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Aus aktuellem Anlass: Was Marxisten zum Finanzkapital zu sagen haben

Von • Sep 25th, 2018 • Kategorie: Allgemein

Aus Anlass des 10.Jahrestages der Pleite von Lehman-Brothers im September 2008:

Was Marxisten zum Finanzkapital zu sagen haben

Die Geschäfte, mit denen sich Geldinstitute als kapitalistische Unternehmen bewähren – ihr Wirken gehorcht ihrer eigenen Gewinnrechnung, zielt auf kontinuierliche Steigerung von Umsatz und Überschüssen –, verhelfen ihren Betreibern nicht nur zu ansehnlichen Bilanzen – wenn die sich in einer Nation aufs Dreifache des zusammengezählten Bruttoinlandsprodukts eines Jahres belaufen, gilt das als normal und eher moderat –, sondern auch zu einem besonderen Ruf. Höchster Wertschätzung erfreuen sich die Dienste, die das Finanzgewerbe fürs Funktionieren der Marktwirtschaft erbringt: Ihm verdanken ‚die Märkte‘ die Geldversorgung, die Unternehmen aller Geschäftszweige die Ausstattung mit Kapital. Wo und wann immer es routiniert und eigennützig Beiträge zu einem gelungenen Wachstum liefert, genießen seine herausragenden Akteure Anerkennung als Repräsentanten des Erfolgs von Land und Leuten; und die revanchieren sich, indem sie allerlei Großbauten in die Landschaft stellen, Sportstätten finanzieren und beschriften usw.

Wenn jedoch Verluste anfallen, wo der Standort auf Gewinn gesetzt hat, gar am Finanzplatz eine Krise ausbricht, die ihre Kreise zieht, dann ist den Bankern die Missgunst einer undankbaren Öffentlichkeit sicher. Dann erklären Politiker ganz volkstümlich die geschädigte ‚Realwirtschaft‘, die Arbeitsplätze, Sparer und Kleinaktionäre und den Staatshaushalt dazu zum Opfer von ‚Heuschrecken‘; Spitzenmanager des Finanzkapitals verdienen plötzlich zu viel, sind auf angloamerikanischen ‚shareholder value‘ statt auf heimische Arbeitsplätze scharf. Und alle Welt weiß, dass da eine elitäre Elite ihr Recht auf Gewinn in ganz unberechtigter Gier auf Kosten der Dienste geltend macht, die sie uns allen schuldet, weil wir alle darauf angewiesen sind. Was also schon wieder für die Branche spricht, soweit sie ihr Geschäft mit ihrer anerkannten Unentbehrlichkeit für das gesamte Wirtschaftsleben macht. Und schon wieder kommt vor lauter kritischem Respekt vor der Macht der Branche die Eigenart der Geschäfte, auf denen diese Macht beruht, gar nicht wirklich zur Sprache.

Der profitable Handel mit Geld und Kredit befähigt seine Akteure zur Erledigung zentraler Aufgaben im marktwirtschaftlichen Gefüge. Deren Art der Bereicherung ist unerlässliche Bedingung und Hebel des kapitalistischen Wachstums, der Mehrung von Geldreichtum; sie begründet die Macht des Geldkapitals über die ökonomischen Leistungen in allen Abteilungen der Marktwirtschaft, was diesem Privatgeschäft nicht erst in der Krise eine besondere staatliche Fürsorge sichert.

Das ist zu erklären.

Genau das nimmt sich das 2016 im Gegenstandpunkt Verlag erschienene Buch von Peter Decker, Konrad Hecker und Joseph Patrick mit dem Titel „Das Finanzkapital“ vor. Wir haben dieses Buch in unserer Sendung im September 2016 vorgestellt und wiederholen diesen Beitrag aus Anlass des 10.Jahrestages der Pleite von Lehman-Brothers im September 2008.

 

http://www.gegenargumente.at/radiosend/radiosend_18/finanzkapital_homepage.htm

 

 

Mitschnitt der Sendung (19.09.2016, FRN):

 

https://www.freie-radios.net/79053

 

https://www.freie-radios.net/mp3/20160919-dasfinanzka-79053.mp3?dl=1

 

 

Literatur:

Peter Decker / Konrad Hecker / Joseph Patrick

Das Finanzkapital

 

Die vorliegende Schrift bietet

– keine Beschwerde über Zockerei und kriminelle Umtriebe der Finanzmafia;

– keinen Einblick in den Alltag ehrlicher Geldhändler;

– weder Untergangsprognosen noch Zukunftsperspektiven für eine Krisenbranche;

– keine kurzgefasste Banklehre oder einen TÜV für die Ratschläge vom Bankberater;

– keine Rezepte für eine bessere staatliche Geld- und Finanzpolitik.

Sie erklärt stattdessen

– das Verhältnis der Abhängigkeit und der Notwendigkeit, des Dienstes und des Regimes, in dem das Finanzgewerbe zur kapitalistischen Warenproduktion steht;

– die vom Staat verliehene und unterstützte Macht der Banken, Kreditzeichen als Geld zirkulieren zu lassen und mit Schulden Geschäfte zu machen;

– die Freiheit der ‚Finanzindustrie‘, mit dem Geldvermögen der Gesellschaft, das ihr gar nicht gehört, auf den Geschäftserfolg der Unternehmenswelt zu spekulieren, die ihr auch nicht gehört, und daran nicht nur zu verdienen, sondern alle Welt vom Erfolg ihrer Spekulationsgeschäfte abhängig zu machen;

– den Nutzen des Kreditgewerbes für den Staat, der mit Geld und Schulden regiert, und den Nutzen des Staats für das Kreditgewerbe, das ohne Zentralbank und öffentliche Schuldenverwaltung aufgeschmissen wäre; also die Symbiose von privater Finanzmacht und staatlicher Gewalt;

– die weltweit wirksame Macht über Investitionen und nationale Kapitalstandorte, die die Kreditbranche durch die staatlich betreute Internationalisierung des kapitalistischen Geschäftslebens gewinnt;

– den Dienst, den die Finanzmärkte für das Geld der Weltwirtschaftsmächte leisten, und die Geschäftsfreiheiten und -mittel, die sie dafür von den politischen Machthabern über die herrschende Weltordnung verlangen und bekommen; also die ökonomische Räson des modernen Imperialismus.

 

Kurzum: Das Buch widmet sich der Kritik der politischen Ökonomie des ‚globalisierten‘ Kapitalismus.

 

https://de.gegenstandpunkt.com/publikationen/buchangebot/finanzkapital

 

siehe dazu auch:

Weltwirtschafts- & -finanzkrise

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/nachschlagen/systematischer-katalog/weltwirtschafts-finanzkrise

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