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[09/2008] Kritik der Formalen Logik

Von • Sep 19th, 2008 • Kategorie: Artikel

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Aus: Die Münchner Philosophie Ethik, Logik und Wissenschaftstheorie Sinnstiftung und Skepsis – Das Programm einer wieder in Mode gekommenen Beamtenwissenschaft –  Resultate Verlag 1987

Einführung in die Formale Logik

Wissenschaftliche Bemühungen um den Ersatz des Denkens

Angesichts der Tatsache, dass die formale Logik einen anerkannten Bestandteil im Lehrprogramm der Universität darstellt und dass sie es in München sogar zu einem eigenen Lehrstuhl gebracht hat, nehmen es die Logiker von heute mit der Werbung für ihr Geschäft nicht mehr so ernst wie einst die Begründer dieser Disziplin. Ihre „Lehre vom korrekten Schließen“ (I) präsentieren sie zwar nach wie vor als ein den restlichen Wissenschaften erforderliches „Hilfsmittel“ :

„Hilfsmittel aus der Logik können… dazu beitragen, Annahmen klarer auszudrücken, als das gewöhnlich geschieht. Manchen Philosophen schwebte und schwebt aus diesem Grund vor, eine logisch ideale Sprache zu konstruieren.“ (I)

jedoch gleich mit dem Zusatz, dass „wir“ nach nunmehr immerhin 100-jähriger Anstrengung auf diesem Gebiet „so eine Sprache noch lange nicht“ (I) haben. Feststeht damit zum einen, dass sie immer noch jenes verkehrte Programm verfolgen, das sich aus dem Zirkel heraus begründet, die Wissenschaft der Logik sei die Voraussetzung aller Wissenschaft. Zum anderen jedoch ist die Absicht unübersehbar, sich an dem darin versprochenen Nutzen für die Wissenschaften nicht mehr messen lassen zu wollen. Offenbar können sich die Logiker unserer Tage sicher sein, dass die Bekundung, ein Nutzen ihres Treibens sei nicht abzusehen, von niemandem als Armutszeugnis verstanden wird, sondern als Auftrag, wie gehabt weiterzumachen.

Auch das „Problem“ der Wissenschaften, sich in „gewöhnlichem“ Deutsch „klar auszudrücken“, das die Logiker ganz ohne Studium und Kritik auch nur einer einzigen wissenschaftlichen „Annahme“ entdeckt haben wollen und zu dessen Lösung sie sich aufgerufen sehen, soll nach wie vor dasselbe sein. Weil aber ihre eigene Wissenschaft, gäbe es das „Problem“, sich verständlich zu machen, tatsächlich, gar nicht möglich wäre, beginnen moderne Logiker ihre Einführung in die Techniken des Konstruierens mit der Feststellung, dass das „Problem“ – die „Mehrdeutigkeit der natürlichen Sprache“  für sie ohne Belang ist:

„Wir werden uns im Folgenden auf eindeutige Sätze beschränken.“ (I)

Wozu eigentlich dann noch ihre ganzen Anstrengungen? Und auch bez�glich der angestrebten L�sung des „Problems“ � die „Mehrdeutigkeit“ wollen sie mit dem Inhalt des Denkens aus der Wissenschaft eliminieren, weil Schl�sse, die nichts mehr erschlie�en, garantiert eindeutig sind � halten Logiker unserer Tage gleich vorneweg eine Klarstellung f�r n�tzlich:

„Tautologie… Das ist der Schl�sselbegriff der gesamten Aussagenlogik.“ (I)

Was noch nicht mal im au�erwissenschaftlichen Rahmen als Folgerung aus einer Behauptung durchgehen w�rde � die schlichte Wiederholung derselben �, diese antiwissenschaftliche Sichtweise der Wissenschaft erf�hrt hier durch die selbstbewusste Pr�sentation als „Schl�sselbegriff“ den Charakter einer unwidersprechlichen Tatsache. Dass diese Setzung dem gew�hnlichen Verstandesgebrauch widerspricht, st�rt diese Logiker nicht. Die Bef�rchtung ist ihnen fremd, es k�nnte ihre „Lehre vom korrekten Schlie�en“ desavouieren (blamieren, blo�stellen), wenn sie das Prinzip der ihnen bekannten „korrekten“ Schl�sse darin zusammenfassen, dass bei denen nach dem ‚wenn‘ dasselbe steht wie nach dem ‚dann‘. Und so machen sie die hoffnungsfrohen Studiosi in aller Offenheit darauf aufmerksam, dass an diesem Fachbereich anders gedacht wird, damit ihr Verstand nicht zu einem Hindernis f�r ihre Teilnahme an den Veranstaltungen wird.

