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Kritik an Ideologien, Aufklärung über populäre Irrtümer, Kommentare zum Zeitgeschehen

[online] 27.05.2004 | Berlin | Kritik der Philosophie

Von • Mai 27th, 2004 • Kategorie: Veranstaltungen

Aufzeichnung einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung am 27. Mai 2004 in Berlin.

Thema: Kritik der Philosophie: Ein Denken aus dem Geist der Rechtfertigung

Referent: Dr. Peter Decker

Technisches Update: Lücke im ersten Teil ist beseitigt. Gesamtdatei ist verfügbar

Ankündigung:

Die Philosophie, hieß es einmal, sei die Königin der Wissenschaften und zugleich die Magd der Theologie. Diese Auskunft ist nicht so verkehrt. Sie wirft ein bezeichnendes Licht – auf die anderen Wissenschaften, und ebenso auf das Fach, das der Hort der Vernunft gegenüber den „beschränkten“ Fach- und Verstandeswissenschaften sein will.

Philosophen sind stolz darauf, dass ihr Reich der Selbstreflexion im eigentlichen Sinn keine Wissenschaft von etwas ist. Gerne bekennen sie mit den Worten des alten Sokrates: “Ich weiß, dass ich nichts weiß!” Das halten sie aber nicht für das Eingeständnis, dass ihre Kunst das Interesse der wissbegierigen Jugend nicht verdient; im Gegenteil: Philosophie bietet kein Wissen, dafür viel besseres: Weisheit. Man kann Philosophie nicht lernen, heißt es, man muss selbst philosophieren!

Und wenn man das tut, betätigt man sich als unüberbietbar kritischer Geist. Philosophie ist das kritische Denken schlechthin; sie erklärt nichts, und hinterfragt dafür alles. Vor allem das Wissen selbst, aber auch das Wollen und die Wirklichkeit als solche. In ihrer kritischen Frage nach dem “Woher, Wohin und Wozu von Welt und Leben” (Heidegger) und in ihrer Distanz zum “Bloß Seienden” (Adorno) betätigt sie mit den Mitteln des Verstandes die religiöse Sehnsucht nach dem lieben Gott und dem “transzendentalen Obdach”, das der Glaube gewähren würde – wenn der moderne Mensch halt noch glauben könnte.

Die Philosophie ist das ausdrückliche und – ironisch genug – argumentative Bekenntnis zum Irrationalismus in der Wissenschaft. Ihre Vertreter werden freilich von den anderen wissenschaftlichen Disziplinen nicht geschnitten und aus dem Kreis derer, die Wissen erarbeiten, ausgeschlossen. Sie werden von ihnen vielmehr als die korrekten Interpreten des wissenschaftlichen Denkens anerkannt. Was eine Theorie sei, wie das Erklären geht, was das Ziel der Forschung zu sein habe, – das lassen sich die Wissenschaftler von Philosophen erläutern. Ihr Fach ist das affirmative Selbstbewusstsein einer verkehrten Wissenschaft.

Gliederung:

1. Philosophen über Philosophie: Staunen – Wahrheitspathos und Wissenschaftsverachtung – kritisches Hinterfragen des Selbstverständlichen

2. Die radikale Warum-Frage: Missbrauch und Mangel der logischen Kategorie ‚Grund’ – Legitimation statt Erklärung

3. Die Anwendung des Rechtfertigungsdenkens auf Wissenschaft, Moral und Leben

A) Was kann ich wissen? – Prüfung der Leistungsfähigkeit des Erkenntnisvermögens – „Die Möglichkeit von Wissenschaft“ und ihre Grenzen

B) Was soll ich tun? Die Forderung, Zwecke zu rechtfertigen, und ihre tautologische Erfüllung

C) Was darf ich hoffen? Lebenssinn, Versöhnung, ein transzendentales Obdach – kurz: Religionsersatz modern. Die Fortsetzung der Metaphysik über ihr Ende hinaus.

 

Mitschnitt:

https://www.argudiss.de/philosophie-denken-aus-dem-geist-rechtfertigung

 

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