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IVA: Im Gespräch mit, über oder gegen rechts

Von • Dez 3rd, 2017 • Kategorie: Allgemein

IVA: Im Gespräch mit, über oder gegen rechts

 

 

Gegen rechts wird auch pädagogisch einiges unternommen – das war bei IVA bereits im Juni Thema (siehe „Pädagogik gegen rechts“, Texte2017). Man soll ins Gespräch kommen, heißt es neuerdings, dabei aber schwer aufpassen, mit wem man es zu tun hat und wie stilvoll die Diskussion ist. Dazu ein Kommentar von Johannes Schillo.

Zuletzt rief der Bundespräsident in Dresden bei einer Veranstaltung der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung dazu auf, Rechtsextremismus in der Gesellschaft klar zu benennen, wobei „die Wiedergewinnung der Gesprächsfähigkeit“ und vor allem das „direkte Gespräch“ jenseits aller sozialen Netzwerke wichtig sei (vgl. Schillo 2017). Denn, so Steinmeier, es gebe leider „keine Gespräche miteinander. Alles, was inhaltlich dringend notwendig wäre, diese demokratische Kontroverse, findet nicht statt.“ Woran auch immer er das Versagen der Auseinandersetzung festmachen mag, in einem kann man ihm zustimmen: Radikale rechte Stimmen werden, sofern sie nicht im etablierten Parteienspektrum ihren Platz haben, als Extremismus ausgegrenzt – und dies ganz sachgemäß, da „Demokraten (Neo-)Faschisten nicht kritisieren, sondern nur verbieten können“ (Huisken 2012, 18).

Freerk Huisken hat diese These bereits in mehreren Veröffentlichungen ausgeführt, nicht als Angriff auf eine intellektuelle Schwäche, eine verminderte Kritikfähigkeit der etablierten Politik, sondern als sachlicher Nachweis, dass rechte und demokratische Positionen in den Essentials vom Volk und seiner Gemeinschaft, von seiner nationalen Identität und dem Staat, der ihr verpflichtet ist, erst einmal übereinstimmen und sich daher bei der inhaltlichen Abgrenzung schwer tun. Nationalismus ist bei beiden die gemeinsame Basis, doch heißt er nur im ersten Fall so, im andern ist er als Patriotismus oder Vaterlandsliebe ein ehrenwertes Anliegen, das mit der aggressiven Variante, die das Ausland und die Ausländer schlecht macht, nichts zu tun haben soll; das vielmehr als Bejahung der eigenen Nation, inklusive Gefühlsbindung, Stolz und Heimatliebe, das Selbstverständlichste von der Welt sein soll.

Woher der Ausgrenzungsbedarf rührt und wie er im pädagogischem Feld auftritt, ist auch Thema der neuen Arbeitshilfe „Gegen Rechts argumentieren lernen“ von Rolf Gloël, Kathrin Gützlaff und Jack Weber (2017). Die Publikation bietet in der Hauptsache einen Argumentationsleitfaden, der unmittelbar für die Bildungspraxis verwertbar ist. Im Weiteren geht es um „Wege und Holzwege politischer Bildung gegen Rechts“ sowie um die Frage, worin der Rechtsruck eigentlich besteht, was seine Gründe sind und wie er aus offiziellem Blickwinkel interpretiert wird. Warum sich Menschen rechten politischen Orientierungen und Organisationen anschließen, wird anhand gängiger Erklärungen („Angst“, „Soziale Unzufriedenheit“, „Einfache Lösungen“, „Unzufriedenheit mit den Eliten“, „Populismus und Rattenfängerei“) untersucht und mit Gegenthesen der Autoren konfrontiert. Dann wird thematisiert, wie die etablierte Politik auf den Rechtsruck reagiert. Dabei kommen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den staatstragenden und den Parteien des rechten Randes zur Sprache (vgl. dazu auch Bernhardt/Gospodarek 2017). (…)

 

https://www.i-v-a.net/doku.php?id=texts17

 

 

vgl:

 

Johannes Schillo: Das „direkte Gespräch“ – mit, über, gegen rechts?

