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Björn Hendrig: Deutsche Lehren aus dem Ukraine-Krieg

Von • Apr 25th, 2022 • Kategorie: Allgemein

Björn Hendrig: Deutsche Lehren aus dem Ukraine-Krieg

 

Wie sich die Koalition bei dem Versuch verheddert, sich vom außenpolitischen Druck der USA und der energiepolitischen Abhängigkeit von Russland zu befreien.

 

In diese Situation will die deutsche Politik nicht noch einmal kommen: Abhängig sein von US-amerikanischer Übermacht und von unbotmäßigen Energielieferanten. Also rüstet sie auf und um, koste es, was es wolle. Und verabschiedet sich unter Schmerzen von den bislang nützlichen Sonderbeziehungen zu Russland.

 

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Für Deutschland ist die neue Situation sehr ärgerlich. Schließlich hat man zusammen mit der EU den Anspruch, eine Weltmacht zu sein. Aktuell ist man aber in die zweite Reihe zurückversetzt und hat noch dazu die Sorge, in einem zukünftigen Konflikt zwischen den USA und China zerrieben zu werden.

Kurzfristig ist daran nichts zu ändern. Jetzt geht es allem Anschein nach darum, Russland möglichst viel zu schaden, auch wenn es Deutschland selbst hart trifft. Und ihm eine Niederlage zu bereiten, für die vom Westen bewaffnete Ukrainer mit ihrem Leben bezahlen.

Mittel- bis langfristig erteilt sich die hiesige Politik den Auftrag, dass sich eine solche abhängige Situation möglichst nicht wiederholen darf. Deshalb will man in der Rüstung enorm und schnell aufholen, um als Weltmacht ernster genommen zu werden.

Verdolmetscht wird das mit „mehr Verantwortung übernehmen“, Konflikte „eigenständig“ lösen. Und in der Schlüsselindustrie Energie noch schneller unabhängiger werden – erst von Lieferungen des Feindes, dann sukzessive auch von denen anderer Staaten, sei es Katar oder die USA. Der erste Teil wird klar so ausgesprochen, den zweiten darf man sich dazu denken.

Und was heißt das für den Staatsbürger? Als „Deutscher“ wird man in Zukunft noch häufiger in Kriege hineingezogen und deren Risiken und Kosten zu tragen haben. Denn die Interessen von Staat und Kapital, pardon die „Werte“ müssen natürlich überall auf der Welt „verteidigt“ werden.

Der nächste große Gegner steht ja bereits fest: China. Die spannende Frage für Deutschland: Wann ist man in der Lage, bei der nächsten Einheitsfront Marke USA sich zu verweigern? Und wann, sogar den USA die Stirn zu bieten? Dafür wird sicher alles getan, koste es, was es wolle.

 

https://www.heise.de/tp/features/Deutsche-Lehren-aus-dem-Ukraine-Krieg-7064004.html?seite=all

4 Responses »

  1. Der Artikel hat den Mangel, dass behauptet wird, mitten im finalen Stadium der Erledigung der
    Großmacht Russland, in der BRD eigeninteressiert einstimmt in einem Schulterschluss mit den
    USA, wäre mit dem dicksten Aufrüstungsprogramm seit 2. Weltkrieg zugleich unterwegs, das konkurrenzlerische Verhältnis der USA aufzumischen, sich endgültig als eigenständige Weltmacht
    gegen die Supermacht aufzumachen. Als Kollateralnutzen, Herstellung der Voraussetzungen dafür
    mag dies in dem neuen Militarismus der BRD angelegt sein: es geht jetzt primär darum, das
    kriegsträchtige Ringen mit der Großmacht im Osten zu bestehen, diesbezüglich die militärischen Fähigkeiten zu stählen, im Idealfall Russland vom waffenmäßigen Potential her Paroli bieten
    zu können, also ein anspruchsvoller imperialistischer Maßstab.

