Suitbert Cechura: Der Feind im Innern – die Armen, die „wir“ uns nicht bestellt haben!
Von webmaster • Okt. 1st, 2025 • Kategorie: AllgemeinSuitbert Cechura: Der Feind im Innern – die Armen, die „wir“ uns nicht bestellt haben!
Der Sozialstaat ist nicht mehr finanzierbar. Aber die Bürgerschaft kann sich beruhigen: Die Einschränkungen treffen nur die Unanständigen.
Die Unzufriedenheit mit der Regierung ist im Lande weit verbreitet und daher ist es für die Regierenden umso wichtiger, den Grund für die unbefriedigenden Lebensverhältnisse weg von den Machern und hin auf diverse Problemgruppen zu schieben.
So soll das Übel bei der Rente aufs Konto der Alten gehen, die sich ein schönes Leben auf Kosten der Jungen machen – die Mär vom „Generationenvertrag“ leistet da ihre guten Dienste. Die Kranken lassen es sich im Krankenhaus gut gehen und so steigen die Krankenkassenbeiträge – statt dass „Patientensouveränität“ mit viel Eigenverantwortung um sich greift. Andere machen sich in der Arbeitslosigkeit einen Lenz und plündern die Sozialkassen – und nirgendwo wird mehr in die Hände gespuckt, um das Bruttosozialprodukt zu steigern.
Wenn der Kanzler den Sozialstaat für unbezahlbar erklärt und den Kahlschlag beim Bürgergeld ankündigt, spielt die zuständige SPD-Ministerin die Opposition in der Regierung und erklärt das Ganze für „Bullshit“. Was nicht heißt, dass sie sich damit gegen die Sparankündigungen des Kanzlers (und seines SPD-Finanzministers) stellt. Schließlich teilt sie das Anliegen der Einsparungen, will nur das Übel der hohen Sozialaufwendungen und seine Ursachen anderweitig ausgemacht haben: Sie sieht kriminelle Banden am Werk, die den Sozialstaat ausnutzen.
Kaum haben sich die Politiker geäußert, wie sie die angekündigten Reformen verstehen, greifen die Journalisten von Bild am Sonntag (21.9.25) die Parolen auf und setzen den politischen Imperativ ins Bild. Vermüllte Hauseingänge und Straßen sollen dem Leser deutlich machen, dass es hier um den Kampf gegen Menschen geht, die sich nicht benehmen können, den Sozialstaat ausnutzen und einfach nicht in unsere schöne Republik gehören. So weiß das Blatt die Moral des anständigen Bürgers für die Anliegen der Politik zu mobilisieren.
Dabei wird einiges vermischt, was nicht unbedingt zusammen passt, sondern erst passend gemacht werden muss; aber so geht eben Journalismus – nicht nur – aus dem Hause Springer.
Viele Ausländer = viele Probleme
Inanspruchnahme staatlicher Leistungen = Missbrauch
Auch das noch: Rechtsberatung ohne Anwaltszulassung
Wenn Täter zu Opfern werden
Mit ihrer Kriegs- und Aufrüstungspolitik haben die Politiker ihren Bürgern Preissteigerungen bei sinkenden Löhnen beschert. Die eingetretenen Notlagen werden ja auch gar nicht verschwiegen: So beläuft sich die Inflation bei Lebensmitteln seit der Vor-Corona-Zeit auf 37 Prozent (SZ, 26.9.25). Und da überbieten sich die regierenden Politiker jetzt darin, dem Fußvolk des Standorts weitere Einschränkungen bei den sozialen Leistungen anzukündigen. Ursache dafür soll ein genereller Sparzwang bzw. die Überforderung des Sozialstaats sein und nicht die politische Prioritätensetzung mit dem Ziel, Deutschland zu einer führenden Militärmacht in Europa zu machen.
Die Milliarden-Ausgaben für Rüstung kann der Haushalt verkraften, aber der Missbrauch von Sozialleistungen durch EU-Arbeitsmigranten bringt ihn in die Klemme.
Mit dieser Hetze gegen Ausländer hoffen die regierenden Parteien, den Wahlerfolgen der AfD begegnen zu können, indem sie die Rechten in Sachen Ausländerhetze zu überbieten versuchen, allen voran die Vertreter der SPD im Namen des braven & anständigen kleinen Arbeitsmannes.(SZ, 25.9.250)
Dabei wird die Welt auf den Kopf gestellt: Dass sich viele Migranten aus den neu aufgenommenen EU-Ländern hier einfinden, soll nicht das Ergebnis der EU-Großmachtpolitik in Richtung Osten sein. „Wir“ sind vielmehr Opfer einer Überflutung von kriminellen Elementen, derer sich die Politik mit gesetzlichen Regelungen endlich erwehren muss.
Damit wollen die Politiker unterstreichen, wie sehr sie sich in den Dienst Ihrer dienstbereiten Bürger stellen, deren Anstand und Leistung sie zu würdigen wissen. Kürzungen und Einschränkungen müssen aber sein, um die Unanständigen zu bestrafen.
Als Verarschung fasst das offenbar keiner auf, sonst müsste es gegen diese Sorte Politik und ihre mediale Begleitung einen ganz anderen Protest geben, als das Kreuzchen mal bei einer anderen (eventuell einer Protest-)Partei zu machen.
https://overton-magazin.de/top-story/der-feind-im-innern-die-armen-die-wir-uns-nicht-bestellt-haben/
