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GKN: Kurzanalysen zu Staat, Kapital und bürgerlicher Öffentlichkeit in Zeiten der Corona-Pandemie

Von • Mai 19th, 2020 • Kategorie: Allgemein

 

Kurzanalysen zu Staat, Kapital und bürgerlicher Öffentlichkeit in Zeiten der Corona-Pandemie

By gruppen gegen kapital und nation

 

Die Corona-Pandemie hält seit etwa zwei Monaten die Welt in Atem. Einige der inneren Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft kriegen gerade eine völlig neue Wucht:

Dass nützliche Dinge, und auch Dienstleistungen aller Art, nicht bereitgestellt werden, um Bedürfnisse zu befriedigen, sondern als Waren zuvörderst Geld realisieren müssen, kriegen gerade Selbstständige aller Art, insbesondere in Gastronomie und Kultur, mit aller Härte zu spüren. Sich für ein paar Monate Lockdown einfach zurücklehnen, sich gemeinsam mit dem Rest der Gesellschaft ein wenig darüber freuen, dass man dabei einige materielle Ressourcen und die dafür notwendige Arbeit einspart – das ist im Kapitalismus unmöglich: Die Betroffenen werden in Existenznot gestoßen und fiebern der Öffnung von Gaststätten, Clubs und Kulturstätten entgegen, gleichgültig, ob sich das mit der Virus-Eindämmung verträgt.

An einem anderen Widerspruch laborieren die höchsten Ebenen bürgerlicher Politik ganz besonders herum: Demjenigen, dass gegen die Ausbreitung von CoviD-19 gerichtete Lockdown-Maßnahmen das kapitalistische Wirtschaftsleben großflächig lahmlegen, zugleich jedoch die Volksgesundheit eine wichtige Bedingung für einen funktionierenden Kapitalismus ist. Für die Lohnabhängigen bedeutet dies wahrscheinlich die Alternative zwischen Arbeitslosigkeit für Millionen oder Tod für Zigtausende – oder einem Mittelding.

Viele Linke haben die Hoffnung gehegt (oder hegen sie noch), dass Corona zusammen mit den Reaktionen der bürgerlichen Politik und der kapitalistischen Krise den Menschen endlich die Augen öffnet und ihnen den wahren, irrationalen und schädlichen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise offenbart. Dem ist nicht so. Verschwörungstheoretische „Hygiene-Demos“ und die steigenden Zustimmungswerte für konservative, staatstragende Parteien zeigen das relativ plastisch.

Wenn man Corona und die damit einhergehende Krise nutzen will, um die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen weiterzuverbreiten, dann ist eine Analyse nötig, die sich die Mühe macht, die Zusammenhänge zwischen dem aktuellen Geschehen und den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Gesellschaft darzustellen und argumentativ zu belegen.

Lange Rede, kurzer Sinn:

Die Gruppen gegen Kapital und Nation haben mit mehreren Kurzanalysen zu Staat, Kapital und bürgerlicher Öffentlichkeit in Zeiten der Corona-Pandemie versucht, genau das zu leisten:

 

https://gegen-kapital-und-nation.org/page/corona/

 

Die verschiedenen Beiträge werden in der nächsten Zeit hier in loser Folge gepostet und kurz vorgestellt. Viel Spaß & Erkenntnisgewinn beim Lesen!

 

https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=2643697855870940&id=1789957404578327

3 Responses »

  1. GKN: Geld oder Leben

    Sars-Cov-2 ist ein Virus, von dem man weiß, dass es sehr gefährlich sein kann, wenn man sich infiziert. Man weiß auch, dass es sich je nach Situation und Konstellation sehr schnell ausbreiten kann. Man weiß auch, dass es für viele Menschen nicht wirklich gefährlich ist – zumindest nicht unmittelbar, denn eventuelle Langzeitfolgen kennt man noch nicht. Aber wenn es sich stark verbreitet und viele Menschen infiziert sind, werden zahlenmäßig eben doch sehr viele Menschen krank, schwer krank oder sterben. (…)

