Theo Wentzke: Unordnung im Hinterhof
Von webmaster • Mai 21st, 2018 • Kategorie: AllgemeinUnordnung im Hinterhof
Die Europäische Union betrachtet und behandelt die Länder des westlichen Balkans als ihren Besitz. Recht glücklich ist Brüssel mit dem Zustand dieser Staaten allerdings nicht
Von Theo Wentzke
An der Lage der Balkanstaaten besteht kein Zweifel: Diese Länder sind eingereiht in die Peripherie der Europäischen Union, entweder als Mitglieder oder in der langen Warteschleife der Heranführungsprozeduren, sie stehen politisch unter Aufsicht, einige unter Zwangsverwaltung; militärisch sind sie ohnmächtig, zum Teil sind noch NATO-Kräfte stationiert, zum Teil sind sie NATO-Mitglieder; ökonomisch sind sie fast vollständig abhängig. Aber es handelt sich dabei um einen problematischen, in gewisser Weise gefährdeten Besitzstand. Für die von der EU verlangte Stabilität einer soliden Peripherie leisten sie entschieden zuwenig, und damit sind schon die Hauptschuldigen für die unbefriedigende Lage genannt, so dass der einschlägige öffentliche Diskurs ganz gut ohne Überlegungen zur Rolle imperialer Gewalt bei der Herstellung dieser Mängelwesen auskommt.
Marktwirtschaft und Demokratie
Failed states
»Korruption«
Internationale Konkurrenten
Chance zur Unterwerfung
Theo Wentzke ist Redakteur der Zeitschrift Gegenstandpunkt. Zuletzt erschien von ihm auf diesen Seiten am 16. Januar 2018 »Die Indienstnahme der Welt« über die deutsche Autoindustrie. Mehr zum Thema »Europa und sein Hinterhof auf dem Balkan« ist im aktuellen Heft 1/2018 nachzulesen. Bestellung unter: de.gegenstandpunkt.com
Aus: junge Welt – Ausgabe vom 18.05.2018 / Seite 12 / Thema
https://www.jungewelt.de/artikel/332688.unordnung-im-hinterhof.html
vgl:
Europa und sein Hinterhof auf dem Balkan – Eine Bilanz des großen europäischen Friedenswerks (GS 1-18)
Seitdem der Nato-Bombenkrieg den Tito-Staat auf dem Balkan beseitigt hat, ist die Staatenwelt um eine Handvoll Kleinststaaten reicher, die die wohlwollende europäische Erziehungsdiktatur der „Heranführungs“-Methoden genießen. Angesichts der Aussicht auf eine neuerliche Osterweiterung um die Staaten des Westbalkan, denen die EU in Gestalt von Juncker seit neuestem eine glaubwürdige Beitrittsperspektive, dieses Mal sogar mit Datum, verspricht, lohnt sich ein Blick darauf, was das bekanntermaßen werte-beflissene, gutartig-zivile europäische Bündnis dort zustande gebracht hat:
– Der europäische Fortschritt in Gestalt von Transformation und Zerschlagung der jugoslawischen Produktionszusammenhänge hat die Balkan-Völker weitgehend befreit von den früheren industriellen Grundlagen, so dass Korruption und Bandenkriminalität bzw. Auswandern die entscheidenden Erwerbsquellen darstellen;
– Mit kaum hinreichenden Existenzbedingungen haben sie sich die Qualifikation als „sichere Herkunftsstaaten“ verdient, was deutsche Innenminister zu Komplimenten angesichts der flüssigen Abschiebeverfahren veranlasst; schließlich sollen die Hungerleider bleiben, wo sie hingehören;
– Das damalige große Mitfühlen mit den unterjochten Völkern hat sich aufgehört, heute macht sich der von der NATO zur Staatsgründung ermächtigte Nationalismus eher unbeliebt, mal im Golf von Piran, mal mit kosovarisch-serbischen Querelen und Störungen im europäischen Stromnetz;
– Eine Reihe von Staatsgebilden, die nach allen Kriterien halbwegs funktionierender Herrschaft als failed states einzustufen sind, dürfen gleichwohl nicht so genannt werden. Schließlich stehen sie dauerhaft unter Aufsicht, und auch wenn ihnen elementare Bedingungen fürs Staatmachen abgehen, muss Europa dennoch auf guter Führung bestehen und durch energisches Hineinregieren für Unterordnung unter die einschlägigen Direktiven sorgen. Nicht zuletzt auch deshalb, damit sich dort nicht Chinesen, Russen und andere Mächte breitmachen, die unseren europäischen Besitzstand gefährden könnten.
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/europa-sein-hinterhof-auf-balkan
Protokoll zum Jour fixe 14.05.18
Europa und sein Hinterhof auf dem Balkan
Eine Bilanz des großen europäischen Friedenswerks ( Gegenstandpunkt 1/18 )
Der Artikel geht bei der Besichtigung des aktuellen Zustands des Westbalkan in die 90er Jahre zurück, um klarzustellen, dass darin auch der heutige Zustand des Westbalkan seinen Grund hat. Was ist das für eine Sorte Imperialismus, den Europa dort damals angezettelt hat? …
https://de.gegenstandpunkt.com/sites/default/files/jf-protokolle/jf180514-hinterhof-balkan.pdf