Mit der blo�en Aufkl�rung, dass in Logik-Kursen ein Fehler zum Prinzip des Denkens erhoben wird � an anderen Fachbereichen versteht man schon noch die vorgetragene Kritik als solche, eine Erkl�rung sei tautologisch �, ist es da freilich nicht getan. Der Verstand will erst daran gew�hnt werden, dass es nichts zu bedeuten hat, wenn ein Gedanke ihn beleidigt. Und diese Gew�hnung bef�rdern die professoralen Tautologiker durch die Auswahl ihrer Beispiele. Angst, mitgenommen zu werden, wenn sie die Methode dieser Auswahl wie folgt verraten, m�ssen sie als Amtstr�ger ja nicht haben:

„S�tze wie �Entweder New York ist eine Kleinstadt oder 5 ist eine Primzahl.� h�rt man wohl selten au�erhalb von Logikkursen oder psychiatrischen Abteilungen.“ (I)

Was ist das eigentlich f�r eine Wissenschaft, die sich in ihrer Selbstdarstellung nicht vom Kretinismus (allg. Formen geistiger Behinderung) unterscheiden mag?

„Logische Analyse“ � weder logisch noch Analyse

Die formale Logik will ein Hilfsmittel zur �berpr�fung der Schl�ssigkeit von Aussagen sein. Dazu meint sie, per „logischer Analyse“ die logische Form vom gedachten Inhalt eines Urteils absondern zu m�ssen. So stellt KEMMERLING in seinem Vorlesungsskript dem auch die eingangs zitierten Belege entnommen sind die Logik als „Lehre von Schl�ssen, die schon aufgrund ihrer Form zwingend sind“ (I) vor. Was sind das f�r „Schl�sse“ und wie steht es mit dem Verh�ltnis von logischer Form und Inhalt? Ein Exempel:

„Entweder Harvey schl�ft oder er l�pft einen.
Keinesfalls schl�ft Harvey.
———————————-
Er l�pft einen.“ (I)

„Zwingend“ ist an diesem „Schluss“ �berhaupt nichts. Warum soll Harvey nicht fernsehen oder gerade den GegenStandpunkt lesen? Obwohl nun Harvey entweder schl�ft oder beim Saufen ist, schl�ft er keinesfalls und wenn er gerade m�de vom Saufen heimgekommen ist? Daraus nun einen Schluss gezogen: Prost Harvey!

Die Albernheit solcher „Schl�sse“ besteht darin, dass der Inhalt der Form, in der er dargeboten wird, �berhaupt nicht entspricht. Da werden im Zusammenhang mit einem Harvey zwei m�gliche Bet�tigungsweisen genannt, von denen jede so m�glich ist wie die andere und wie jede x-beliebige, die man sich dazudenken kann; dann sollen aber ausgerechnet diese beiden eine ausschlie�ende und vollst�ndige Alternative bilden (entweder… oder) und �berdies die eine der beiden M�glichkeiten unter keinen Umst�nden m�glich sein (keinesfalls). Ein Argument daf�r gibt es weit und breit nicht, und der Logiker will es auch nur so festgelegt haben. Dann allerdings h�tte er sich dieses Tamtam mit dem ganzen „Schluss“ auch sparen k�nnen und gleich den Schlusssatz festlegen k�nnen. Nun soll gerade dieser Unsinn das Paradebeispiel f�r logische Unbedenklichkeit sein. Das macht die „logische Analyse“ deutlich:

„Das wird deutlich wenn man das inhaltliche Fleisch jeweils wegl�sst und damit das logische Gerippe freilegt.

Entweder oder…
Keinesfalls
——————–
…“ (I)

Nun mag es zwar sein, dass man bei solchen Intelligenzleistungen den Inhalt gerade so gut weglassen kann. Das hei�t jedoch noch lange nicht, dass das Weglassen eine Analyse ist, die noch dazu etwas Logisches freilegt.