    An der Stelle zeigt sich, dass Geld nicht einfach ein cleveres Steuerungsmittel ist, um eine bedarfsgerechte Produktion zu ermöglichen. Es geht beim Geld nicht einfach darum, dass steigende Cocktailpreise einen Mangel an Kneipen anzeigen und zur Eröffnung neuer anregen. Im Gegenteil: Geld ist das einzige Mittel, um an Dinge, die man zum Leben benötigt, ran zu kommen. Wenn alle Dinge – inklusive der notwendigen Lebensmittel – Geld kosten, dann benötigen alle Insassen dieser Gesellschaft – Unternehmer genauso wie Arbeiter – eine dauerhaft fließende Geldquelle, so bescheiden sie für die Arbeiter auch immer ist. Deshalb ist Geld auch nicht „praktisch“, sondern entscheidet über die Existenz4. Und deshalb ist für diese Gesellschaft eine Produktionspause, selbst wenn es weiterhin die wichtigen Lebensmittel ganz praktisch en masse gibt, eine mittlere bis schwere Katastrophe, denn das ständig benötigte Geld wird in der Produktion verdient. Steht die Produktion still, versiegt die Geldquelle und wird durch den Stillstand sogar zerstört: Kapitalismus verträgt keinen Stillstand.

    In so einer Gesellschaft – und nur in so einer Gesellschaft – gibt es also ganz buchstäblich die trostlose Alternative: Geldverdienen mit dem Risiko der weiteren Verbreitung von COVID-19 oder gerettete Leben in fortschreitender Verarmung.

    https://gegen-kapital-und-nation.org/geld-oder-leben/

    https://gegen-kapital-und-nation.org/geld-oder-leben/?pdf

  2. GKN: „Die Querfront alternativer Fakten“
    Über Corona-Protest, Verschwörungsdenken und deren demokratische Grundlage

    Angesichts der „Corona-Proteste“ zeigt sich die deutsche Öffentlichkeit alarmiert: Wo sie bei einem Teil der Demonstrierenden noch „berechtigte Sorgen“ um die persönliche Zukunft oder das demokratische Leben in Zeiten einer Pandemie erkennt, hält sie dystopische Vorstellungen vom Aufbau eines digitalen Überwachungsstaats, eines angeblich geplanten Impfzwanges oder verborgener Nutznießer und Strippenzieher des Corona-Notstands für ziemlich krude – und spätestens die Beteiligung rechter Antisemit*innen oder Reichsbürger*innen für gefährlich. Das Potpourri an Deutungen der „Corona-Krise“ auf den sogenannten „Hygiene-Demos“ – samt der Annahme geheimer Kalküle – gilt der demokratischen Öffentlichkeit größtenteils als abwegig und unvernünftig.

    Und merkwürdig ist es ja auch, wenn man bedenkt, dass die Politik stets transparent macht, was sie mit ihren Maßnahmen erreichen will: Sie wirbt bei der Bevölkerung dafür, die Notwendigkeit von Kontaktbeschränkungen, die Maskenpflicht, Auflagen für diverse dienstleistende Gewerbe und so weiter einzusehen. Die Maßnahmen sollen die Ausbreitung des Coronavirus unter Kontrolle bringen. Und sie werden gelockert, sofern die Fallzahlen für Gesundheitsämter und medizinische Versorgungslandschaft handhabbar erscheinen. In aller Öffentlichkeit wägt die Politik ab, wie umfassend und lange die Gesellschaft – in der alles vom wirtschaftlichen Wachstum abhängig gemacht ist – die seuchenpolitische Einschränkung dieses Wirtschaftens verträgt. Durch die Bank betonen die „Verantwortungsträger*innen“, dass sie den verordneten Ausnahmezustand überwinden wollen.

    Am Willen der Regierung zum Lockdown, an dessen Auswirkungen und den Debatten darum ließe sich einiges über das Interesse des Staates an der Volksgesundheit lernen, auch über Freiheitsrechte, die Arbeitsteilung in der kapitalistischen Gesellschaft (Stichwort „Systemrelevanz“) oder die Staatsverschuldung.1

    Doch Verschwörungstheoretiker*innen fragen nach derartigen Sachverhalten gar nicht mit einem ernsthaften Interesse. Sie fragen nicht, wieso die Gesellschaft, in der sie leben – mit oder ohne Pandemie – so ist, wie sie ist. Sie gehen stattdessen einer ganz anderen Frage nach, nämlich der Frage, was eigentlich „hinter“ dem „Corona-Wahnsinn“ steckt. Ausgehend von dem Vorurteil, der kapitalistische Alltag wäre dafür da, dass man gut darin zurecht kommt, stören sie sich nun daran, dass „einiges arg schief läuft“: Die Welt erweist sich gerade noch weniger gut geeignet, das eigene Leben zu bewerkstelligen, als sonst.
    Dagegen kann man einmal grundlegend festhalten: der kapitalistische Alltag bringt per se viele Ärgernisse und Schwierigkeiten mit sich, und diese Misere mag sich während der Pandemie für viele auch noch verschärfen.2 Aber anstatt die schädlichen Prinzipien zu kritisieren, denen man zu genügen hat (z.B. Arbeit bekommen, arbeiten gehen, sparen und verzichten um über die Runden zu kommen), wird die Verschärfung, die durch die Pandemie entsteht, den „Verantwortungsträger*innen“ zur Last gelegt: Dass die politisch Verantwortlichen es zulassen, dass der gewohnte kapitalistische Alltag derart durcheinander gebracht wird, lässt den Argwohn der Skeptiker*innen wachsen.