 

Der Rechtstrend – nicht nur in den neuen Bundesländern – gilt als große Herausforderung für „alle Demokraten“ (Steinmeier). Der Politikbetrieb kümmert sich um Ab- und Ausgrenzung; der Zuwachs am rechten Rand soll, auch wenn man sich mit ihm arrangieren muss, nicht einfach dazugehören. Gleichzeitig sind Zivilgesellschaft und Bildungseinrichtungen aufgefordert, ihren Beitrag zur Auseinandersetzung zu leisten. Dabei kommt natürlich auch die politische Bildung in den Blick.

 

http://www.magazin-auswege.de/2017/11/das-direkte-gespraech-mit-ueber-gegen-rechts/

 

http://www.magazin-auswege.de/data/2017/11/Schillo-Gegen_rechts.pdf

 

 

Freerk Huisken: Der demokratische Schoß ist fruchtbar…

Das Elend der Kritik am (Neo-)Faschismus

 

Verfassungsschutz, Bundeszentrale für politische Bildung, viele der Volksparteien, aber auch Gewerkschaften und einige Antifa-Bündnisse stellen bei ihrem Kampf gegen Neonazis deren Kleidung vor, decodieren Zahlencodes und benennen rechtsextreme Musiklabels. Es wird enttarnt, was sie offen zeigen, wenn sie sich präsentieren. Diese Art der »Auseinandersetzung« lebt von der Vorstellung, Jugendliche würden sich abwenden, wenn sie nur erkennen könnten, wie Neonazis sich kleiden und welche Mucke sie hören.

Weit gefehlt, denn diese sind vor allem enttäuschte Nationalisten, die die Verschwendung nationaler Ressourcen durch undeutsche Unternehmenspolitik anprangern, am globalen Kapitalismus gerade nicht den weltweiten Siegeszug eines Ausbeutungssystems kritisieren, sondern beklagen, dass sich gute deutsche Unternehmen in internationale Konzerne verwandeln.

Damit kommen gute Demokraten in Schwierigkeiten, entdecken sie doch bei der unerwünschten Konkurrenz Einvernehmen mit dem eigenen höchsten politischen Ziel: Dem Erfolg der Nation, um Deutschland ökonomisch und politisch voran zu bringen. Und so verkommen Verbotsdebatten, Enttarnungen und Steckbriefe sowie die Warnung, dass der Schoss noch fruchtbar sei, zu einer Ehrenrettung von Nationalbewusstsein – zum Segen des demokratisch regierten Kapitalismus. Daran sollte man sich wirklich nicht beteiligen.

 

http://www.vsa-verlag.de/index.php?id=6576&tx_ttnews[tt_news]=13618

 

 

 

Rolf Gloël / Kathrin Gützlaff / Jack Weber: Gegen Rechts argumentieren lernen

 

Rassistische und nationalistische Vorstellungen und Taten müssen als das genommen werden, was sie sind: Äußerungen eines politischen Standpunktes, der sich nicht durch Ächtung (siehe den Umgang der etablierten Parteien mit AfD, Pegida etc.) oder Verbote (Parteienverbote, Strafverfolgung nach Übergriffen auf Flüchtlinge etc.) aus der Welt schaffen lässt. Es gilt, Menschen, denen völkische und ausländerfeindliche Urteile einleuchten, brauchbare und stichhaltige Argumente gegen Rassismus und Nationalismus nahezubringen.

Die AutorInnen wollen diese kritische Auseinandersetzung fördern. Sie setzen sich dabei von der verbreiteten Methode ab, nationalistischen Positionen dadurch den »Wind aus den Segeln« nehmen zu wollen, dass um deren glaubwürdigere »Besetzung« konkurriert wird. So führen etablierte Parteien, aber auch Pädagogen und Wissenschaftler angesichts der Wahlerfolge der AfD eine Diskussion, inwieweit sie es versäumt haben, die »berechtigten Sorgen der Bürger« – als die sie die zunehmende Zustimmung zu nationalistischen und ausländerfeindlichen Parolen deuten – »ernst zu nehmen«. Die AutorInnen dieser Handreichung zeigen stattdessen, wie es gelingt, die »rechten« Standpunkte und deren »Logik« als solche ernst zu nehmen und ihnen mit Argumenten entgegenzutreten.

»Wer gegen rechts kritisch-argumentativ Front machen will …, dem ist mit der umfangreichen Materialsammlung und deren scharfsinnigen Schlussfolgerungen eine äußerst lesenswerte Handlungsanleitung gegeben.« (hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg)

 

http://www.vsa-verlag.de/index.php?id=6576&tx_ttnews[tt_news]=17033

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