Abstrahiert man n�mlich von dem Inhalt eines Schlusses, so abstrahiert man damit auch von der logischen Formbestimmung dieses Inhalts, die sprachlich in den verschiedenen Konjunktionen („wenn… dann“, „weil“ usf.) ausgedr�ckt wird. Wenn ein „entweder… oder“ beispielsweise einen logischen Zusammenhang bezeichnet, dann besteht dieser in dem notwendigen Verh�ltnis einer Gattung zu ihren Arten, die sich wechselseitig ausschlie�en und in ihrer Vollst�ndigkeit die Gattung ausmachen (Hegel nennt dieses Verh�ltnis das der Disjunktion). F�r dieses logische Verh�ltnis ist der Inhalt des Gattungsbegriffs keineswegs belanglos, weil sich aus diesem Inhalt erst ergibt, in welche Arten sich die Gattung aufgliedert. Solche logische Notwendigkeit ist dann durchaus nicht mehr zu verwechseln mit Albernheiten �ber einen Harvey.

Was KEMMERLING f�r die logische Form eines Urteils h�lt, sind denn auch nur die sprachlichen Mittel, in denen logische Verh�ltnisse ausgedr�ckt werden k�nnen, sofern solche notwendigen Zusammenh�nge n�mlich gedacht werden, die sprachlichen Konjunktionen also die Rolle logischer Partikel im Urteil spielen, und die ansonsten ebenso dazu taugen, S�tze zu bilden, die keine Spur von logischer Notwendigkeit enthalten, weil in ihnen nur von einem ihrem Gegenstand �u�erlichen Verh�ltnis die Rede ist wie dem zwischen dem Harvey und dem Schnaps, den er „l�pft“, wenn er nicht gerade schl�ft. Indem KEMMERLING das sprachliche Ausdrucksmittel f�r logische Verh�ltnisse mit dem logischen Verh�ltnis identifiziert, bereinigt er einerseits die Logik gerade von dem Logischen, von der gedanklichen Leistung, die innere Notwendigkeit einer Sache herauszufinden. Andererseits will er als Spezialist f�r Konjunktionen gerade in dem Vorhaben, die theoretische Notwendigkeit getrennt vom Inhalt des Gedankens am Gebrauch der grammatischen Mittel ihres Ausdrucks zu �berpr�fen, kein Grammatiker werden, sondern Logiker bleiben. Nach wie vor geht es ihm um „logische Wahrheit“, „zwingende Schl�sse“, also um das Feld der theoretischen Notwendigkeit und deren �berpr�fung. Aus diesem Grund besteht f�r ihn die „logische Analyse“ nicht einfach in der Reduktion von S�tzen auf die darin vorkommenden Konjunktionen, logischen Partikel und was sonst an grammatikalischen Formen alles ben�tzt wird. Deren Untersuchung f�llt nicht in sein Gebiet, und so wird neben der behaupteten Identit�t von Logik und ihren sprachlichen Ausdrucksmitteln auch die Differenz beider als Problem produktiv gemacht:

„Viele Aussagen stellen ihre Knochen nicht derart zur Schau. Die dann n�tige Arbeit des Skelettierens hei�t logische Analyse. Mit ihr soll die logisch relevante Form insbesondere auch da freigelegt werden, wo sie von der sprachlichen verdeckt wird.“ (I)

Die Sprache verdeckt also zugleich, was sie ausdr�ckt. Eine �beraus trickreiche Leistung. Allerdings keine der Sprache, in der man nur deshalb wie hier „zur Schau“ gestellt m�helos diesen Widersinn formulieren kann, weil sie selbst nicht mal falsche Gedanken „verdeckt“. Vielmehr ist es eine Leistung des Logikers, der sich mit diesem ausgesprochenen Widerspruch den Auftrag erteilt, „freizulegen“, was ihm „relevant“ erscheint, obwohl bzw. weil an „vielen“ Aussagen nicht zu entdecken. Eine feine Analyse, bei deren Resultat es „insbesondere“ auf die Differenz zum Analysierten ankommt! Wenn also die „logisch relevante Form“ von ihrem sprachlichen Ausdruck nicht nur ver-, sondern g�nzlich geschieden sein soll, dann muss um des Ideals der Identit�t willen, das ja deshalb nicht aufgegeben wird, f�r diese „Logik“ der Sprache erst eine eigene „Sprache“ der Logik erfunden und konstruiert werden: „Logische“ „Zeichen“.

