contradictio.de

Kritik an Ideologien, Aufklärung über populäre Irrtümer, Kommentare zum Zeitgeschehen

Theo Wentzke: Abweichler im Weltsystem

Von • Jun 19th, 2022 • Kategorie: Allgemein

Abweichler im Weltsystem

Krieg in der imperialistischen Pax Americana. Russlands Gründe für seine »militärische Spezialoperation«

Von Theo Wentzke

 

Den Krieg in der Ukraine führen drei Beteiligte: Russland als Angreifer unter dem Titel einer »militärischen Spezialoperation«; die angegriffene Staatsgewalt in Kiew mit ihrem Kommando über eine von den USA und der NATO gedrillte und ausgerüstete Armee; der Westen, also USA und NATO in neuer Einigkeit zusammen mit der EU, nicht direkt als Kriegspartei, dafür doppelt: als Finanzier des ukrainischen Staates, als Organisator seiner Militärmacht; sowie, und das wiederum ganz direkt, mit einem Wirtschaftskrieg, der diesen Namen verdient, weil er auf die Zerstörung der kapitalistischen Grundlage der russischen Staatsmacht zielt.

 

Jede Partei hat – jenseits aller guten Gründe, um die, wie noch in jedem Krieg, keine Seite verlegen ist – ihren eigenen Kriegsgrund.

 

Besitzstand im »nahen Ausland«

 

Herrschendes Ordnungsprinzip

 

Hierarchie der Staatstypen

 

Real existierender Widerspruch

 

In dieser imperialistisch durchorganisierten Welt ist Russland nicht bloß ein Abweichler, sondern der real existierende Widerspruch: zwischen sich als kapitalistischer Macht, die gemäß der herrschenden Geschäftsordnung und mit den von den USA geschaffenen und kontrollierten Geschäftsmitteln um kapitalistisches Wachstum als sein Lebensmittel kämpft, und seiner Existenz als Militärmacht mit Atomwaffen, die in Sachen Gewalt ihr eigener, autonomer Sicherheitsgarant ist und dementsprechend als strategische Weltmacht anerkannt sein will.

Für die russische Regierung, das versteht sich, ist dieser Widerspruch keiner. Dass der Westen sie immer härter damit konfrontiert – als kapitalistischen Weltmarktteilnehmer teils ausnutzt, teils ausbremst, am liebsten beides nebeneinander, aber als weltkriegsfähige Macht immer weniger anerkennt und immer offensiver bekämpft –, hält sie immer weniger aus.

Die Zwangslage, in die sie von ihren imperialistischen Gegnern gebracht worden ist, kann sie nicht auflösen. Dagegen setzt sie sich zur Wehr, macht die Okkupation der Ukraine durch NATO und USA zum Fall und zum Schauplatz für diese Gegenwehr. Deswegen, von russischer Seite, dieser Krieg.

 

 

Theo Wentzke schrieb an dieser Stelle zuletzt am 8. Juni über einige Legenden das einig-geschlossen-heldenhaft kämpfende ukrainische Volk betreffend.

Welche Kriegsgründe für die anderen beiden eingangs genannten Parteien – der Westen und die Ukraine – bestehen, lässt sich im neuen Heft der Zeitschrift Gegenstandpunkt nachlesen, das am 24. Juni im Buchhandel sein wird und unter gegenstandpunkt.com bestellt werden kann. Ab dem 8. Juli können die Texte auf der nämlichen Homepage frei heruntergeladen werden.

 

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 17.06.2022 / Seite 12 / Thema:

Imperialismus

 

https://www.jungewelt.de/artikel/428596.imperialismus-abweichler-im-weltsystem.html?sstr=Russland

One Response »

  1. Fertige Nation werden
    Militärische Produktivkraft: Die Ukraine führt einen Staatsgründungskrieg
    Von Theo Wentzke

    Die Ukraine hat unter dem Kommando ihres in die Rolle eines Kriegsherrn hineingerutschten Präsidenten Wolodimir Selenskij einen eigenen Kriegsgrund, der weder mit Aggressionsabwehr erledigt ist noch mit seiner Funktion für den Westen. Für die Regierung in Kiew ist jeder Kampf, den sie nicht scheut, Dokument eines wehrhaften Staatswillens, jeder Kämpfer, tot oder lebendig, dessen Repräsentant, jeder Auftritt des Präsidenten vor einem auswärtigen Parlament, auch wenn bloß virtuell, und jeder ausländische Staatsbesucher ein Beweis dafür, dass die Welt ihren Staat will und braucht und als wichtiges, zur Forderung nach Waffen jeden Kalibers berechtigtes Subjekt anerkennt.

    Was sie so offensiv zur Schau stellt, hat seine Entsprechung und seine Grundlage in der Kompromisslosigkeit, mit welcher der Befehlshaber sein Volk behandelt: keine Öffnungsklausel für eine Verständigung mit dem Aggressor von seiner Seite; Dörfer und Städte werden bis zur kompletten Zerstörung – oder zum russischen Rückzug – verteidigt; Fluchtwege für Zivilisten nach Russland gelten als Menschenraub und werden unterbunden; wehrfähigen Männern wird die Ausreise versagt – alles nach der Devise: Wir geben uns nicht auf!

    Krieg als Beweisführung

    Zwischen den Lagern

    Herrschaft herstellen

    Totale Abhängigkeit

    Für die Helden von Kiew, die als Neugründer der ewigen Ukraine in die Geschichte eingehen wollen, ist es sowieso kein Widerspruch, wenn sie aus herrschaftlichem Ehrgeiz, um der Würde und der Reichweite ihrer Macht willen, zu Dienern ihrer ausländischen Herren und Ausstatter werden. Selenskij und seine Leute finden es im Gegenteil total in Ordnung, dass ihre totale Abhängigkeit sie so wichtig macht. Sie nehmen ihre Lage als Gelegenheit und die Opferrolle, die sie ihrem Volk aufdrücken, als ihr unbedingtes Recht wahr, sich bei ihren Sponsoren, gefeiert von einer kriegsmoralisch empörten Öffentlichkeit dort, so aufzuführen, als wäre es andersherum: sie die berufenen Kämpfer für die hohen Werte der Menschheit, Demokratie und dergleichen und folglich befugt, nach ihrer Bedarfslage westliche Militärhilfe herbeizukommandieren.

    Am Ende gehört auch das ganz einfach mit dazu, wenn die Ukraine mit ihrem Krieg – im Erfolgsfall – den Status der unfertigen Nation hinter sich lässt.

    Aus: junge Welt – Ausgabe vom 18.08.2022 / Seite 12 / Thema: Kriegsziele der Ukraine

    https://www.jungewelt.de/artikel/432817.kriegsziele-der-ukraine-fertige-nation-werden.html