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Radio Corax Halle: 100 Jahre Oktoberrevolution – Rückblick auf einen unverzeihlichen Fehler

Von • Okt 29th, 2017 • Kategorie: GSP-Radio

Interview von Radio Corax Halle mit Peter Decker von der Redaktion der Zeitschrift „Gegenstandpunkt“ im Rahmen der Sendereihe zur Geschichte der Oktoberrevolution:

100 Jahre Oktoberrevolution – Rückblick auf einen unverzeihlichen Fehler

 

Im Rahmen unserer Sendereihe zur Geschichte der Oktoberrevolution sprachen wir auch mit Peter Decker von der Redaktion der Zeitschrift „Gegenstandpunkt“. Grundlage des Gesprächs war ein Artikel, der in der Ausgabe 2/2017 der Zeitschrift Gegenstandpunkt erschienen ist und den Titel trägt „100 Jahre russische Revolution. Rückblick auf einen unverzeihlichen Fehler“.

 

Wir sprachen Peter Decker zunächst auf den Titel des Artikels an und was es bedeuten soll, wenn hier von einem „unverzeihlichen Fehler“ die Rede ist.

 

http://www.freie-radios.net/85573

 

http://www.freie-radios.net/mp3/20171024-100jahreokto-85573.mp3?dl=1

 

vgl:

 

„100 Jahre Russische Revolution – Rückblick auf einen unverzeihlichen Fehler“ (GS 2-17)

 

Wie die Welt ohne sozialistische Systemalternative ans Werk geht, ist seit dem Ende dieser Alternative Thema unserer Zeitschrift. Dass die Befunde unschön sind, ist kein Grund, dem real gewesenen Sozialismus nachzutrauern. Dessen Verschwinden ist aber auch kein Grund, den Systemfehler auf sich beruhen zu lassen, den die kommunistischen Parteien des 20. Jahrhunderts, die im Sowjetreich regierenden wie die oppositionellen im Westen, ihrer Politik zugrunde gelegt und bis zur Selbstauflösung zäh praktiziert haben.

 

Wir dokumentieren ein paar wichtige Abschnitte aus dem Sammelband Karl Held (Hrsg.), Das Lebenswerk des Michail Gorbatschow: Von der Reform des ‚realen Sozialismus‘ zur Zerstörung der Sowjetunion, Gegenstandpunkt Verlag, München 1992. Das Buch bringt den ‚realen Sozialismus‘ der Sowjetunion und der verbündeten Parteien im Westen auf den Begriff. Es macht am Elend des verschwundenen Systems deutlich, was Kommunisten an Kritik zu leisten und was sie an einer Welt auszusetzen und zu ändern haben, die den ‚realen Sozialismus‘ dort, wo er die Macht hatte, wie auch dort, wo er der Unzufriedenheit der Lohnabhängigen und „Abgehängten“ eine Heimat geboten hat, durch die Barbarei eines marschierenden Nationalismus ersetzt hat.

 

Das Programm des sozialistischen Antikapitalismus: Mit Gerechtigkeitsidealen gegen die Klassengesellschaft

 

Die politische Ökonomie des realen Sozialismus: Planmäßige Zweckentfremdung von Lohn, Preis und Profit als Alternative zum Kapitalismus

– Die Staatsräson des realen Sozialismus

Die politische Kultur des Arbeiter- und Bauernstaats: Mit aller Gewalt dem Volke dienen

– Der „Staat des ganzen Volkes“

– Die Partei leitet an

– Das reiche politische Leben

– Die Entwicklung des sozialistischen Menschen

– „Wählen heißt sich bekennen“

– Schonungslose Kritik

– „Unterdrückung & Stalinismus“

 

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/100-jahre-russische-revolution#section2

 

und

 

„Das Lebenswerk des Michail Gorbatschow – Von der Reform des ‚realen Sozialismus‘ zur Zerstörung der Sowjetunion“

Die nach- und antikommunistische Weltöffentlichkeit hat eine hohe Meinung von Gorbatschow, oder doch wenigstens von seiner historischen Bedeutung. Dabei wird die postkommunistische Welt seiner Hinterlassenschaft gar nicht recht froh. Und erfreulich ist es ja wirklich nicht: Der reale Sozialismus geht, die Verhältnisse werden barbarisch.