Das Handwerkszeug des Logikers: 1. Die Junktoren…

Junktor (lat.): Verbinder, Verkn�pfer. Mit Junktoren kann man S�tze verbinden und dadurch „komplexe Aussagen“ (I) bilden � ein interessantes Angebot an die Intelligenz also. Logiker kennen von diesen Satzverbindern f�nf St�ck, die eine entfernte �hnlichkeit mit Konjunktionen wie „und“, „oder“, „wenn… dann“ und der Negation „nicht“ haben sollen, die aber ganz andere Eigenschaften haben. Wie wird ein solcher Junktor eingef�hrt? Wieder ein Beispiel: Der Junktor , der auch „Konjunktion“ hei�t und an das deutsche „und“ erinnern soll:

„Mit Wahrheitstafeln k�nnen wir die Bedeutung von Junktoren v�llig eindeutig und vollst�ndig angeben, ohne auf das Deutsche oder sonst eine vertraute Sprache zur�ckzugreifen. Damit w�rden wir ja, wie wir gesehen haben, stilistische oder gar inhaltliche Beimischungen in Kauf nehmen m�ssen, die logisch unerheblich und f�r unsere Zwecke nur erschwerend sind. Fangen wir hiermit an:


Das ist also ein zweistelliger Junktor, bei dem die resultierende komplexe Aussage nur dann wahr ist, wenn beide Konstituentenaussagen es sind.“ (I)

Gott sei Dank hat KEMMERLING seine „Wahrheitstafel“ in einer uns „vertrauten Sprache“ erl�utert. So k�nnen wir wenigstens den Gedanken nachvollziehen, den diese Tafel ausdr�ckt � und das ist logisch nicht ganz „unerheblich“. Es geht um die Bedeutung eines solchen Satzverbinders () und die soll durch die Bedingungen, unter welchen die durch dieses Hakerl zustande gekommene Verbindung von S�tzen wahr (w) und unter welchen sie falsch (f) ist, festgelegt sein. Auf den Inhalt der verbundenen S�tze kommt es dabei offenbar nicht an, weswegen KEMMERLING auch von ihm abstrahiert hat (A1, A2). Fest steht zun�chst einmal, dass das angeblich logisch relevante Hakerl �berhaupt keine Bedeutung haben kann. Es soll die Verbindung zweier x-beliebiger S�tze ausdr�cken und explizit nicht ihr logisches Verh�ltnis – was soll sich bei A1 und A2 auch schon zueinander verhalten? Es ist also dem durch es Verbundenen v�llig �u�erlich � eben ein schlichtes Hakerl, das zwischen zwei Buchstaben steht. Durch ein seltsames Verfahren soll dieses Hakerl Bedeutung erhalten: N�mlich durch die Beantwortung der Frage, wann A1A2 wahr und wann es falsch ist. Man soll also gegen jeden Augenschein so tun, als w�re A1A2 eine „Aussage“, bei der sich die Wahrheitsfrage stellt, und mu� dabei erst einmal �bersehen, dass die Beantwortung dieser Frage die Kenntnis der Bedeutung dieses Hakerls voraussetzte, die durch diese Beantwortung erst festgesetzt werden soll. Konsequenterweise hat das Hakerl auch nach Beantwortung der Frage keine Bedeutung, aber man kann es nun regelrecht anwenden, d.h. nur dann, wenn die „Wahrheitstafel“ seine Anwendung als „wahr“ definiert: Wahr ist, was als wahr definiert wurde -; bei diesem Irrsinn lassen sich zwar wahr und falsch endg�ltig nur noch durch den Namen, also gar nicht unterscheiden � andere Logiker, denen diese beiden „Wahrheitswerte“ zu wenig waren, sind �brigens ganz ernsthaft und ganz in diesem Sinne auf den Witz verfallen, die „Wahrheitswerte“ „fahr“ und „walsch“ zu definieren � , aber auf diese Idiotie kommt es dem Logiker an: Indem er das regelgerechte Verkn�pfen zur Wahrheitsfrage erhebt, setzt er nicht nur die Behauptung in die Welt, dass durch das Zusammensetzen von Aussagen ein logischer Zusammenhang zwischen ihnen entsteht, sondern er hat damit endlich ein Verfahren gefunden, mit dem sich die Wahrheit solcher „(‚logischer‘) Zusammenh�nge“ an einer Regel �berpr�fen l�sst. Man kann die Wahrheitstafel n�mlich auch anders lesen:

„Die Wahrheitstafel ist jetzt demnach nicht mehr als Erl�uterung eines Junktors zu verstehen, sondern als eine Darstellung dessen, wie sich der Wahrheitswert einer komplexen Aussage aus den Wahrheitswerten seiner aussagenlogisch elementaren Konstitutentenaussagen ergibt. Deswegen �ndert sich auch die offizielle Lesart der Tafeln. Die Tafeln zeigen uns, wie der Wahrheitswert einer komplexen Aussage… jeweils durch eine Bewertung der elementaren Aussagen… festgelegt ist.“ (I)

