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[online] 19.10.2009 | Wien | Lehren aus 2 Jahren Weltwirtschaftskrise (Teil 1 + 2)

Von • Okt 19th, 2009 • Kategorie: Veranstaltungen

Die GEGENSTANDPUNKT-Redaktion bietet die Gelegenheit zur politischen Diskussion auf der Veranstaltung

am Montag, den 19. Oktober 2009, um 19:00 Uhr
in der Universität Wien, Hauptgebäude, HS 28, Dr. Karl-Lueger-Ring, 1010 Wien

und

am Dienstag, den 20. Oktober 2009, um 19:00 Uhr
in der Universität Wien, Hauptgebäude, HS 50, Dr. Karl-Lueger-Ring, 1010 Wien
Veranstalter: Gegenstandpunkt / Gegenargumente Wien

Thema: Lehren aus zwei Jahren Weltwirtschaftskrise (Teil 1 und 2)

Referent Dr. Theo Wentzke

Die Krise des weltweiten kapitalistischen Geschäfts geht in ihr drittes Jahr. Was im Sommer 2007 als Irritation in einer Spezialabteilung des US-amerikanischen Kreditgewerbes begann – die Entwertung von Wertpapieren, in denen unter anderem private Hypothekenschulden zu spekulativen Geschäftsartikeln verarbeitet worden waren, sowie die nachfolgende Zahlungsunfähigkeit der zwecks Schaffung und Vermarktung dieser Produkte konstruierten Zweckgesellschaften – , ist folgerichtig immer weitergegangen. Der Zusammenbruch des Handels in diesem einen Sektor des Derivate-Marktes sowie der Emittenten der einschlägigen Handelsartikel hat deren Kundschaft wie deren Konstrukteure beschädigt. Die Verluste vieler, der Bankrott einiger Kreditinstitute haben weitere Abteilungen des Kapitalmarkts lahmgelegt; die Lahmlegung des Geschäftsgangs auf diesen Märkten hat weitere Investoren und Emittenten ruiniert. Mittlerweile sind Großunternehmen der Finanzbranche in aller Welt praktisch pleite, einige auch tatsächlich liquidiert worden. Die Abschreibungen betroffener Firmen auf ihr Wertpapiervermögen belaufen sich auf mehrstellige Milliardensummen; die womöglich noch abzuschreibenden Finanzwerte & Papiere, die die Bilanzen ihrer Inhaber „vergiften“ – addieren sich schätzungsweise zu einem Mehrfachen dieses Betrags; und diese Summe sinkt nicht wirklich mit den tatsächlich vorgenommenen Abschreibungen, zeigt eher steigende Tendenz, weil mit dem Wertpapiervermögen der Kreditunternehmen deren Fähigkeit und Bereitschaft abnehmen, den Handel mit der Spekulationsware wieder aufzunehmen und ihr dadurch wieder einen Marktwert zu verschaffen. Die mehr als ein Jahr lang beschworene Hoffnung, die Konsequenzen dieses fortschreitenden Entwertungsprozesses ließen sich auf bestimmte „hochspekulative“ Abteilungen des Weltfinanzmarktes begrenzen oder wenigstens von der „Realwirtschaft“ fernhalten, hat sich längst als Illusion erwiesen: Die „Rezession“ ist da und so massiv wie lange nicht; auch bedeutende Traditionsfirmen aus den führenden Heimatländern des globalen Kapitalismus melden Insolvenz an; wo es Sozial- und Arbeitsämter gibt, registrieren diese einen nicht nachlassenden Ansturm von Entlassenen, organisieren flächendeckend Kurzarbeit und verzeichnen eine sprunghafte Zunahme „prekärer Beschäftigungsverhältnisse“.

