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Theo Wentzke: Weltgeld gegen Virus

Von • Mai 16th, 2020 • Kategorie: Allgemein

 

Weltgeld gegen Virus

Im Umgang mit der gegenwärtigen Coronakrise zeigt sich erneut der Widerspruch zwischen den nationalen Haushalten der EU-Staaten und ihrer gemeinsamen Währung

Von Theo Wentzke

 

Die Regierung in Berlin begegnet der Coronakrise nach dem Vorbild von Mario Draghi – es koste, was es wolle – mit erklärtermaßen unbegrenzten Mitteln, fürs erste mit einem Finanzvolumen von der dreifachen Größe des jährlichen Bundeshaushalts. Die Summe relativiert sich zwar, da sie zum größeren Teil aus Kreditgarantien besteht, die (hoffentlich) nicht voll in Anspruch genommen werden.

Dennoch: So etwas muss ein Staat sich leisten können. Deutschland kann, wie die Regierung stolz vermeldet: Die Haushaltsdisziplin zahle sich jetzt aus. Dass Schulden, die gestern nicht gemacht wurden, heutige Schulden, volle 1.200 Milliarden Euro, verfügbar machen, ist zwar Blödsinn. Der Zusammenhang, den die Regierung da herstellt, ist dennoch aufschlussreich.

Die Disziplin der »schwarzen Null«

Grenzenloser Kredit

Die großen Weltgeldmacher

Die Krankheit des »globalen Südens«

Europäische »Solidarität«

Kein Kollektiv

 

Das Coronavirus, das ja sonst nichts lässt, wie es war, ändert am Widerspruch der Euro-Zone kein Jota: Sie bleibt ein Bündnis von Nationalstaaten, die mit nationalen Schulden um nationales Kapitalwachstum in einem gemeinsamen Geld konkurrieren, das seinerseits den Gesamterfolg der Währungszone in seiner Qualität als international gefragtes und verlässliches Geld reflektiert; das also den Gesamterfolg braucht, den die konkurrierenden Partner einander streitig machen.

 

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 13.05.2020 / Seite 12 / Thema:

Internationales Finanzsystem

 

https://www.jungewelt.de/artikel/378253.internationales-finanzsystem-weltgeld-gegen-virus.html

One Response »

  1. Der Artikel von Wentzke in der jw hat dort einen Leserbrief provoziert:

    Finale der Umverteilung

    Das System des Weltkapitalismus wird durch eine einzige Weltwirtschaft und eine Vielzahl von Nationalstaaten bestimmt. Die Staaten wie USA, Großbritannien und Japan werden von ihren eigenen Notenbanken finanziert. Sie haben wesentlich mehr wirtschaftliche wie finanzpolitische Steuermöglichkeiten und Entscheidungsmacht als die Euro-Staaten mit ihrer »Fremdwährung« Euro. Staaten mit eigenen Währungen können nicht pleite gehen. Dagegen ist die Hochverschuldung in einer »Fremdwährung Euro« in der Euro-Zone brandgefährlich. Auf eine Zahlungsunfähigkeit und den Bankrott einiger Südländer der Währungsunion, wie Griechenland, Italien und Spanien, wetten als Brandbeschleuniger verschiedene Spekulanten an der Börse. Den Euro-Staaten bleibt nichts anderes üblich, als den Schwachen beständig zu helfen, weil sonst ein Zerfall der Eurozone drohen würde. Darüber hinaus hat die kapitalistische Wirtschaft aufgrund ihrer imperialistischen Natur und des Machtungleichgewichts zwischen ihren konstituierenden Regionen und Staaten einen gigantischen steuerfinanzierten industriellen Machtkomplex hervorgebracht, der seinerseits ein gigantisches Finanzsubventionsprogramm für ihre Macht sichernde internationale Hochtechnologiekonzerne ist. Dadurch sehen wir uns zur Zeit einer nie dagewesenen Machtkonzentration konfrontiert. Dazu kommen jetzt noch Billionen an neu gedrucktem Geld auf den Markt! Eine Ausweitung der Verschuldung weltweit ist die Folge. Diese Situation wird kaum haltbar bleiben. Heftige gesellschaftliche und soziale Veränderungen stehen uns bevor. Es naht das Finale der Umverteilung! Proteste und Aufstände im Süden Europas inklusive Frankreichs sowie eine Verschärfung von Konflikten aufgrund unterschiedlicher Nationalinteressen sind zu erwarten.

    Istvan Hidy

    https://www.jungewelt.de/aktuell/rubrik/leserbriefe.php?letterId=46634