Die Wahrheitstafel ist also nicht blo� die Definition eines f�r sich genommen bedeutungslosen Zeichens durch die Regel seiner Anwendung � darin unterscheidet sich �brigens ein solches ‚logisches Zeichen‘ in nichts von einer Schachfigur �, sondern weil der Logiker so frei war, regelgem�� mit ‚wahr‘ zu identifizieren, l�sst sich nun diese Anwendungsregel f�r das Hakerl als ein Verfahren betrachten, das bei der Kl�rung der Wahrheit von Aussagen dienlich ist. Kommt n�mlich ein logischer Zusammenhang durch die Anwendung eines Satzverbinders zustande, wie der Logiker in seinem Konstruktionswahn meint, dann l�sst sich seine Wahrheit an der regelgerechten Verwendung dieses Verbinders ablesen � ein Blick auf die Wahrheitstafel gen�gt, und ohne Nachdenken ist die Wahrheit einer Aussage �berpr�ft.

Was da �berpr�ft wird, ist damit freilich auch nicht mehr die logische Wahrheit von Urteilen: Innerhalb des Konstrukts und nur da kann man nun darauf aufpassen, dass alles in Ordnung geht; also nicht nur f�r bedeutungslose Zeichen ebenso grund- und zwecklose Anwendungsregeln erfinden, sondern dann auch diese Zeichen, die nichts bezeichnen, diesen Regeln gem�� anwenden und ihre Anwendung an den Regeln ihrer Anwendung �berpr�fen. So ist in diesem Konstrukt wenigstens ein Ertrag handgreiflich: dass der Anspruch auf logische Wahrheit nur dann gestellt werden darf, wenn er dem Anspruch auf Objektivit�t, auf Wissen �ber die Welt entgegengesetzt wurde.

…2. Die Quantoren

An diesem Ertrag �ndert auch der Umstand nichts, dass die Logiker selbst den Unterschied kennen zwischen der Handhabung von Satzverbindern und dem Treiben der Wissenschaften, das sie „analysieren“. Diese Einsicht, dass aus S�tzen wie: „Ertl ist dick.“ oder „Wolfgang hat am 21.2.1980 zuviel getrunken.“ � auch wenn man sie verbindet � keine Wissenschaft zu machen ist, ist n�mlich keine Kritik ihrer „Analyse“, sondern befl�gelt sie, das Instrumentarium ihrer „Analyse“ zu erweitern, um damit ihr Bild von Wissenschaft zu
vervollkommnen.

So z�hlen sie au�er „Junktoren“ auch noch „Quantoren“ zu ihrer Grundausstattung. Dass es das, wovon eine Wissenschaft handelt, auch gibt, ist ihnen ebensowenig selbstverst�ndlich wie der Umstand, dass das, was die Wissenschaft �ber ihren jeweiligen Gegenstand herausfindet, auf alle Exemplare desselben zutrifft. Dies zu betonen, ist ihnen zwei weitere „logische Zeichen“ wert: einen „Existenzquantor“ („Es gibt ein x, f�r das gilt…“) und einen „Allquantor“ („F�r alle x gilt, x ist…“). Sie machen damit deutlich, dass ihnen � auf durchaus ungen�gende Weise � bekannt ist, dass die Notwendigkeit wissenschaftlicher Theorien den Charakter der Allgemeinheit hat; ihrer Ansicht nach besteht diese Allgemeinheit in dem Verh�ltnis der einzelnen Existenz zur Allheit. Die Leistung der Wissenschaften, die nat�rlichen, geistigen und gesellschaftlichen Ph�nomene auf ihre Gesetzm��igkeiten zur�ckzuf�hren, identifizieren sie mit der etwas d�mmlichen Vorstellung, die Wissenschaften w�rden das Reich der unbegriffenen Anschauungen und Erfahrungen in Alls�tze gleichen Inhalts �bersetzen, damit man dann umgekehrt aus diesen Alls�tzen �ber jedes Trumm Realit�t, das unter einen solchen Satz f�llt, das entsprechende Erfahrungsurteil ableiten kann; und deshalb halten sie den Dreisatz:

„Alle Menschen sind sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
—————————–
Sokrates ist sterblich.“

nach wie vor für das Muster wissenschaftlicher Schlüssigkeit. Auch bei „Schl�ssen“ dieses Kalibers gr�ndet „logische Wahrheit“ und „Notwendigkeit“ darauf, dass in ihnen gar nichts behauptet wird, was wahr oder notwendig sein k�nnte: Nur wenn alle Menschen der Tod erwartet, darf man diesem „Schluss“ zufolge die Sterblichkeit des alten Philosophen f�r eine Gewissheit halten; und ob diese „Pr�misse“ stimmt, das h�ngt unter anderem davon ab, ob der Sokrates nun sterblich ist oder nicht. Aber was soll man diesen Zirkel einem Logiker erkl�ren, wo der den Gegensatz von Logik und Erkenntnis propagiert

„Logisch korrekte Schlüsse sind epistemische Langweiler.“ (I) -,

weil er bei Nichterkenntnissen den Vorteil entdeckt haben will, dass man ihre Schl�ssigkeit getrennt vom Inhalt eines Gedankens ganz �u�erlich an der Stellung seiner Quantoren �berpr�fen kann.

Übung macht den Meister

Weil es an all den „Junktoren“ und „Quantoren“ und dem Umgang mit ihnen nichts zu begreifen gibt, ist beim Aneignen dieser Wissenschaft eine andere Geistest�tigkeit verlangt als die des Nachdenkens. All die Festsetzungen, mit denen die formalen Logiker ihre „Zeichen“ definieren � und ein Blick in ein x-beliebiges Logik-Lehrbuch zeigt, dass diese Festsetzungen schon rein r�umlich betrachtet die halbe Wissenschaft ausmachen �, mu� man sich merken, damit man die verschiedenen Hakerl nicht durcheinanderbringt. Und bei dieser Gedächtnisleistung hilft noch nicht einmal die Vorstellungskraft, mit der man sich in anderen Wissenschaften falsche Gedanken verplausibilisieren kann, weil es bei der richtigen Verteilung von „w“ und „f“ auf der „Wahrheitstafel“, die dar�ber entscheidet, ob nun von einem „v“ oder von einem „n“ die Rede ist, nichts vorzustellen gibt. Zwar lernt man damit die Anwendungsregeln dieser „Zeichen“ innerhalb des Konstrukts kennen � sie „bedeuten“ ja gar nichts au�er der Regel ihres Gebrauchs �, aber der fl�ssige Umgang mit ihnen ist dann doch noch etwas anderes. Der will ge�bt sein, zumal die Kombination der verschiedenen „Zeichen“ in einer „Aussage“ die Sache einigerma�en kompliziert macht. Wer �berblickt schon, ob

ein g�ltiger „Schluss“ ist?

Bei alledem darf einem der Verstand nicht mit der Frage nach dem Zweck solcher Anstrengungen und nach dem Nutzen der Aufl�sung solcher �bungsaufgaben in die Quere kommen. Zweck und Nutzen dieser Geistesanstrengung ist n�mlich sie selbst und die entsprechende Gew�hnung daran, dass sich der Geist in seiner Unterwerfung unter einen Regelkanon zu bet�tigen hat, an dem es f�r ihn nichts einzusehen gibt. Beherrscht man es dann schlie�lich, „logisches“ Krixelkraxel ohne jede Regelverletzung in einer Geschwindigkeit zu Papier zu bringen, in der andere Leute nur ihren eigenen Namen schreiben k�nnen, dann ist auch wieder ein Urteil verlangt. Ein Urteil n�mlich dar�ber, was das soeben eingebimste „Logiksystem“ � verglichen mit anderen, denn derer gibt es im Reich der geregelten Willk�r mehrere, und gemessen an den g�nzlich dem Konstrukt immanenten Kriterien seines Gelingens � alles „kann“ und wie es durch neue Festsetzungen weiterzuentwickeln und zu verbessern w�re.

An der Forschungsfront

Solange n�mlich die Logiker den theoretischen Widerspruch ihres Gesch�fts, die Wahrheit von Urteilen und Schl�ssen �berpr�fen zu wollen, indem sie die Wahrheit von ihrem Inhalt trennen, als Problem und Aufgabe verhandeln, ist der Fortschritt dieser Disziplin gesichert. Der Wahn, ein Verfahren konstruieren zu m�ssen, das es erlaubt, „Aussagen“ zu beurteilen, ohne deren Inhalt zu beurteilen, schlie�t n�mlich nicht nur die Willk�r der Konstruktion und der Festlegung von Spielregeln ein. Das Konstrukt soll nachher als Ma�stab taugen f�r „Aussagen“, die sich nach dessen immanenten Gesetzm��igkeiten gar nicht richten, sich also an diesem konstruierten Ma�stab gar nicht messen lassen; was laufend dem Logiker die Anstrengung abn�tigt, seinen fiktiven Ma�stab der Sache „angemessener“ zu machen.