Mitte 2009 ist der Ausblick bestenfalls gemischt. An den großen Börsen steigen die Aktienkurse wieder, sogar über Wochen hinweg; die größten unter den überlebenden Banken bilanzieren 10-stellige Dollar- resp. Euro-Gewinne; es gibt wieder Aufträge für verschiedene Firmen der Exportindustrie. Andererseits drohen Insolvenzen bei privaten wie bei kommerziellen Kreditkunden und damit nicht bloß neue Verluste bei den Kreditgebern, sondern weitere Offenbarungseide über die Wertlosigkeit abgeleiteter Wertpapiere; deswegen verschärfen umgekehrt Kreditgeber ihre Konditionen und Investoren ihre Anforderungen; mit der absehbaren Folge weiterer Konkurse, die wieder aufs Finanzgewerbe zurückwirken, dessen Potenz und Geschäftsvolumen schädigen und so fort. Der ganze Wirtschaftskreislauf funktioniert, eingestandenermaßen, nur deswegen überhaupt noch, weil die Regierungen der großen Weltwirtschaftsmächte ihre Finanzindustrien mit abenteuerlichen Milliardensummen an Bürgschaften und „Kapitalspritzen“ vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt und so den Fortgang des gesellschaftlichen Zahlungsverkehrs sichergestellt haben. Wenn in manchen Abteilungen der Kreditwirtschaft und der Industrie wieder Geld verdient wird und Gewinne ausgewiesen werden, dann auch nur deswegen, weil die Staaten, die es sich leisten können, mit Konjunkturprogrammen auf Schuldenbasis und mit der Emission der entsprechenden Anleihen für Geschäftsgelegenheiten gesorgt haben. Beides, die Rettung des Kreditwesens und die „Ankurbelung der Konjunktur“ durch Staatsschulden, gilt als unbedingt notwendig, aber nur einerseits als nützlich, der Erfolg andererseits als zweifelhaft und ein neues Problem als sicher: Die Milliarden, die die Staaten in Form von Anleihen zur Finanzierung ihres Krisenhaushalts oder direkt über den Ankauf wertloser Schuldpapiere durch ihre Notenbanken schöpfen, bringen das Kredit-Rating der Emittenten in Gefahr, begründen Sorgen um die Zuverlässigkeit der derart aufgeblähten Währungen; sogar eine radikale Schuldenminderung durch eine Währungsreform gilt nicht mehr als völlig undenkbar. Derweil machen die überlebenden Finanzunternehmen mit den von Staats wegen verantworteten Geldsummen weiter wie bisher und vor der Krise. Das wird ihnen zum Vorwurf gemacht, ohne dass jemand anzugeben wüsste, welches andere Geschäft sie denn treiben sollten als das mit der Spekulation auf versprochene Erträge, Wertentwicklungen und den Geldbedarf ihrer Geschäftspartner. Und wie bereits vor einem Jahr nimmt der Hunger auf der Welt wieder mit neuem Tempo zu, weil das Spekulationsgewerbe erneut den Energiebedarf der großen Weltwirtschaftsmächte und eine großindustrielle Landwirtschaft als Mittel zu dessen geschäftlicher Ausnutzung entdeckt hat und mit seinen darauf berechneten Termingeschäften die Nahrungsmittelpreise in für die Hungerländer auf dem Globus unerschwingliche Höhen treibt.

 

http://www.gegenargumente.at/

Update:

Die Aufzeichnungen wurden bei Vekks, Radio Orange Wien online gestellt:

http://o94.at/programs/vekks/emission?emission_id=677438

Teil 1
http://sendungsarchiv.o94.at/get.php/094pr3812

http://sendungsarchiv.o94.at/getFile.php/2JahreKrise_96kbps_1chn_44100Hz.mp3?audio=1&id=094pr3812&filename=2JahreKrise_96kbps_1chn_44100Hz.mp3

Teil 2
http://sendungsarchiv.o94.at/get.php/094pr3814

http://sendungsarchiv.o94.at/getFile.php/2JahreKrise2_96kbps_1chn_44100Hz.mp3?audio=1&id=094pr3814&filename=2JahreKrise2_96kbps_1chn_44100Hz.mp3

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