    Nach Seite der USA ist es das Vorhaben, auf der Grundlage der W a f f e n b r ü d e r s c h a f t
    sich neue strategische Freiheiten, eben in der großen Auseinandersetzung gegen
    R u s s l a n d zu verschaffen, nicht einfach den Vorhof für den großen militärischen Schlag-
    abtausch Russland-Amis herzugeben, sondern machtvolles kriegerisches Vermögen hinzuzulegen
    so, dass der Russe im Falle eines Falles bereits an der EU-Außengrenze der EU gestoppt und
    vernichtend geschlagen wird – mal dahinstellend die Sache mit den Atomwaffen, der damit
    einhergehenden Unwägbarkeit von Erstschlag und Zweitschlag, also nicht aus der Welt ist,
    ob und wie im Falle eines vernichtenden Schlages mit dem Gegenschlag der jeweils anderen
    Seite das Kriegsergebnis auf b e i d e n Seiten Verheerendes zeitigt in Bezug darauf, was
    überhaupt noch zum Regieren übrigbleibt.

  2. Björn Hendrig: Inflation trifft vor allem Geringverdiener

    Um an Mittel fürs Leben zu kommen, braucht man im Kapitalismus Geld. Deshalb müssen es alle wollen – mit verheerenden Folgen für die Mehrheit. Das Geld, was sonst (Teil 1).

    „Inflation trifft vor allem Geringverdiener“ titelte die Süddeutsche Zeitung Mitte August, und viele andere Medien formulierten ähnlich: Die Politik sieht „Handlungsbedarf“. Die Preise steigen erheblich, besonders bei Strom, Gas und Kraftstoffen, aber auch andere Lebensmittel legen seit einiger Zeit kräftig zu. Ein Ende ist nicht in Sicht, im Gegenteil – vor allem das Heizen wird im kommenden Winter drastisch teurer werden.

    Das trifft all jene hart, die zu wenig Geld haben, um das bezahlen zu können. Ihnen drohen eiskalte Wohnungen, Kündigungen ihrer Vermieter und Energieversorger, frierende und hungernde Kinder und viele weitere existenzbedrohende Einschränkungen.

    Ohne Geld kommt man hierzulande an kein Lebensmittel. Das weiß jeder, und jeder findet das ganz normal. Weniger verbreitet ist die damit verbundene Schlussfolgerung, dass das Geld die Leute von den Lebensmitteln erst einmal trennt. Einfach so nach den Bedürfnissen der Menschen das Notwendige herstellen und verteilen? Das geht natürlich gar nicht und gilt als weltfremd.

    Das Leben in der Marktwirtschaft trägt ein Preisschild

    Verbraucher zahlen die Zeche des Wirtschaftskriegs

    Wenn der „Vermittler“ Geld zum unsicheren Kandidaten wird

    Das große Tabu: Wirtschaft ohne Geld organisieren

    Was für ein Zusammenhang: Damit die Unternehmen weiter genug Geld scheffeln können, müssen diejenigen, die das mit ihrer Arbeit ermöglichen, auf Geld verzichten, das ihnen ihren bisherigen – ohnehin bescheidenen – Lebensstandard finanziert.

    Teil 2: Notfall Rettungsstelle

    https://www.heise.de/tp/features/Inflation-trifft-vor-allem-Geringverdiener-7244536.html?seite=all

  3. Stephan Kaufmann:  BRICS-Staaten – Moskaus halbe Verbündete

    Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs und des Konflikts um Taiwan suchen Russland und China nach neuen Verbündeten und besinnen sich auf die BRICS-Gruppe. Peking will sie um neue Mitglieder ergänzen, Argentinien, Algerien und der Iran haben Interesse angemeldet. Damit „strebt der Staatenbund nach mehr politischem Gewicht und versucht, sich als Alternative zur G7 zu positionieren“.    

    https://www.fr.de/wirtschaft/brics-staaten-russland-wladimir-putin-moskau-china-indien-verbuendete-91746630.html

  4. Björn Hendrig: Kein Verlass auf den Feind

    Der Kriegsgegner soll ruiniert und ihm eine militärische Niederlage bereitet werden. Aber Energie soll er bitte schön in bestellter Menge und so billig wie bisher liefern. Wie irre ist das? Ein Erklärungsversuch.