 

Wie es zu diesem Ergebnis gekommen ist, erklärt das vorliegende Buch.

Mit marxistischem Unterscheidungsvermögen kritisiert es

– die politische Ökonomie des realen Sozialismus und ihre ruinöse Reform mit Hilfe marktwirtschaftlicher Erfolgsrezepte;

– das Herrschaftssystem der Volksdemokratie und seine Ersetzung durch die Alleinherrschaft des Nationalismus;

– die sowjetische Weltfriedenspolitik und ihre Kapitulation vor den zu jeder Erpressung bereiten NATO-Mächten, die an Gorbatschow ihren nützlichen Idioten hatten.

An den guten Absichten des letzten Generalsekretärs der KPdSU läßt das Buch genausowenig ein gutes Haar wie an deren Wirkungen. So stiftet es ein wenig Klarheit über Gorbatschows wirkliche historische Bedeutung.

 

https://de.gegenstandpunkt.com/publikationen/buchangebot/reform-realen-sozialismus-zur-zerstoerung-sowjetunion

5 Responses »

  1. Peter Decker, der bislang noch zu den Klügsten innerhalb des GSP gehörte, scheint auch zunehmend an Altersschwäche zu leiden und hinter seinen früheren Einsichten zurückzufallen:

    Einmal abgesehen davon, daß er in dem Interview auf Radio „Corax“ die damaligen „realsozialistischen“ Verhältnisse beschönigte (derart arbeiter- bzw. volksfreundlich war deren Programm nicht, ansonsten hätte es z.B. keinen Schießbefehl auf Menschen gebraucht, welche das Land ohne einem staatlich genehmigten Ausreiseantrag verlassen wollten), waren auch einige Erklärungen falsch.

    So war der Grund der Veherrlichung der Arbeit im „Realsozialismus“ bzw. die entsprechende Moral weniger der angebliche Widerspruch, daß den Werktätigen erst die Produkte ihrer Arbeit vom Staat abgenommmen wurden, um diese anschließend „volksfreundlich“ zu verteilen, sondern vielmehr der Maßstab des Reichtums.

    Und der war letztlich auch im „Realsozialismus“ das Geld, in dem dieser gemessen wurde.
    Deshalb galt auch bei denen, daß der Staat bzw. die Gesellschaft umso reicher ist, je mehr gearbeitet wurde.
    Ein Irrsinn, den Karl Marx in seinem Lebenswerk „Das Kapital“ bereits im 1.Band kritisierte.

    Grüße
    Michael Hübner

  2. Noch ergänzend:
    Zudem wäre jemand, der sich mit dem damailgen „Realsozialismus“ beschäftigt, gut beraten, vor allem auch die damaligen Schriften von Lenin zu lesen.

    So verteidigte Lenin (auch nach 1917 z.B. in einer Artikelserie der Zeitung „Iswestija“) ausdrücklich einen Staatskapitalismus und bezeichnete diesen als einen großen Fortschritt.
    Da allerdings die damaligen „Bolschewiki“ mehrheitlich anscheinend kaum eine Ahnung von Ökonomie hatten, dachten diese nicht daran, daß mit einer weitgehenden Verstaatlichung der Produktionsmittel auch die Konkurrenz zwischen den Unternehmen und damit auch der Markt entfällt.
    (Was erstmal zu Hungersnöten usw. führte, die einigen Millionen Menschen das Leben kosteten und später in der NEP, d.h. „Neue Ökonomische Politik“, mündeten, in der die früheren marktwirtschaftlichen Verhältnisse mit Privateigentum usw. wieder hergestellt wurden.)

