Zeiten, als praktisch alle Welt davon ausging, dass Wetter und Krankheiten von himmlischen oder höllischen Geistern gemacht werden, dass hinter jedem größeren Stern ein Gott oder gleich über dem Sternenzelt ein ew’ger Vater wohnt, der die – deswegen so genannten – Geschicke der Menschen lenkt. Dass alles, was in der Natur passiert, Ursachen hat, die die Naturwissenschaft ganz ordentlich erklärt und die moderne Technik für menschliche Zwecke auszunutzen versteht, ist auch Leuten vertraut, die kein ‚Naturgesetz‘ hersagen könnten.

Dem religiösen Bewusstsein scheint das aber nicht allzu viel ausgemacht zu haben. Dessen Besitzer haben immer noch ein paar Sinn-Fragen in petto – meist solche nach dem Muster: ‚Warum nur‘?, ‚Warum gerade ich‘? – besonders wenn es mal wieder ganz dick kommt. Und vor allem haben sie die ganz große Frage auf Lager, die eigentlich keine ehrliche Frage ist, sondern das verkehrte, aber unverwüstliche Bedürfnis nach einer garantiert rundum zufrieden stellenden Antwort artikuliert: Wozu das alles? Für schlichtere Gemüter tut’s aber auch die Vorstellung, dass mit dem Tod unmöglich einfach Schluss sein kann – bei dem Leben, das einem bis dahin beschieden ist! -, sondern hinten nach irgendeine himmlische Kompensation wartet.

Harte Zeiten, das steht damit fest, sprechen seit jeher für den Glauben. Wo die Armut wächst, die die Menschen ihren wahren und eigentlichen Bedarf an geistlichem Zuspruch wieder spüren lässt; wo in den wohlhabenden Weltgegenden mit ihrer Massenarbeitslosigkeit eine Verwahrlosung ins Haus steht, die auch der weltlichen Gewalt den Nutzen, ja die Unentbehrlichkeit der seelsorgerischen und karitativen Volksbetreuung durch die Kirche unzweideutig klar macht; wo es so kommt, da stehen die diversen Kirchen mit klaren Richtlinien bereit. Da kann der Glaube wieder zeigen, was er in Sachen Volksbetörung, -tröstung, -verblödung und -befriedung vermag. Da wird geseelsorgt, dass es dem Allerhöchsten eine Freud‘ ist und den irdischen Herren ein Wohlgefallen.

 

Update:

Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und steht bei ArguDiss zum Download bereit.

Gliederung:

Teil 1. Die Bedingungen staatlich garantierter Religionsfreiheit
Teil 2. Die Sache mit dem Glauben: Der Gegensatz zwischen „glauben“ und dem Glauben
Teil 3. Die – entschiedene – Konkurrenz zwischen Staat und Kirche um die Köpfe der Menschen
Teil 4. Von der Sinnfrage zum Glauben – Psychologisierte Moral als neue Konkurrenz im Streit um die funktionale geistige Bewältigung von „Schicksalsschlägen“
Teile 5, 6, 7. Diskussion

https://www.argudiss.de/sache-mit-religion-je-haerter-zeiten-desto-tiefer-glaube

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