    Bundeskanzler Olaf Scholz kann man einfach nichts vormachen1:

    „Ich war von Anfang an (er meint den Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar – B.H.) sehr sicher, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass Russland seine Verpflichtungen einhält, was zum Beispiel Gaslieferungen betrifft.“ (Olaf Scholz)

    Beeindruckend – wie konnte der Mann das wissen? Zumal in den ersten Kriegsmonaten Russland in gewohnter Menge Gas lieferte. Und das, obwohl Außenministerin Baerbock sofort verkündet hatte, mit drastischen Wirtschaftssanktionen Russland ruinieren zu wollen.

    Allerdings waren davon die russischen Gasimporte ausgenommen. Denn das durfte natürlich nicht passieren: Dass der schöne deutsche Kapitalismus auf einmal ohne die nötige Energie dastünde. Zumal es bis dato doch super lief – günstiges und zuverlässiges Gas, mit dem man bestens Gewinne machen konnte; und das unabhängig vom von den USA dominierten Weltenergiemarkt.

    Auch außenpolitisch konnte Berlin durch diese Sonderbeziehung Kapital schlagen. Man hatte schließlich mit dem umfangreichen Gaskauf ein Mittel in der Hand, Russland unter Druck zu setzen. Beides – eigenständige Energieversorgung und Erpressungsmöglichkeiten – gefiel jedoch den US-Amerikanern immer weniger. Sie hatten schon gegen das deutsch-russische Erdgas-Röhren-Geschäft Anfang der 1970er-Jahre heftig opponiert.

    Nun sollte also der bisherige Geschäftspartner fertiggemacht werden; aber das Erdgas sollte er dennoch weiter liefern zu den alten tollen Konditionen. Oder noch besser kostenlos: Die Sperrung des Zahlungsverkehrs mit Russland und die Weigerung Deutschlands, statt in Euro in Rubel zu zahlen, führte eine Weile sogar dazu, dass das Gas zwar weiter ohne Unterbrechung floss, die Bezahlung jedoch nicht. Das wurde dann später, sicher nicht ohne Zähneknirschen Deutschlands, doch mit in Rubel eingetauschten Euros nachgeholt.

    Russische Wirtschaft kaputt – aber fürs Gas liefern soll es reichen

    Nicht zu glauben: Russland beliefert keine Feinde mehr!

    Die Entscheidung, kein Öl und keine Kohle mehr zu beziehen, ist schlicht Teil der Sanktionen des Westens, um Russland in die Knie zu zwingen – und nicht die leider unumgängliche Folge russischer Liefereinstellung beziehungsweise deren Unzuverlässigkeit. Aber mit dieser Mär lässt sich eben das Bild von den „Guten“ weitererzählen, die von den „Bösen“ in Notlage gebracht werden. Auf die man dann nun einmal „reagieren“ müsse.

    So nimmt Berlin kurzerhand Rosneft Deutschland mit unter anderem seiner Raffinerie in Schwedt unter Treuhandverwaltung, wie schon zuvor Gazprom Germania. De facto die Enteignung des russischen Eigentümers. Denn wer glaubt, dass das Unternehmen jemals wieder dorthin zurückkehrt?

    Immerhin Rosneft schon, der Konzern will vor Gericht ziehen. Das Gericht möchte man erleben, das sich gegen die weise Voraussicht des Bundeskanzlers stellt – und gegen eine Kriegshysterie, die sogar vor dem sonst auf dem Index stehenden Wort „Enteignung“ nicht zurückschreckt. Und vor weit Schlimmeren.

    https://www.heise.de/tp/features/Kein-Verlass-auf-den-Feind-7273613.html?seite=all