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Kritik an Ideologien, Aufklärung über populäre Irrtümer, Kommentare zum Zeitgeschehen

WikiLeaks

Von • Dez 1st, 2010 • Kategorie: Allgemein

„Freiheit braucht Verantwortung“

Mit dieser Überschrift kommentiert „Die Welt“ am 30.11. die Wikileaks-Veröffentlichung von Depeschen der Außenstellen des US-Außenministeriums. Zur Sache selbst ist eigentlich wenig zu sagen: Jedem einigermaßen aufmerksamen Menschen hätte eigentlich schon früher auffallen können, dass die Übergänge von Diplomatie und Geheimdienst fließend sind und Staaten entlang ihrer Interessen ihre Feind- und Freundschaften permanent neu sortieren. Allen voran die Super- und Führungsmacht, die schlicht überall auf der Welt Interessen hat. Insofern bestehen die beiden einzigen echten Ärgernisse darin, dass jeder, der will, das jetzt im internen Jargon nachlesen kann und dass etliche US-Diplomaten wohl versetzt werden müssen. Am Sachverhalt selbst ändert das nichts, ein „Geheimnis“ war er ohnehin nie. Anders gesagt, dass der US-Botschafter den deutschen Außenminister für ein eitles und dummes Arschloch hält, ändert nach der Publikation vermutlich etwas in ihrem persönlichen Umgang, aber nich  ts am Interesse beider Staaten an- und gegeneinander.

Trotzdem oder gerade deswegen reagiert die Politik ziemlich gereizt auf die nun geöffnete Schlüssellochperspektive in die Hinterzimmer der Macht. Die zitierte Zeitung übersetzt den Vorgang daher auch gleich in einen Auftrag ganz allgemeiner Art: Freiheit braucht Verantwortung! Will sagen, die Dokumente hätten nicht veröffentlicht werden dürfen. Der Imperativ stellt klar, dass die Säulenheiligtümer der Demokratie – Informations- und Meinungsfreiheit – Instrumente der Staatsmacht zu sein haben und keine gegen sie. Und das ganz unabhängig davon, ob dieser Generalverdacht einer Gedankenpolizei im vorliegenden Fall überhaupt begründet ist. Es wäre ja schön, wenn jemand durch Wikileaks an der Politik irre werden würde, aber dazu gehört leider mehr als ein Blick durchs Schlüsselloch. 

http://www.vonmarxlernen.de/index.php/demokratie-a-oeffentlichkeit/278-wikileaks.html

One Response »

  1. […] dazu gibt es einen schönen Beitrag, den ich auf contradictio gelesen habe. Warum selbst formulieren, was andere schon sehr schön aufgeschrieben haben. Damit […]