    Was wiederum zu der Erkenntnis führte, daß eine Verstaatlichung der Produktionsmittel eine wirtschaftliche Planung braucht.
    Da allerdings weiterhin am kapitalistischen Rahmen (mit Gewinn- und Verlustrechnung in den Betrieben, Banken und Kredit, Ware und Tauschwert, Lohnarbeit und Geld usw.) festgehalten wurde (anstatt einfach einer Planung zur Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse), kam zuletzt bekanntlich ein „3.Weg“ heraus, der weder eine Marktwirtschaft noch eine vernünftige Planwirtschaft war.
    Und was dessen „realsozialistischen“ MacherInnen selbst bis zuletzt ein weitgehendes Rätsel geblieben ist.

    Grüße
    Michael Hübner

  3. Noch eine Bemerkung zum „unverzeihlichen Fehler“ der damaligen „Realsozialisten“, der von Peter Decker etwas schwammig mit Gerechtigkeitsidealen umschrieben wurde.
    (Und den die frühere „Marxistische Gruppe“ wie alle damaligen sog. K-Gruppen übrigens wiederholte.)

    Der Ausgangspunkt dieses Fehlers ist das falsche Weltbild der „tradionellen Linken“, da diese meinen, daß die Ausbeutung (obwohl diese unbestreitbar ist) der Grund für die zunehmende kapitalistische Misere wäre.
    Nach dem Motto, daß die meisten deshalb so wenig, da einige andere soviel haben.
    (Als ob der kapitalistische Reichtum in den privaten Konsum der Kapitalisten bzw. Reichen und Vermögenden fließen würde, was der geringste Teil ist.)

    Während das in Wirklichkeit an dem bornierten (und von den allermeisten heutigen Menschen kaum verstandenen bzw. begriffenen – auch nicht von dessen MacherInnen aus Politik und Wirtschaft, ansonsten gäbe es z.B. keine Finanz- und Weltwirtschaftskrise) kapitalistischen Wirtschaftssystem als solches liegt, innerhalb dessen engen Grenzen es gar nicht möglich ist, genügend materiellen Wohlstand für möglichst alle Menschen zu schaffen.
    (Auch, wenn einige davon bislang profitiert haben.)

    Erstere werden „Klassenkämpfer“ für eine Umverteilung, die allerdings nicht zur Abschaffung des Kapitalismus führt, was spätestens seit den damaligen „Bolschewiki“ bzw. späteren „Realsozialisten“ klar sein hätte können.
    Und die anderen Kapitalismus-KritikerInnen.
    Wobei beides nicht dasselbe ist und ganz andere Ziele verfolgt.

    Grüße
    Michael Hübner

  4. Abschließend:
    Für erstere (Umverteilung) genügen einige Micky-Mouse-Hefte zur Erklärung der kapitalistischen bzw. bürgerlichen Verhältnisse, in denen sich bekanntlich Dagobert Duck am liebsten in seinen Goldstücken badete.
    (Ersatzweise auch die Geschichten von „Robin Hood“.)
    Während die anderen „Das Kapital“ von Karl Marx brauchen.

    Grüße
    Michael Hübner

  5. Noch der Vollständigkeit wegen:
    Das ist übrigens auch der Grund, warum die sozialistische bzw. kommunistische Bewegung inzwischen derart „auf den Hund“ gekommen ist und kaum noch jemand interessiert.
    Schließlich haben weder der damalige „Realsozialismus“ noch z.B. die frühere jugoslawische Arbeiterselbstverwaltung usw. eine wesentliche Verbesserung für die Werktätigen gebracht – oftmals sogar mehr das Gegenteil.
    Da alle bisherigen Versuche den kapitalistischen Rahmen nicht verlassen haben und (anstatt einer mehr oder wenigen blassen Kopie) letztlich wieder zum Original zurückkehrten.
    Deshalb bräuchte es eine weitaus radikalere Kritik als eine Umverteilung.

    Grüße
    Michael Hübner