So sind die Logiker beispielsweise selbst auf das „Problem“ gesto�en, dass es S�tze geben k�nnte, die ihrer Natur nach die eindeutige Zuordnung von wahr und falsch gar nicht erlauben � ihre eigenen Urteile meinen sei damit freilich nicht; sie sinnen vielmehr auf den Widerspruch eines universell anwendbaren, vom Inhalt einer besonderen „Aussage“ unabh�ngigen Verfahrens der Entscheidung und L�sung, wenn die Zuordnung nicht m�glich ist. Was liegt da n�her, als sich solche S�tze auszudenken, damit endlich die Frage gekl�rt werden kann, wie mit ihnen zu verfahren ist.

So hat sich der M�nchner Logiker BLAU auf dem Gebiet „Logik der Unbestimmtheit und der Paradoxien“ zum Spezialisten gemausert. Er hat sich eine „sechswertige unendlichstufige Reflexionslogik (LR)“ erdacht, die zweifelsohne mehr „leistet“ als die herk�mmlichen „Logiksysteme“, die mit „wahr“ und „falsch“ nicht sechs, sondern nur zwei Antworten auf die Wahrheitsfrage anzubieten haben. Mit ihr kann man das folgende „Ph�nomen der nat�rlichen Sprache“ (II) endlich in den Griff bekommen:

„(1) Satz (1) ist nicht wahr.“ Oder: „Dieser Satz ist falsch.“ Wobei das ‚dieser‘ sich auf eben diesen Satz bezieht.“ (II)

Gew�hnlich beziehen sich S�tze, die beurteilen, ob etwas wahr oder falsch ist, auf eine Behauptung. Bei „Satz (I)“ ist dies anders: Er will nichts behauptet haben, aber ein Urteil �ber seine Wahrheit gef�llt haben; n�mlich, dass er falsch ist. Um ein „Ph�nomen“, das irgendwo aufgetreten w�re und die Wissenschaft nun vor das Problem stellt, mit ihm fertigzuwerden, handelt es sich bei diesem „Satz“ nicht. Solche „S�tze“ sind vielmehr systematisch konstruierte Idiotien. An seinem eigens zu diesem Behufe von ihm ausgedachten „Satz (1)“ entdeckt BLAU das „Problem“, dass er „genau dann wahr ist, wenn er falsch ist“. Dass die Frage nach der Wahrheit eines Satzes sich nicht nach der Wahrheit eines Satzes, sondern ihren Bedingungen erkundigt, ist ihm gel�ufig, seit er das erste Mal eine „Einf�hrung in die Logik“ besucht hat und warum soll dann nicht auch einmal die Falschheit die Bedingung der Wahrheit eines Satzes sein? Jedenfalls findet er nichts besonderes dabei, dem Idioten, der seinen Willen bekundet, nichts behauptet haben zu wollen, die Frage zu stellen, ob er damit recht hat oder nicht. Auch die Antwort auf diese Frage, dass der Idiot richtig liegt, wenn er nicht recht hat, findet BLAU korrekt. Nur f�llt ihm an dieser Antwort auf, dass sie nicht das letzte Wort sein kann, wenn es darum geht, dem „Satz (1)“ eindeutig einen Wahrheitswert zuzuordnen. Das bislang letzte Wort in dieser Angelegenheit, das BLAU mit seiner neuen „Logik“ gegeben hat, lautet wie folgt:

„Solange wir blind, auf der 0. Reflexionsstufe, dem Zirkel folgen, erkennen wir nichts. Aber sobald wir erkennen, dass wir nichts erkennen werden, haben wir den Zirkel schon durchbrochen: Wir erkennen auf der ersten Reflexionsstufe, dass (1) auf der 0. Stufe offen und daher unbestimmt ist. Aber das sagt er selbst nicht: Nun erkennen wir, dass (1) auf der ersten Stufe falsch ist. Aber das sagt er: Nun erkennen wir, dass er auf der zweiten Stufe wahr ist. Aber das sagt er nicht… Insgesamt erkennen wir: ‚Dieser Satz ist falsch‘ ist 0,f,w,f,w…“ (II)