    1. „Freiheit ist die Einzige die fehlt“ – Vom ignoranten Lob der Freiheit

    2. „Hey Staat, hey Staat, hey Staat“ – Machtausübung als Selbstzweck?

    3. „Kommt heran, ihr feigen Sklaven“ – Zum Selbstbewusstsein freier Bürger*innen

    4. „Wer die Banknoten liebt, der mache Politik“ – Skepsis gegenüber Amtsträger*innen

    5. „Parlamente erinnern mich stark an Puppentheater“ – Geheime Drahtzieher*innen mit „volksschädlichem“ Willen

    6. „Am Ende wird die Wahrheit siegen“ – Durchblicker, Volkswiderstand und Herrschaftswissen

    Die falsche Kritik, den Staat bzw. sein Herrschaftspersonal am Ideal guten Regierens zu messen, haben die demonstrierenden Freund*innen von Alu-Bommel und Grundgesetz mit den guten Demokrat*innen von rechts bis links gemein. Sie alle haben gelernt, einiges an der politischen Wirklichkeit getrost zu ignorieren: Schäden und Ungemach werden als persönliche Versäumnisse, Pflichtverletzungen oder gar böser Wille geistig aus dem Normalbetrieb der wenig gemütlichen kapitalistischen Welt ausgelagert – ob mit oder ohne Pandemie.

    https://gegen-kapital-und-nation.org/die-querfront-alternativer-fakten/

    https://gegen-kapital-und-nation.org/die-querfront-alternativer-fakten/?pdf

  3. GKN: Was uns Corona über den Kapitalismus beibringt: Zu wenig Krankheit ist auch nicht gesund! – 31.03.2021

    Ärzt*innen sind nach gängiger Meinung Leute, die andere Menschen gesund machen. Haben sie weniger zu tun, müssten sie ja eigentlich froh sein: Das eigene Infektionsrisiko sinkt, es ist endlich mal Zeit die Praxisräume zu renovieren, mehr Zeit für die Patient*innen hat mensch auch noch, und vielleicht sogar Zeit, sich richtig auszuruhen, um sich für die anstrengende anstehende Impfkampagne vorzubereiten. Und wem denn wirklich die Decke auf den Kopf fällt, könnte ja immer noch im Krankenhaus aushelfen. In einer vernünftig organisierten Gesellschaft wäre das so.

    Aber: Im Kapitalismus sind Ärzt*innen Menschen, die ihr Geld damit verdienen, andere Leute zu behandeln. Sind weniger Leute krank, zum Beispiel weil wegen der Schutzmaßnahmen die Grippeepidemie ausfällt, oder weil es weniger Sport- und Arbeitsunfälle gibt, dann sind die Ärzt*innen nicht etwa froh. Sondern: Sie beschweren sich über Einnahmeausfälle und beklagen: „Einen so ruhigen Winter habe ich in meinem ganzen Berufsleben noch nicht gehabt.“ (Arzt in Bremen, laut Weser-Kurier v. 11.03.2021)

    Ein marktwirtschaftlich organisiertes Gesundheitssystem mit staatlichen Zwangsvorsorgekassen und budgetierten Leistungen sorgt dafür, dass Arztpraxen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wenn zu wenig Leute krank werden oder sich durch Unfälle verletzen.

    Ob das nun wirklich zur Aufgabe von Arztpraxen und zur Verschlechterung der medizinischen Versorgung führt, wird die Zukunft zeigen.

    Für heute aber lernen wir: Für ein „wirtschaftlich gesundes“ Gesundheitssystem im Kapitalismus dürfen die Leute nicht zu wenig krank sein.

    https://gegen-kapital-und-nation.org/was-uns-corona-uber-den-kapitalismus-beibringt-zu-wenig-krankheit-ist-auch-nicht-gesund/

    https://gegen-kapital-und-nation.org/was-uns-corona-uber-den-kapitalismus-beibringt-zu-wenig-krankheit-ist-auch-nicht-gesund/?pdf