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GKN: „Die Querfront alternativer Fakten“

Von • Dez 20th, 2020 • Kategorie: Allgemein

GKN: „Die Querfront alternativer Fakten“

Über Corona-Protest, Verschwörungsdenken und deren demokratische Grundlage

 

Angesichts der „Corona-Proteste“ zeigt sich die deutsche Öffentlichkeit alarmiert: Wo sie bei einem Teil der Demonstrierenden noch „berechtigte Sorgen“ um die persönliche Zukunft oder das demokratische Leben in Zeiten einer Pandemie erkennt, hält sie dystopische Vorstellungen vom Aufbau eines digitalen Überwachungsstaats, eines angeblich geplanten Impfzwanges oder verborgener Nutznießer und Strippenzieher des Corona-Notstands für ziemlich krude – und spätestens die Beteiligung rechter Antisemit*innen oder Reichsbürger*innen für gefährlich. Das Potpourri an Deutungen der „Corona-Krise“ auf den sogenannten „Hygiene-Demos“ – samt der Annahme geheimer Kalküle – gilt der demokratischen Öffentlichkeit größtenteils als abwegig und unvernünftig.

Und merkwürdig ist es ja auch, wenn man bedenkt, dass die Politik stets transparent macht, was sie mit ihren Maßnahmen erreichen will:

Sie wirbt bei der Bevölkerung dafür, die Notwendigkeit von Kontaktbeschränkungen, die Maskenpflicht, Auflagen für diverse dienstleistende Gewerbe und so weiter einzusehen. Die Maßnahmen sollen die Ausbreitung des Coronavirus unter Kontrolle bringen. Und sie werden gelockert, sofern die Fallzahlen für Gesundheitsämter und medizinische Versorgungslandschaft handhabbar erscheinen. In aller Öffentlichkeit wägt die Politik ab, wie umfassend und lange die Gesellschaft – in der alles vom wirtschaftlichen Wachstum abhängig gemacht ist – die seuchenpolitische Einschränkung dieses Wirtschaftens verträgt. Durch die Bank betonen die „Verantwortungsträger*innen“, dass sie den verordneten Ausnahmezustand überwinden wollen.

Am Willen der Regierung zum Lockdown, an dessen Auswirkungen und den Debatten darum ließe sich einiges über das Interesse des Staates an der Volksgesundheit lernen, auch über Freiheitsrechte, die Arbeitsteilung in der kapitalistischen Gesellschaft (Stichwort „Systemrelevanz“) oder die Staatsverschuldung.1

Doch Verschwörungstheoretiker*innen fragen nach derartigen Sachverhalten gar nicht mit einem ernsthaften Interesse. Sie fragen nicht, wieso die Gesellschaft, in der sie leben – mit oder ohne Pandemie – so ist, wie sie ist. Sie gehen stattdessen einer ganz anderen Frage nach, nämlich der Frage, was eigentlich „hinter“ dem „Corona-Wahnsinn“ steckt. Ausgehend von dem Vorurteil, der kapitalistische Alltag wäre dafür da, dass man gut darin zurecht kommt, stören sie sich nun daran, dass „einiges arg schief läuft“: Die Welt erweist sich gerade noch weniger gut geeignet, das eigene Leben zu bewerkstelligen, als sonst.

 

Dagegen kann man einmal grundlegend festhalten: der kapitalistische Alltag bringt per se viele Ärgernisse und Schwierigkeiten mit sich, und diese Misere mag sich während der Pandemie für viele auch noch

verschärfen.2 Aber anstatt die schädlichen Prinzipien zu kritisieren, denen man zu genügen hat (z.B. Arbeit bekommen, arbeiten gehen, sparen und verzichten um über die Runden zu kommen), wird die Verschärfung, die durch die Pandemie entsteht, den „Verantwortungsträger*innen“ zur Last gelegt: Dass die politisch Verantwortlichen es zulassen, dass der gewohnte kapitalistische Alltag derart durcheinander gebracht wird, lässt den Argwohn der Skeptiker*innen wachsen.

 

  1. „Freiheit ist die Einzige die fehlt“ – Vom ignoranten Lob der Freiheit

 

  1. „Hey Staat, hey Staat, hey Staat“ – Machtausübung als Selbstzweck?

 

  1. „Kommt heran, ihr feigen Sklaven“ – Zum Selbstbewusstsein freier Bürger*innen

 

  1. „Wer die Banknoten liebt, der mache Politik“ – Skepsis gegenüber Amtsträger*innen

 

  1. „Parlamente erinnern mich stark an Puppentheater“ – Geheime Drahtzieher*innen mit „volksschädlichem“ Willen

 

  1. „Am Ende wird die Wahrheit siegen“ – Durchblicker, Volkswiderstand und Herrschaftswissen

 

Die falsche Kritik, den Staat bzw. sein Herrschaftspersonal am Ideal guten Regierens zu messen, haben die demonstrierenden Freund*innen von Alu-Bommel und Grundgesetz mit den guten Demokrat*innen von rechts bis links gemein. Sie alle haben gelernt, einiges an der politischen Wirklichkeit getrost zu ignorieren: Schäden und Ungemach werden als persönliche Versäumnisse, Pflichtverletzungen oder gar böser Wille geistig aus dem Normalbetrieb der wenig gemütlichen kapitalistischen Welt ausgelagert – ob mit oder ohne Pandemie.