Wir erkennen „zun�chst, dass BLAU, wenn er �ber „Satz (1)“ zu „reflektieren“ beginnt, der zirkul�re Wahnsinn, dass hier eine Wahrheit vorliegt, sofern sie falsch ist und umgekehrt, durchaus einleuchtet, nur taugt diese ‚Erkenntnis‘ f�r sein Bed�rfnis der eindeutigen Zuordnung von w und f zu „Satz (1)“ „nichts“. Also „muss“ der Zirkel weiterentwickelt werden, und „wir erkennen“, dass BLAU den Schwindel begeht, seine Unzufriedenheit mit der Uneindeutigkeit der Zuordnung von w und f zu „Satz (1)“ in die ‚Erkenntnis‘ zu �bersetzen, dass „Satz (1)“ eindeutig „unbestimmt“ ist. Dieser eindeutige „Wahrheitswert“ ‚wei� nicht‘ � nun gibt es also schon drei davon � dr�ckt zwar nichts anderes aus, als dass BLAU nicht wei�, ob „Satz (1)“ w oder f ist „aber“ er ist offenbar der Hebel, den Zirkel in einen infiniten Progress umzuformulieren und dadurch zu „durchbrechen“. Das funktioniert so, dass man diesen neuen „Wahrheitswert“ mit dem „Wahrheitswert“, den sich „Satz (1)“ selbst zuordnet, vergleicht: Die Wahrheit von „Satz (1)“ h�ngt nun nicht mehr von seiner Falschheit ab, sondern von der jeweiligen „Reflexionsstufe“ � auf der „zweiten Reflexionsstufe“ ist der „Satz“ beispielsweise eindeutig wahr; das geht schon daraus hervor, dass er auf der ersten eindeutig falsch ist…

Die eigens hierf�r erdachte Idiotie „Dieser Satz ist falsch.“ ist nun zwar immer noch w und f, aber jetzt nicht mehr gleichzeitig, sondern sozusagen hintereinander. Ein ungemeiner Fortschritt: Man kann nun � die „sechswertige unendlichstufige Reflexionslogik“ erm�glicht dies � eindeutig beantworten, wo „Satz (1)“ wahr und wo er falsch ist. So hat sich die formale Logik, die sich zur Beurteilung der Wahrheitsfrage ihre logische Sprache geschaffen hat, erst einmal davon freigemacht, sich an dem von ihr pr�tendierten Nutzen auch messen zu lassen. Bis der fix und fertig ausgebaute Formelapparat die Richtigkeit seiner Anwendung auf die normale Sprache vielleicht eines Tages wirklich beweist, beteuern sie die Problematik dieses Vergleichs, den sie so untersagen, und widmen sich guten Gewissens dem fortw�hrenden Ausbau der Logik, der schon genug Schwierigkeiten macht, auf die sie so versessen sind. Auch eine Weise, mit der puren Existenz einer Wissenschaft f�r sie zu argumentieren.

Quellen:
(I) A. KEMMERLING: Logik (Vorlesungsbegleitskript)
(A.K. war von 1983 � 1999 Professor f�r Analytische Philosophie an der LMU M�nchen, seit
1999 ist er Professor f�r Philosophie an der Universit�t Heidelberg)
(II) U. BLAU: Die Logik der Unbestimmtheit und der Paradoxien
(U.K., Professor (i.R), t�tig am Lehrstuhl Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie der
LMU M�nchen)

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3 Responses »

  1. Es gibt einen Mitschnitt einer Veranstaltung mit Karl Held zum Thema:
    http://www.divshare.com/download/2348325-828

    Die Audiodatei ist im freien OGG Format, zum Abspielen empfiehlt sich der Mediaplayer VLC:
    http://www.videolan.org/vlc/

  2. OGG ist zwar ein recht gutes Audioformat wenn es um bessere Qualität bei gegebener Dateigröße geht. Es ist aber nur auf relativ wenigen Audio-Playern abspielbar. Aus Kompatibilitätsgründen sollte man sowas deshalb lieber in guter MP3-Qualität zur Verfügung stellen. Das buchstäblich jedes Gerät abspielen.

    Natürlich kann man auch kostenlos mit foobar2000 oder mit dbPoweramp eine OGG-Datei mühsam nach MP3 konvertieren, wenn sie wie hier leider im „falschen“ Format vorliegt.

  3. Möglicherweise ist mein Logik-Projekt, welches ebenso die formale Logik als fehlerhaftes System angreift, für Sie interessant (Manfred Brill, Logik ohne Qual, 2012, siehe meine Homepage: http://www.logik-brill.de)

    Mit freundlichen Grüßen
    Manfred Brill