 

 

https://gegen-kapital-und-nation.org/die-querfront-alternativer-fakten/

 

https://gegen-kapital-und-nation.org/die-querfront-alternativer-fakten/?pdf

2 Responses »

  1. GKN: …und deutscher Frieden auf Erden

    Eine olivgrüne Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2,1-2,18 und SZ 30/11/2020

    https://gegen-kapital-und-nation.org/und-deutscher-frieden-auf-erden/

    https://gegen-kapital-und-nation.org/und-deutscher-frieden-auf-erden/?pdf

  2. GKN: Das Weltbild von Ken Jebsen – über einen Rebellen, der so gerne ein echter freier Untertan sein will

    Ken Jebsen ist einer der großen Stars innerhalb der Querdenker-Szene. Über 10 Jahre hat er auf Youtube seinen eigenen Kanal mit vielen Followern gehabt und sich dabei Zuspruch sowohl von rechtsradikalen als auch von linksalternativen Leuten erarbeitet. Mittlerweile ist sein Kanal wegen Verstoß gegen die dort geltenden Richtlinien zu medizinischen Fehlinformationen über COVID-19 gesperrt. Er macht auf einer herkömmlichen Homepage und auf Spotify weiter.

    In der Regel hat er Interviews mit Leuten geführt, zwischendurch hat er dann längere Vorträge gehalten, die die Zuhörer*innen aufrütteln sollten. Der Form nach unterscheiden sich seine Vorträge dabei nicht von anderen Youtube-Stars, wenn er schnell redet, ein „Faktum“ nach dem anderen aufzählt und die „Fakten“ dann eigentlich schon klar machen sollen, was los ist in der Welt. Prominent ist ein Video am Anfang der Corona-Pandemie geworden, in dem er eine halbe Stunde lang „erläutert“, dass die Pandemie inszeniert sei und letztlich Bill und Melinda Gates dahinter stecke: „Inzwischen ist es so, dass es ein Ehepaar ist, was der ganzen Welt diktiert, wie es zu leben hat.“1

    Die aktuelle BRD hält er nicht mehr für eine Demokratie, sondern für eine Diktatur, er hält einen Volksaufstand gegen das politische Establishment für notwendig. Dazu habe das Volk gemäß Grundgesetz Art. 20 nicht nur ein Recht, sondern nach Jebsen sogar die Pflicht.2

    Mancher reibt sich die Augen, wie plötzlich Bekannte, die man bisher als eher linksalternativ einsortiert hat, Jebsens Weltbild, Thesen und politische Praxis übernehmen. Dass das so einfach und schnell geht, liegt daran, dass so gut wie alle Bürger*innen die überwiegenden Grundlagen von Jebsens Weltbild teilen (Thesen 1 und 2). Der Absprung, der für diejenigen Gedanken entscheidend ist, die Vielen dann so verrückt erscheinen, ist einfach zu haben (These 3).

    Als Grundlage für die Analyse von Jebsens Weltbild wird hier das erwähnte Video von Beginn der Corona-Pandemie genommen und hin und wieder Zusatzmaterial eingeflochten:3

    These 1: Jebsens ist ein normaler Bürger, der lauter Ideale über die Demokratie hat

    These 2: Jebsen ist ein notorisch unzufriedener Bürger und damit ebenfalls ganz normal

    These 3: Jebsen weicht vom Normalen ab, weil er die Ideale der Demokratie in der Welt wirklich umgesetzt sehen möchte – darüber wird er ein radikaler Demokrat

    – Die Regierungen und ihre Auftraggeber*innen
    – Ein Volk von Schafen
    – Was braucht es laut Jebsen?

    Nachtrag

    Während Jebsen Deutschland liebt, darüber lauter Ideale hat, sich mit der Nicht-Verwirklichung der Ideale nicht abfinden will und sein Ideal rettet, indem er lauter Sachen erfindet, die hinter Deutschland stecken, gehen die Podcast-Macher*innen analog vor:

    Sie lieben Ken Jebsen als jungen, innovativen und lustigen Radio-Fritzen und haben über ihn und über die Demokratie lauter Ideale. „Wie konnte es dazu kommen?“ leitet eine Erklärung der Veränderung von Jebsen ein, die auf jeden Fall nichts mit dem jungen, innovativen und lustigen Radio-Fritzen zu tun haben könne. Er war damals ein anständiger Demokrat und das kann ja nichts mit dem heutigen Jebsen zu tun haben. Um sich ihr Ideal über diesen jungen Radio-Fritzen zu erhalten, müssen sie für die Veränderung von Ken Jebsen lauter Sachen erfinden oder investigativ herausgraben, die hinter Ken Jebsen stecken.

    Da kann man gespannt sein, ob die Podcast-Macher*innen mit ihrer investigativen Schläue, mit ihren Demokratie-Idealen und einigen Enttäuschungen im Leben reicher, dann in einigen Jahren nicht genau da landen, wo Jebsen und viele andere schon stehen.

    https://gegen-kapital-und-nation.org/das-weltbild-von-ken-jebsen/

    https://gegen-kapital-und-nation.org/das-weltbild-von-ken-jebsen/?pdf